Russlands Kreditwürdigkeit gerät wegen der Ukraine-Krise zusehends unter Druck.
Am Freitag senkte die Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) den Daumen: Die Bonitätsnote fällt um eine Stufe auf "BBB-", wie S&P in London mitteilte. Das ist nur eine Stufe über dem sogenannten "Ramschbereich" (Non Investment Grade), der spekulative Anlagen kennzeichnen soll. Der Ausblick für das Rating ist negativ, was weitere Abstufungen erwarten lässt. Auslöser könnten etwa schärfere Sanktionen des Westens sein, schreibt die Agentur.
Der Kreml reagierte gelassen. Die Abstufung des Ratings sei von Investoren erwartet worden und würde nichts entscheidendes an deren Einstellung ändern, sagte Wirtschaftsminister Alexej Uljukajew in Moskau.
S&P hat rasch auf die jüngste Zuspitzung der Krise in der Ukraine reagiert. Erst Mitte März hatte die Agentur Russland mit einer Abstufung gedroht, als sie den Ausblick für das Rating auf negativ senkte. Den jetzigen Schritt begründen die Bonitätsprüfer vor allem mit dem krisenbedingt gewaltigen Kapitalabfluss aus Russland. "Wir sehen das als Risiko für die Wachstumsaussichten Russlands", so S&P.
In den ersten drei Monaten 2014 haben Investoren insgesamt 51 Milliarden Dollar aus dem Land abgezogen. Das ist fast so viel wie der jährliche Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre. Zum Vergleich: Im Gesamtjahr 2013 waren insgesamt 63 Milliarden Dollar abgeflossen. Am russischen Finanzmarkt wurde die Rating-Entscheidung von S&P negativ aufgenommen. Staatspapiere und die Landeswährung Rubel reagierten mit Verlusten.
Die wichtigsten Ratingagenturen
Standard & Poors (S&P)
Die Ursprünge der Ratingagentur S&P gehen bis in die 1860er zurück, als Henry Varnum Poor erste Versuche unternahm, Einsenbahngesellschaften zu bewerten und diese Ratings als Information für Anleger veröffentlichte. 1941 schloss sich die H.V. & H.W. Poor Co. mit dem Standard Statistic Bureau dann zu Standard & Poor's zusammen.
Standard & Poor's beschäftigt in insgesamt 23 Ländern rund 6.000 Mitarbeiter. Die Ratingagentur hat ihren Hauptsitz in New York und gehört zu den größten Ratingagenturen der Welt. Nach eigenen Angaben hat S&P bereits über 1 Millionen Bonitätseinschätzungen von Wirtschaftsunternehmen, Banken und Staaten veröffentlicht.
S&P ist außerdem Herausgeber zahlreicher Aktien- und Rohstoffindizes, beispielsweise des S&P 500.
Moodys
Moody's ist die einizige der großen US-Ratingagenturen, die selbst börsennotiert ist. Sie wurde bereits 1909 von John Moody gegründet, führte damals allerdings nur Bewertungen von Eisenbahn-Anleihen durch. Seit 1914 gibt es den Moody's Investor Service.
Moody's ist nach S&P die zweitgrößte Ratingagentur weltweit. Wie der größere Konkurrent, bewertet auch Moody's die Bonität von Wirtschaftsunternehmen, Banken und Staaten und hat seinen Hauptsitz in New York. Die Agentur beschäftigt rund 7.200 Mitarbeiter in 29 Ländern, davon 1.000 Analysten. Der Umsatz von Moody's lag 2012 bei rund 2,73 Milliarden Dollar.
Der größte Anteilseigner an Moody's ist der Investmentguru Warren Buffet, der über seine Investmentholding rund 13 Prozent der Moody's-Aktien besitzt.
Fitch Ratings
Zusammen mit S&P und Moody's gehört Fitch zu den großen Drei unter den Ratingagenturen. Gemeinsam zeichnen die drei US-Agenturen für rund 95 Prozent aller Ratings weltweit verantwortlich.
Fitch wurde 1913 von John Knowles Fitch gegründet und begann rund 10 Jahre später mit der Veröffentlichung von Finanzstatistiken. 1997 fusionierte Fitch mit IBCA Limited. Gemeinsame Eigentümer der Ratingagentur sind seitdem die französischen Fimalac-Holding und die amerikanische Hearst Corporation. Fitch hat über 2.000 Angestellter die an mehr als 50 Standorten weltweit für die Ratingagentur tätig sind.
Fitch war die erste Ratingagentur, die die Ratingskala von "AAA" bis "D" eingeführt und verwendet hat.
Creditreform Rating
Die Creditreform Rating AG ist ein Unternehmen der weltweit tätigen Creditreform Gruppe und erstellt als europäische Ratingagentur externe Ratings für Unternehmen, Anleihen und strukturierte Finanzierungen. Daneben bietet sie Dienstleistungen im Kreditmanagement für Banken und Unternehmen an. Die Creditreform Rating AG ist von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) als Rating-Agentur für die bankaufsichtliche Risikogewichtung nach der Solvabilitätsverordnung (SolvV) / Basel II anerkannt und verfügt über die EU-Registrierung für Ratingagenturen.
Scope
Eine weitere europäische Ratingagentur ist die 2002 gegründete Ratingagentur Scope. Scope bewertet Unternehmen, Banken, Anleihen, Fonds und Zertifikate und ist in vier Ländern mit insgesamt 70 Mitarbeitern tätig.
Bei der Gründung 2002 befasst sich Scope zunächst ausschließlich mit der Bewertung von Fonds. Erst später wurde das Geschäftsfeld sukzessive auf die oben genannten Bereiche ausgeweitet. Der Einstieg in das Credit Rating erfolgte jedoch erst 2012 nch der Übernahme von PSR Rating. Erst seit 2013 bewertet Scope auch die weltweit wichtigsten Bankengruppen.
Auch Scope besitzt eine Zulassung als registrierte Credit Rating Agency in der EU.
Dagong Global Credit
Bei Dagong Global Credit handelt es sich um eine staatlich unabhängige chinesische Ratingagentur. Sie wurde 1994 gegründet und konzentrierte sich zunächst auf die Bewertung von chinesischen Unternehmen. Mittlerweile gehört aber auch die Bewertung von internationalen Unternehmen und Staaten zum Tätigkeitsbereich von Dagong Global Credit. Die Ratingagentur beschäftigt dazu rund 500 Angestellte.
Dagong gilt als eine der wichtigsten Ratingagenturen außerhalb der USA, auch wenn ihre Ratings außerhalb von China nur wenig Beachtung finden. Ein Antrag von Dagong für den Markteintritt in den USA wurde 2010 von der US-Börsenaufsichtsbehörde abgelehnt.
In der westlichen Welt erlangte Dagong Global Credit 2010 eine verbreitete Bekanntheit, als die Ratingagentur die Bonität der USA erstmals abstufte.
DBRS
DBRS, früher Dominion Bond Rating Service, ist die größte Ratingagentur in Kanada. Hauptsitz der Gesellschaft ist Toronto, die Ratingagentur verüfgt aber auch über Niederlassungen in New York und Chicago.
Gegründet wurde DBRS 1976 von Walter Schroeder, der auch heute noch im Aufsichtsrat der Ratingagentur sitzt. Die Ratingagentur konzentrierte sich zunächst auf die Bwertung kurzlaufender Geldmarktpapiere, bewertete wenig später aber auch die Bonität von Staaten und Unternehmen.
Auf dem kanadischen Markt ist DBRS die wichtigste Ratingagentur noch vor Moody's und S&P, weltweit gilt sie als viertgrößte Ratingagentur. Sowohl in den USA als auch in Europa ist DBRS als Ratingagentur registriert und anerkannt.
Russland bekommt die Skepsis der Anleger auch bei der Geldaufnahme immer heftiger zu spüren. Der Kreml hat seit Ausbruch der Ukraine-Krise bereits etliche Auktionen von Staatspapieren abgesagt und begründet dies mit dem "ungünstigen Marktumfeld". Erst am Mittwoch hat das Finanzministerium eine Versteigerung von Anleihen, die in Rubel begeben werden sollten, abgebrochen und als gescheitert erklärt.
Finanzanalysten betonen jedoch, dass es keinen akuten Mittelbedarf gibt. Laut Experte Dmitry Dudkin vom Investmenthaus UralSib in Moskau ist der Haushalt bis zum Jahresende durchfinanziert. Russland ist ein bedeutender Exporteur von Erdgas und Rohöl. Über Steuern und Abgaben trägt der Energiesektor einen hohen Teil zu den Staatseinnahmen bei. Der Rubel-Verfall verbilligt die Exporte im Ausland.
Dennoch ist die von Rohstoffausfuhren abhängige russische Wirtschaft in keinem guten Zustand. Finanzminister Anton Siluanov rechnet in diesem Jahr mit einem mageren Wachstum von lediglich 0,5 Prozent. Schärfere Sanktionen des Westens könnten den Konjunkturmotor weiter abwürgen. Im letzten Jahr hatte die Wirtschaftsleistung um 1,3 Prozent und damit so schwach wie seit der Rezession 2009 nicht mehr zugelegt./hbr/bgf/
LONDON (dpa-AFX)