Von Hans Bentzien

   FRANKFURT (Dow Jones)--Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) dürfte sein Anleihekaufprogramm bei der Sitzung am 8. Dezember verlängern. Dafür sprechen sowohl die anhaltend schwachen Inflationsaussichten und die konjunkturellen Unsicherheiten des nächsten Jahres als auch die Kommunikation wichtiger EZB-Offizieller. Volkswirte erwarten, dass der volkswirtschaftliche Stab der EZB seine Kerninflationsprognosen etwas senken wird, um der schwachen Lohnentwicklung Rechnung zu tragen. Weniger klar ist jedoch, ob die EZB zugleich das monatliche Ankaufvolumen von 80 Milliarden Euro konstant halten wird.

   Die Rahmenbedingungen für die EZB-Geldpolitik sind derzeit ungemütlich. Die Woche hat mit der Ablehnung des italienischen Verfassungsreferendums begonnen. Das hat zu einem Anstieg der Anleiherenditen und einer Ausweitung der Differenzen zu den Renditen deutscher Bundesanleihen geführt. Höhere Renditen heißen höhere Zinsen, und die sind schlecht für das Wachstum.

   Der EZB gefällt der Anstieg der Anleiherenditen, der seit dem Wahlsieg des Republikaners Donald Trump bei den US-Präsidentschaftswahlen zu beobachten ist, ohnehin nicht. Höhere Renditen seien nur dann begrüßenswert, wenn sie auf höheren Wachstums- und Inflationserwartungen im Euroraum beruhten, sagte EZB-Vizepräsident Vitor Constancio kürzlich.

Renzis Rücktritt Rückschlag für Reformen in Italien

Die EZB appelliert seit langem an die Regierungen des Euroraums, mehr mit entsprechenden Reformen mehr für das Wachstum und die Inflation im Euroraum zu tun. Die Ablehnung des italienischen Verfassungsreferendums und der Rücktritt des Reformers Matteo Renzi sind in dieser Hinsicht ein Rückschlag.

   Aber was soll die EZB tun, wenn die Renditen steigen und die Italiens sogar beschleunigt? Nach Meinung einiger Beobachter könnte die EZB in diesem Fall die Spielräume nutzen, die das Anleihekaufprogramm bietet. Will heißen: Kurzfristig mehr kaufen - vielleicht auch einfach mehr italienische Anleihen.

   Die Diskussion über solche Fragen findet vor dem Hintergrund der Tatsache statt, dass einigen Zentralbanken des Euroraums ohnehin die ankaufbaren Anleihen auszugehen drohen. Zwar gibt es durchaus Ökonomen, wie zum Beispiel die von Nordea, die erwarten, dass die EZB ihre Inflationsprognosen senken und deshalb ihr Anleihekaufprogramm mit dem aktuellen Monatsvolumen von 80 Milliarden Euro um sechs Monate verlängern wird.

QE-Verlängerung um den Preis kleineren Monatsvolumens?

Es gibt aber auch Experten, wie die von BNP Paribas, die vorsichtiger sind. Sie rechnen damit, dass die EZB ihr Programm im aktuellen Volumen nur um drei Monate verlängern würde. Eine Verlängerung um sechs Monate kommt ihrer Meinung nach nur in Betracht, wenn das Monatsvolumen auf 60 Milliarden Euro reduziert würde.

   Glaubwürdig wäre eine Verlängerung um sechs Monate nach Einschätzung von ABN Amro nur, wenn die EZB gewisse technische Parameter des Programms ändern würde. ABN denkt vor allem an die Streichung des Vorbehalts, dass die Zentralbanken nur solche Papiere kaufen dürfen, deren Rendite nicht unter dem EZB-Einlagensatz (minus 0,40 Prozent) liegt.

   Auf einen Schlag könnten die Zentralbanken dann wieder Papiere mit kürzerer Laufzeit erwerben. Eine aus Bankensicht positive Nebenwirkung wäre, dass die Differenz zwischen kurz- und langfristigen Kurven wieder zunehmen würde. Denn das würde Fristentransformation wieder attraktiver machen.

   EZB-Präsident Mario Draghi hat klar gemacht, dass die Geldpolitik Wachstum und Inflation auch künftig so stark wie derzeit begünstigen soll - der "Akkommodationsgrad" der Geldpolitik soll aufrecht erhalten werden. Aus Sicht der Finanzmärkte kann das nur bedeuten, dass das Ankaufvolumen unverändert bleibt.

Märkte könnten geringeres QE-Volumen als Tapering interpretieren

Alles andere - zum Beispiel eine Verringerung des Volumens bei längerer Laufzeit - würde wohl als erster Schritt eines Ausstiegs aus dem QE-Programm interpretiert werden. Folge wäre ein deutlicher Anstieg der Renditen.

   Die EZB wird ihre geldpolitischen Entscheidungen am Donnerstag (13.45 Uhr) bekannt geben, wobei eine Änderung von Leitzinsen niemand erwartet. Unverändert dürfte die EZB zudem signalisieren, dass die Zinsen für längere Zeit - auf jeden Fall aber länger als die Dauer des Ankaufprogramms - auf dem jetzigen oder einem niedrigeren Niveau bleiben dürften.

   Entscheidend werden daher die Aussagen zu Ausmaß und Dauer der Anleihekäufe sein. Aktueller Stand: 80 Milliarden Euro monatlich bis mindestens März 2017. Die Pressekonferenz mit Mario Draghi beginnt gegen 14.30 Uhr.

   Im Hinblick auf die neuen Inflations- und Wachstumsprognosen des EZB-Stabs scheint bisher nur klar, dass die Inflationsprognosen für 2017 und 2018 gesenkt werden müssen. Im September hatte die Prognosen auf 1,2 und 1,6 Prozent gelautet. Interessant wird aber vor allem die Prognose für das Jahr 2019, dass von den neuen Projektioen erstmals erfasst wird.

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   December 05, 2016 10:00 ET (15:00 GMT)

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