07.10.2014 17:47:30
|
Weidmann stemmt sich weiter gegen EZB-Staatsanleihekäufe
Von Brian Blackstone und Hans Bentzien
FRANKFURT--Bundesbank-Präsident Jens Weidmann hat die Pläne der Europäischen Zentralbank (EZB) zum Ankauf von Kreditverbriefungen und Covered Bonds kritisiert und entschiedenen Widerstand gegen mögliche Staatsanleihekäufe signalisiert. In einem Interview mit dem Wall Street Journal wies Weidmann trotz der Anzeichen für eine schwächere Konjunktur außerdem Forderungen nach Steuersenkungen und höheren öffentlichen Ausgaben zurück. Er forderte zudem die EU-Kommission auf, Frankreichs Haushaltspläne zurückzuweisen, wenn diese nicht den europäischen Regeln entsprechen sollten.
Bundesbank-Präsident Weidmann bleibt den konservativen geldpolitischen Regeln seines Hauses treu: Die Inflation muss niedrig sein, die Bilanz der Zentralbank ist vor Risiken zu schützen, Geldpolitik und die finanziellen Bedürfnisse von Regierungen sind strikt voneinander zu trennen. "Es besteht das Risiko - und zwar besonders im Euroraum -, dass die Geldpolitik zur Geisel der Politik wird", sagte Weidmann in einem einstündigen Interview in Frankfurt.
Der Bundesbank-Präsident wird in den nächsten Tagen nach Washington reisen, wo er gemeinsam mit anderen Notenbankgouverneuren und mit Finanzministern an der Jahrestagung von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank in Washington teilnimmt. Im 24-köpfigen EZB-Rat hat Weidmann nur eine Stimme, und er ist dort schon überstimmt worden. Gleichwohl hat seine Stimme in Europa Gewicht, und zwar auch wegen der großen Glaubwürdigkeit, die sich die Bundesbank in den vergangenen Jahrzehnten erworben hat. Dass Weidmann im EZB-Rat Widerstand leistet, macht dessen Beschlüsse in Deutschland schwerer vermittelbar. Die Deutschen stehen einer expansiven Geldpolitik traditionell skeptisch gegenüber.
In der vergangenen Woche hat der EZB-Rat ein neues Programm zum Ankauf von Kreditverbriefungen und Covered Bonds beschlossen. Ziel ist es, die Kreditvergabe anzukurbeln und dabei die Bilanzsumme wieder auf die Größe zu bringen, die sie Anfang 2012 hatte. Das würde eine Vergrößerung um 700 bis 1.000 Milliarden Euro erfordern. Weidmann lehnt das ab, weil er nicht will, dass Risiken von Banken auf die Zentralbank und damit letzten Endes auf den Steuerzahler übertragen werden.
"Mit den jüngsten Beschlüssen hat sich der Politikansatz der EZB geändert - von Programmen, die auf eine Lockerung der Kreditbedingungen zielten in Richtung einer Philosophie der quantitativen Lockerung", sagte der Bundesbank-Präsident im Interview. Er fügte hinzu: "Wenn man eine Zielgröße für die EZB-Bilanz nennt, dann besteht das Risiko, dass wir diese Wertpapiere zu teuer bezahlen." Kreditverbriefungen sind Papiere, in denen Banken Forderungen bündeln und an Investoren verkaufen.
Dass die Inflation im Euroraum derzeit sehr niedrig ist, leugnet der Bundesbank-Präsident nicht. Im September lag die Teuerung bei 0,3 Prozent. Das mittelfristige Inflationsziel der EZB beträgt knapp 2 Prozent. An den Finanzmärkten hatte das Fünfjahrestief bei der Inflation Spekulationen über zusätzliche Lockerungsmaßnahmen der EZB ausgelöst. Doch Weidmann sagt: "Wir sollten den Tiefpunkt bei der Inflation bald hinter uns haben."
An der ablehnenden Haltung des Bundesbank-Präsidenten gegenüber Staatsanleihekäufen durch die Zentralbank hat sich nichts geändert. Weidmann hat in diesem Punkt die deutsche Öffentlichkeit hinter sich, in deren kollektivem Gedächtnis die Hyperinflation der 1920er Jahre fortlebt. Federal Reserve, Bank of England und Bank of Japan haben dieses Instrument massiv eingesetzt, um die langfristigen Zinsen zu senken und die Wirtschaft anzukurbeln und sie tun es größtenteils heute noch. Die EZB ist diesen Schritt bisher nicht gegangen, auch wenn EZB-Vertreter Staatsanleihekäufe immer wieder als eine Option bezeichnen.
Weidmann räumt ein, dass der EZB ein Ankauf von Staatsanleihen auf dem Sekundärmarkt als solcher nicht verboten ist, gibt aber zu bedenken: "Trotzdem ist das EZB-Mandat enger auszulegen als das von Zentralbanken anderer Währungsräume. Die Staatsfinanzierung mit der Notenpresse ist aus gutem Grund verboten, und auch eine Umgehung dieses Verbots über Sekundärmarktkäufe sollte nicht erlaubt sein." Das gilt laut Weidmann besonders dann, wenn sich die Zentralbank anschickt, die riskantesten Staatsanleihen zu kaufen.
Fraglich wäre laut Weidmann zudem, ob Staatsanleihekäufe überhaupt ihr Ziel, eine billigere Finanzierung, erreichen würden. "Insgesamt behindern Liquidität und Finanzierungskosten nicht ein stärkeres Wirtschaftswachstum. Regierungen finanzieren sich zu vorher nie da gewesen Zinssätzen, obwohl die Verschuldung weiter zunimmt. Auch die Unternehmen können sich sehr kostengünstig finanzieren", sagte er.
Befindet sich der Bundesbank-Präsident im EZB-Rat nicht in der komfortablem Position, einerseits umstrittene Vorschläge abzulehnen, andererseits aber keine Alternativvorschläge machen zu müssen? Diesen Vorwurf will Jens Weidmann nicht gelten lassen. "Ich habe meinen Beitrag zur Festlegung des unkonventionellen geldpolitischen Instrumentariums der EZB geleistet - von der Vollzuteilung bei Refinanzierungsgeschäften für Banken bis zu den zweckgebundenen langfristigen Refinanzierungsgeschäften", sagte er.
Was er aber weder unterstützen noch akzeptieren könne, seien Ausflüge der Zentralbank in die Wirtschafts- oder Fiskalpolitik. Aber was bedeutet es dann, dass auch Weidmann hinter der "einmütigen Bereitschaft" des EZB-Rats steht, "falls erforderlich weitere unkonventionelle Maßnahmen zu ergreifen"?
Weidmann sagte dazu: "Uns eint zwar die Verpflichtung, für Preisstabilität zu sorgen, aber trotzdem kann man unterschiedlicher Meinung darüber sein, was von unserem Mandat gedeckt ist, was sinnvoll ist und was nicht." Die Aussage, dass der EZB-Rat falls erforderlich weitere unkonventionelle Maßnahmen beschließen würde, heiße nicht, dass man bereit sei, "sofort aus allen verfügbaren Waffen zu feuern".
Sehr zurückhaltend äußerte sich der Bundesbank-Präsident auch zum Einsatz des Wechselkurses als geldpolitisches Instrument. Er glaube nicht, dass sich die Wettbewerbsfähigkeit von Ländern dauerhaft über einen niedrigeren Wechselkurs erreichen lasse, sagte er. Der Euro hat seit dem Sommer von 1,39 auf 1,26 US-Dollar abgewertet. Manche Ökonomen sehen diese Abwertung als das wirksamste Instrument der EZB im Kampf um eine höhere Inflation.
Skeptisch steht das deutsche EZB-Ratsmitgied auch Forderungen nach öffentlichen, schuldenfinanzierten Investitionsprogrammen in Deutschland gegenüber. Binnenwirtschaftlich seien diese nicht notwendig und mit Blick auf die Eurozone wahrscheinlich wirkungslos, sagte er. Zudem sei ein ausgeglichener Staatshaushalt angesichts der demografischen Probleme Deutschlands durchaus angemessen.
Frankreich forderte der Bundesbank-Präsident dazu auf, sich an die europäischen Haushaltsregeln zu halten. Als zweitgrößtes Landes Euroraums habe Frankreich Vorbildwirkung, sagte er. Sollte der Haushalt nicht den Regeln entsprechen, müsse die EU-Kommission ernsthaft erwägen, ihn zurückzuweisen.
Kontakt zu den Autoren: konjunktur.de@dowjones.com
DJG/hab/apo
(END) Dow Jones Newswires
October 07, 2014 11:36 ET (15:36 GMT)
Copyright (c) 2014 Dow Jones & Company, Inc.- - 11 36 AM EDT 10-07-14
Wenn Sie mehr über das Thema Aktien erfahren wollen, finden Sie in unserem Ratgeber viele interessante Artikel dazu!
Jetzt informieren!