06.12.2020 16:07:00
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Grasser-Prozess - Grasser und Meischberger pochen auf ihre Unschuld
Grasser wirft der Richterin im Interview mit der "Kleinen Zeitung" den "Anschein der Befangenheit" wegen Tweets ihres Ehemanns vor. "Dieses Urteil hat nichts mit Objektivität zu tun. Wenn in diesem Land islamistische Extremisten ein paar Monate im Gefängnis sind und dann entlassen werden, um vier Menschen zu töten, dann muss man darüber nachdenken, wie in unserem Rechtsstaat agiert wird. Kinderschänder sowie jene, die Verbrechen an Leib und Leben begehen, bekommen weniger als ich als Unschuldiger?", fragt er.
Weiters wirft Grasser der Richterin Voreingenommenheit vor: "Für die Richterin war schon vor Prozessbeginn klar, dass ich schuldig bin. Sie hat bei der Urteilsverkündung erklärt, dass es bereits vor Beginn eine "erdrückende Beweislast" gegeben habe. Selbst meine größten Feinde werden zugeben - es gibt nicht einen Beweis." Zudem sei bereits die Anklage eine "politische Vendetta von Grün und Rot gegen mich" gewesen. "Natürlich habe ich Fehler gemacht. Aber die sind strikt von der Frage zu trennen, ob es strafrechtliche Verfehlungen gab. Und ich war dabei - es gab keine."
Im "Kurier"-Interview spricht Grasser auch von den wirtschaftlichen Folgen des Urteils für ihn, nachdem er bisher 2,5 Mio. Euro Kosten für Anwälte, Gutachter, etc. gehabt hatte. "Ich glaube, der Privatkonkurs wird nicht erst in drei Jahren kommen, der wird deutlich früher kommen. Dieser Prozess hat ohnehin meine Existenz ruiniert, und mit diesem Urteil habe ich einen Totalschaden: Der ist Ruf ruiniert, die Reputation genommen, die Ehre abgeschnitten. Dieses Fehlurteil stellt mich als Verbrecher dar, der acht Jahre Haft bekommt. Das sind schwere Schläge in die Magengrube." Ihm bleibe nur noch seine Familie und deren Zusammenhalt, das gebe ihm Kraft weiter zu kämpfen.
Schwere Angriffe gegen die Justiz und die Richterin äußert Meischberger im Interview mit "Österreich": "Der Prozess hat drei Jahre gedauert und es gab keinen einzigen Beweis und ich werde zu 7 Jahren Haft verurteilt. Das lässt uns an ganz dunkle Zeiten dieses Landes vor mehr als 70 Jahren denken." Die Richterin habe von einer erdrückenden Beweislast gesprochen, und damit "gelogen", so Meischberger. "Es gibt keinen Beweis, deshalb verstehe ich das nicht. Es ist ein ideologisch motiviertes Fehlurteil. Die Richterin war von Beginn an befangen. Diese Befangenheit hat sich während des Prozesses eklatant verstärkt." Er werde bis zum Menschenrechtsgerichtshof gehen und es bis zur letzten Instanz durchfechten. "Dieses Urteil ist menschenverachtend - ich kann es nur eine politische Rache nennen. Dieser Prozess ist ein Justizskandal."
Von einigen Politikern kamen eher kurze Reaktionen. Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) sagte im "Kurier": "Die Justiz hat gewissenhaft gearbeitet, auch wenn es lange gedauert hat. Ich bin immer noch beeindruckt, mit welcher Akribie die inzwischen verstorbene Abgeordnete Gabriela Moser die Buwog-Affäre aufgearbeitet hat. Ich erinnere mich auch an Grassers Aktiendeals und andere Unvereinbarkeiten. Das war schon faul, lange bevor die Buwog streng zu riechen begann."
Die Urteile empfand NEOS-Parteichefin Beate Meinl-Reisinger am Sonntag in der ORF-"Pressestunde" durchaus als hart. Erfreulich ist für sie, dass damit auch eine harte Absage an das System der Freunderlwirtschaft verbunden sei.
Auf Twitter äußerten sich Wiens FPÖ-Chef Dominik Nepp kritisch: "8 Jahre für KHG 5 Monate für Dschihadisten So sieht 'Gerechtigkeit' in Österreich aus!"
FPÖ-Nationalrat Christian Hafenecker kritisiert die Zuordnung Grassers in den Medien als ehemaliger FPÖ-Finanzminister und fragt auf Twitter: "#grasser war 6 Jahre Finanzminister. Davon rund zwei Jahre für die #FPÖ danach 4 Jahre für die #ÖVP. Er saß dort auch im Bundesvorstand. Warum berichtet man trotzdem immer von einem Ex-FPÖ Finanzminister?"
Auch Alois Birklbauer, Strafrechtsexperte der Johannes-Kepler-Universität Linz, kommentierte das Urteil. Grasser erhielt - nicht rechtskräftig - acht Jahre Haft, aufgrund seiner Beamten-Qualifikation wären bis zu 15 Jahre möglich gewesen. Diese Bestimmung wurde aber vom Gericht explizit nicht angewandt. Zusammengefasst sei das Urteil für Grasser "wohl kein mildes, aber durchaus im Rahmen", sagt Birklbauer im "Kurier". Generell seien Urteile, die von einem Schöffengericht gefällt werden, nur schwer zu bekämpfen. Dass ein Prozess lange dauere, spreche nicht gegen die Qualität eines Prozesses, sagte er im ORF-Radio.
(Schluss) gru/kre
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