17.04.2015 12:51:45
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Yin und Yang der Renditen in der Eurozone
Von Alen Mattich
LONDON (Dow Jones)--Die Renditen griechischer Staatsanleihen bewegen sich auf Rekordhochs, während die Renditen von Bundesanleihen so niedrig sind wie nie zuvor. Diese beiden Dinge haben durchaus miteinander zu tun.
Das Thema "Grexit", wie ein möglicher Austritt Griechenlands aus der Eurozone genannt wird, wird wieder heiß diskutiert, nachdem die griechische Regierung still und leise angedeutet hat, dass sie die Rückzahlung eines Kredits des Internationalen Währungsfonds (IWF) möglicherweise verschieben wird. IWF-Direktorin Christine Lagarde hat nach eigener Aussage Griechenland vor einer Verzögerung gewarnt und dies damit begründet, dass der IWF seit 30 Jahren in keinem Fall einen Aufschub gewährt habe.
Die Diskussion führt eindringlich vor Augen, dass Griechenland schon im kommenden Monat das Geld ausgehen könnte, wenn sich das Land nicht mit seinen Gläubigern einigt. Viele Beobachter fürchten, dass ein Zahlungsausfall zunächst Kapitalverkehrskontrollen nach sich ziehen wird, weil die griechischen Banken von der Liquiditätsversorgung durch die Europäische Zentralbank (EZB) abgeschnitten werden, und letztlich zum "Grexit" führen wird.
Der drastische Anstieg der griechischen Anleiherenditen zeugt davon, dass der Markt die Wahrscheinlichkeit eines Zahlungsausfalls als sehr hoch einschätzt. Zweijährige griechische Staatsanleihen rentieren am Freitag mit 26,81 Prozent. Griechische Credit Default Swaps (CDS), also Versicherungen gegen einen Zahlungsausfall, haben ebenfalls stetig zugelegt.
Im Gegensatz dazu sind die Renditen deutscher Anleihen stark gefallen. Die Laufzeiten bis zu neun Jahren weisen negative Renditen auf. Marktbeobachter glauben, dass auch zehnjährige Bundesanleihen bald negativ rentieren werden; am Freitag beträgt ihre Rendite 0,067 Prozent.
Hinter dem Rückgang der Renditen der Bundesanleihen (und auch der Renditen anderer Länder der Eurozone mit Ausnahme Griechenlands) steht das Anleihekaufprogramm der Europäischen Zentralbank (EZB). Diese erwirbt derzeit jeden Monat Wertpapiere im Volumen von 60 Milliarden Euro, den größten Teil davon stellen Staatsanleihen.
In jüngster Zeit wird am Markt über ein vorzeitiges Ende dieser quantitativen Lockerungen (QE) diskutiert, denn die Wirtschaft der Eurozone scheint wieder Fahrt aufzunehmen, Privathaushalte und Unternehmen erhalten leichter Kredite, und die Inflation hat offenbar den Boden erreicht. EZB-Präsident Mario Draghi bekräftigte am Mittwoch allerdings die Absicht der Zentralbank, das Programm wie angekündigt bis September kommenden Jahres fortzuführen. Sollte dies der Fall sein, wird die Bilanzsumme der EZB dann um etwa 50 Prozent bzw über 1 Billion Euro gewachsen sein.
Wenn etwas die EZB dazu veranlassen kann, ihre Anleihekäufe fortzusetzen, dann Griechenland. Denn nach einem Austritt des Landes aus der Eurozone würden sich die Blicke wieder auf andere hochverschuldete Länder des gemeinsamen Währungsgebiets richten, besonders auf Italien und Portugal. Sollte die EZB ihr Kaufprogramm beenden, wären die Anleihemärkte dieser Länder wieder den Angriffen von Short-Sellern ausgeliefert, die die Kurse dieser Papiere massiv drücken und ihre Renditen im Gegenzug nach oben treiben würden, wenn nur der geringste Zweifel aufkäme, dass der Wirtschaftsaufschwung stark genug ist, damit die Regierungen dieser Staaten ihre Schulden zurückzahlen können.
In anderen Worten: Ein Grexit könnte die Anleihekäufe der EZB letztlich zu einer Dauereinrichtung machen.
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April 17, 2015 06:26 ET (10:26 GMT)
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