26.08.2015 11:03:45

Zentralbanker beraten in Jackson Hole über Marktschmelze

Die Zentralbanker der Welt, die sich in dieser Woche bei der Tagung der Federal Reserve in Jackson Hole treffen, müssen sich einer neuen Krise stellen. Nach dem Kollaps von Lehman Brothers 2008, den globalen Deflationsängsten 2010 und dem griechischen Seriendrama der vergangenen Jahre sind sie nun mit der großen Disparität zwischen den beiden größten Volkswirtschaft der Welt, den USA und China, konfrontiert.

   Die USA haben sich so weit von der großen Finanzkrise erholt, dass die Fed-Banker eine Zinserhöhung vorbereiten können, um einer späteren Überhitzung der Konjunktur vorzubeugen. Doch die chinesische Wirtschaft scheint ihre Dynamik zu verlieren, was die People's Bank of China (PBoC) dazu zwang, die Zinsen zu senken und weitere Maßnahmen zur Stimulierung zu ergreifen.

   Die Finanzmärkte reagierten mit wilden Ausschlägen auf diese widersprüchlichen Kräfte und haben damit neue Unsicherheiten über den Wirtschaftsausblick für die Geldpolitiker geschaffen. Vor den Marktturbulenzen in dieser Woche hatten die Fed-Banker signalisiert, dass sie eventuell schon im September zur Tat schreiten und den Leitzins, der seit Ende 2008 nahe null liegt, anheben könnten.

   Selbst vor dem globalen Börsenabsturz wurde das als eine schwierige Entscheidung angesehen; nun scheinen sich die Chancen für einen Zinsschritt im September vermindert zu haben, obwohl bei einer Stabilisierung der Märkte und guten Konjunkturdaten zur US-Wirtschaft eine Zinserhöhung immer noch möglich ist. Am Dienstag zeigten Daten zur Verbraucherstimmung und den Neubauverkäufen in den USA, dass die Fed-Vertreter nicht zu pessimistisch sein sollten.

   "Vor diesen Marktverwerfungen der letzten Tage hatte ich gedacht, dass die Chancen für eine Zinserhöhung ziemlich genau bei 50 zu 50 stehen", sagte der frühere Fed-Vize Alan Binder. Sollten sich die Märkte nicht stabilisieren, werde die Fed die Zinserhöhung wahrscheinlich aufschieben.

   "Wenn die Märkte immer noch in einer solch nervösen Verfassung wie in den letzten Tagen sein sollten, dann wird die Fed kein Streichholz in den Heuhaufen werfen", meinte Blinder, ein Princeton-Professor und Freund von Fed-Chefin Janet Yellen, mit Blick auf die Sitzung am 17. September.

   Yellen wird an der Tagung in Jackson Hole nicht teilnehmen, doch Fed-Vize Stanley Fischer wird am Samstag eine Rede zum Thema Inflation halten. Auch der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, fährt nicht nach Wyoming, aber viele hochrangige Vertreter der EZB sowie anderer Notenbanken werden vor Ort sein.

   Die Tagung findet in einem spannungsgeladenen Umfeld statt. Die wiederholten Versuche Chinas, das flaue Wachstum anzuschieben, scheinen nicht zu funktionieren. Indes sind viele Volkswirtschaften auf der Welt in dem geldpolitischen Tauziehen zwischen den beiden Giganten USA und China gefangen, insbesondere Schwellenländer und rohstoffexportierende Staaten. Ihre Währungen sind gefallen, während die Fed an ihrer Zinserhöhung arbeitet.

   Sollten die Zentralbanken in Ländern wie Brasilien, Südafrika und Russland versuchen, ihre Volkswirtschaften mit Zinssenkungen auf Touren zu bringen, riskieren sie Kapitalflucht und eine Abwertung. Verzichten sie darauf, riskieren sie eine tiefe Rezession.

   Es gibt auch Skepsis über den Weg, den die globalen Zentralbanken eingeschlagen haben. "Unsere Weltwirtschaft ist fixiert auf die Zentralbanken und die jüngsten Äußerungen der geldpolitischen Autoritäten", sagte Judy Shelton, Expertin bei der Denkfabrik Atlas Network bei einer Konferenz zur Geldpolitik. Der Titel ihres Vortrags: "Was passiert, wenn die Zentralbanker falsch liegen?"

   Während der Finanzkrise haben die Notenbanken in den Industrieländern ihre Zinsen auf praktisch null gesenkt und über Anleihenkäufe die Märkte mit Milliarden geflutet. Die Geldpolitiker argumentieren, dass ohne diese Hilfen die Wirtschaft in einer viel schlechteren Verfassung wäre, vielleicht sogar in eine große Depression abgestürzt wäre. Kritiker wie Shelton sagen, diese Politik habe es nicht vermocht, für höhere Inflation und stärkeres Wachstum zu sorgen.

   Bei ihrer Vorbereitung für eine Straffung der Geldpolitik erhalten die Notenbanker Druck von verschiedenen Seiten. Während Befürworter einer freien Wirtschaft auf den Zinsschritt drängen, plädieren Kritiker weiter für eine lockere Geldpolitik, um das Wachstum und den Arbeitsmarkt zu fördern. "Die Wirtschaft ist zu schwach, um Zinserhöhungen zu verkraften", sagte Shawn Sebastian, Politikanalyst vom Center for Popular Democracy.

   Atlanta-Fed-Chef Dennis Lockhart rechnet weiter mit einem Zinsschritt noch dieses Jahr. In einer Rede in Kalifornien sagte er am Montag, er gehe von einer allmählichen Normalisierung der Geldpolitik aus, und schloss dabei auch ein länger anhaltendes Niedrigzinsumfeld nicht aus. Welchen Weg die Fed bei den Zinserhöhungen wählen werde, hänge sehr vom Kurs der Wirtschaft ab.

   Allerdings erklärte er auch, dass der Leitzins nach einer Anhebung erst einmal auf diesem Niveau verharren könnte. Er sagte jedoch nicht, dass die US-Wirtschaft für eine Zinswende im September bereit sei. Diese Einschätzung hatte er in einem Interview mit dem Wall Street Journal Anfang August vertreten.

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   DJG/apo/mgo

Von Jon Hilsenrath

WASHINGTON (Dow Jones)