26.06.2014 08:25:32
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Waffenruhe in der Ukraine wirkt brüchig
Von Lukas I. Alpert
MOSKAU-Die Waffenruhe zwischen der ukrainischen Regierung und prorussischen Separatisten wirkt immer brüchiger. Am Mittwoch beschuldigten sich beide Seiten gegenseitig, sich nicht an die Vereinbarung gehalten zu haben. Die ukrainische Regierung warf Russland zudem vor, die Rebellen nicht zu zügeln.
Rebellenführer hatten sich am Montag auf den Waffenstillstand eingelassen - ein Signal für mögliche Friedensverhandlungen. Doch anhaltende Kämpfe ließen den anfänglichen Optimismus rasch versiegen. Bei den jüngsten Gefechten in der Ostukraine kamen nach Angaben der ukrainischen Regierung elf Soldaten ums Leben. Neun von ihnen starben allein am Dienstag, als Rebellenkämpfer einen staatlichen Militärhubschrauber abschossen.
Ukraine bezeichnet die Rebellen als Terroristen
"Wir sehen erneut, dass die prorussischen Terroristen nicht am Frieden interessiert sind. Sie stehen für Krieg und werden sich durch nichts aufhalten lassen, um den Frieden und die Sicherheit der Ukraine zu zerstören", sagte der ukrainische Außenminister.
Separatistenführer reagierten darauf nicht unmittelbar. Sie behaupteten aber am Dienstag, dass das ukrainische Militär Stellungen der Rebellen angegriffen habe. Regierungsbeamte aus Regionen in der Nähe der Kämpfe rechnen nun damit, dass die Lage weiter eskaliert.
Die Ukraine und der Westen beschuldigen Russland, den Separatisten Anweisungen zu geben und ihnen Waffen und frische Kämpfer zu liefern. Moskau bestreitet das. Das ukrainische Außenministerium wirft der russischen Regierung zudem vor, ihren Einfluss nicht zu nutzen, um die Rebellen aufzuhalten.
"Trotz Russlands deklaratorischen Aussagen fühlen sich die Terroristen ermutigt, und sie haben das Gefühl, ungestraft davonzukommen. Moskau hat die terroristischen Attacken bisher nicht verurteilt oder Bedauern über die ungezählten Toten geäußert, die durch das Regierungshandeln entstanden sind", teilte das Außenministerium mit.
Wie erwartet billigte das russische Oberhaus im Parlament am Mittwoch einen Antrag des russischen Präsidenten Wladimir Putin auf Rücknahme seiner Vollmacht, in der Ukraine militärisch einzugreifen.
Laut Viktor Oserow, dem Leiter des Verteidigungs- und Sicherheitsausschusses im russischen Parlamentsoberhaus, beobachtet Russland die Lage jedoch genau und wird - wenn nötig - diese Vollmacht rasch wiederherstellen.
Indem Putin seine Befugnis aufgibt, Truppen in die Ukraine zu schicken, dürfte er die Spitzen der Europäischen Union vorerst besänftigt haben. Sie dürften nun bei ihrem Gipfeltreffen Ende dieser Woche davon absehen, weitere Sanktionen gegen Russland zu verhängen. Die Ukraine dürfte bei diesem Treffen eine Vereinbarung unterschreiben, welche die wirtschaftlichen Beziehungen zur EU festigen wird.
Merkel hält schärfere Sanktionen trotzdem für möglich
Dennoch warnten Vertreter des Westens, darunter auch Bundeskanzlerin Angela Merkel, dass sie sich weiterhin die Möglichkeit harscherer Sanktionen gegen Russland offen hielten, sollte das Land die Krise nicht stärker zu befrieden versuchen.
Der Generalsekretär des Verteidigungsbündnisses Nato, Anders Fogh Rasmussen, sagte am Mittwoch, Russlands Handeln in der Ukraine berge eine "Bedrohung für die internationale Ordnung", was sich nachhaltig auf die Beziehungen zu Russland auswirken könnte. Die Nato wird ihre Kontakte zu Russland wegen der Ukraine-Krise weiter auf ein Minimum beschränken. Gleichzeitig sagte die Nato der Ukraine 12 Millionen Euro zur Stärkung und Modernisierung der staatlichen Armee zu.
Nach einem mehr als einstündigen Telefonat zur Lage regten Bundeskanzlerin Merkel und der französische Präsident François Hollande an, die Waffenruhe mithilfe der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa zu überwachen.
Die Waffenruhe, die am Freitag um 10 Uhr Ortszeit ausläuft, soll den Weg für Friedensverhandlungen ebnen. Sie ist Teil eines Friedensplans des ukrainischen Staatschefs Pedro Poroschenko, der den seit zwei Monaten laufenden Rebellenaufstand im vornehmlich russischsprachigen Osten der Ukraine beizulegen.
Poroschenko sagte am Mittwoch, dass seine Regierung an Verfassungsänderungen arbeite. Zum einen sollen die Regionen des Landes mehr Autonomierechte bekommen. Zum anderen sollen sie einen größeren Anteil der Steuereinnahmen behalten dürfen.
EU-Energiekommissar vermittelt weiter im Gasstreit
Der Streit um Gaslieferungen zwischen Russland und der Ukraine schwelt indes weiter. Vor neun Tagen kappte der staatliche russische Gaskonzern Gazprom die Gaszufuhr in die Ukraine, weil sich Moskau und Kiew nicht auf einen Preis einigen können, zu dem ausstehende Gasschulden bezahlt werden sollen. Gazprom behauptet, Kiew schulde dem Konzern mehr als 4 Milliarden US-Dollar für unbezahlte Gasrechnungen.
EU-Energiekommissar Günther Oettinger kündigte am Mittwoch neue Anstrengungen an, um beide Seiten zur Fortsetzung ihrer Gasverhandlungen zu bewegen. Er äußerte die Hoffnung, dass diese Gespräche bis Mitte Juli stattfinden könnten. Der ukrainische Energieminister Juri Prodan signalisierte bei einem Besuch in Brüssel jedoch, dass Kiew seine Schulden solange nicht bezahlen werde, wie kein neuer Preis feststehe.
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June 26, 2014 01:54 ET (05:54 GMT)
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