09.11.2017 13:48:00

WIIW für Osteuropa optimistisch, Wachstumsprognosen erhöht

Das Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW) ist für Mittel- und Osteuropa optimistisch und hat die Wachstumsprognose für die meisten Länder erhöht. Vor allem die osteuropäischen EU-Mitglieder entwickeln sich gut, während am Westbalkan und Russland die Erholung schwächer ausfällt. Wichtigster Wachstumstreiber ist der private Konsum. Die Arbeitslosigkeit sinkt weiter.

Das Wirtschaftswachstum in Osteuropa stehe auf mehreren Beinen, man sei daher relativ zuversichtlich, dass es auch in den kommenden Jahren relativ robust bleibe, sagte WIIW-Experte Peter Havlik am Donnerstag bei der Präsentation der neuen Prognose. Getragen ist das Wachstum nach Einschätzung der Wirtschaftsforscher vor allem vom privaten Konsum, der durch steigende Einkommen und Beschäftigung unterstützt wird. Als Wachstumsmotor erweisen sich auch die Investitionen und in den vergangenen Monaten zunehmend auch die Exporte.

Die osteuropäischen Länder holten gegenüber Westeuropa wieder auf, der Konvergenzprozess sei etwas stärker als noch vor einigen Monaten erwartet, so Havlik. Die Wirtschaftsforscher seien zuversichtlich, dass der Aufholprozess mittelfristig anhalte. Keine erneute Konvergenz werde für Russland erwartet, das Wachstum liege in etwa so hoch wie in der EU. Das Aufschließen zum Wohlstand der EU-28 gemessen am BIP pro Kopf zu Kaufkraft-Paritäten wird aber auch während des nächsten Jahrzehnts keinem Land der Region gelingen, so die Forscher.

Für heuer erwartet das WIIW für die 22 untersuchten Länder in Mittel- und Osteuropa (CEE) nun ein Wirtschaftswachstum von durchschnittlich 3,3 Prozent, nach 2,4 Prozent in der letzten Prognose. Für 2018 und 2019 wird mit einem Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um je 3 Prozent gerechnet. Die Wachstumsprognosen wurden für alle EU-Länder in der Region und auch die Türkei nach oben revidiert. Schwächer eingeschätzt wird die wirtschaftliche Entwicklung nun in einigen Ländern am Westbalkan, etwa in Mazedonien und in Montenegro, sowie in der Ukraine. Für Russland blieb die Prognose unverändert.

In der Region gibt es drei Geschwindigkeiten. Die EU-Mitglieder unter den CEE-Ländern werden sich laut WIIW-Prognose im Zeitraum 2017 bis 2019 mit einem jährlichen Durchschnittwachstum von knapp 4 Prozent besser entwickeln als etwa die Eurozone und andere Regionen in Osteuropa. Für den Westbalkan wird ein durchschnittliches Wachstum von rund 3 Prozent jährlich erwartet. Für die GUS und die Ukraine prognostiziert das WIIW mittelfristig ein BIP-Plus von rund 2 Prozent.

Das stärkste Wachstum innerhalb der EU-Mitglieder in Osteuropa wird heuer in Rumänien mit 5,7 Prozent (nach 4,8 Prozent 2016) prognostiziert, das geringste in Kroatien mit 3 Prozent. Stärker als im Vorjahr dürfte das BIP auch in der Türkei (5,4 Prozent nach 3,2 Prozent im Jahr 2016 ) steigen, wo sich fiskalische Effekte sowie die Erholung im Tourismus und bei den Exporten auswirkten. Das WIIW erwartet aber, dass sich die Erholung in der Türkei nicht in diesem Ausmaß fortsetzen wird. Die russische Wirtschaft sollte heuer um 1,7 Prozent wachsen, nach einem leichten Rückgang von 0,2 Prozent im Jahr 2016.

Der Arbeitsmarkt erholt sich weiter, die Arbeitslosenzahlen gehen in fast allen Ländern zurück. Die Arbeitslosenrate für die osteuropäischen EU-Mitglieder sollte heuer im Durchschnitt auf 5,6 Prozent sinken (nach 6,5 Prozent) und in den kommenden zwei Jahren weiter leicht zurückgehen. Die Arbeitslosenraten seien in der Region aber noch immer sehr unterschiedlich, so Havlik. Der Arbeitskräftemangel, vor allem bei höheren Qualifikationen, könne mittel- und langfristig zu Wachstumshindernissen führen und werde zunehmend zu einem Problem, das durch die demografische Entwicklung verschärft werde.

Die Lohnunterschiede zu Westeuropa sind trotz steigender Löhne laut WIIW aber noch immer so hoch, dass die Wettbewerbsfähigkeit weiter gegeben ist. In einigen Ländern hat sich die Wettbewerbsfähigkeit gemessen an den Lohnstückkosten sogar verbessert. Es gebe immer noch eine Abwanderung, wenngleich nicht in einem so starken Ausmaß wie noch vor einigen Jahren, hieß es heute. Mögliche Rückkehrer würden das Problem des Arbeitskräftemangels nicht lösen können. Havlik verwies aber auf Migrationsbewegungen wie beispielsweise aus der Ukraine nach Polen. Der Brexit wird nach Einschätzung der Wirtschaftsforscher kaum Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt und die Konjunktur in der Region haben.

Ein Beitritt zur Eurozone würde ökonomisch betrachtet für kein osteuropäisches Land Nachteile bringen. Eine Euro-Einführung sei im Interesse Kroatiens und Bulgariens sowie potenziell von Vorteil für Ungarn und Polen, hieß es heute. Etwas unsicherer sei dies für Tschechien und Rumänien. "Das ist eine rein wirtschaftliche Einschätzung", betonte Havlik. Die politische Bereitschaft ist einigen Ländern aktuell aber noch sehr gering, so die Experten. Die (formalen) Maastricht-Kriterien würden von fast allen Ländern erfüllt. Kroatien will der Eurozone beitreten, muss aber bei den Fiskalkriterien aufholen.

Untersucht hat das WIIW anlässlich der aktuellen Prognose auch die Verschuldung. Viele Länder seien heute nicht in einer wesentlich besseren Lage als vor zehn Jahren, um mit einem scharfen Anstieg der Zinsen auf Staatsschulden umzugehen. In einigen Fällen habe sich die Position sogar verschlechtert. Gegenüber Ländern mit hoher Schuldenlast und schlechten Aussichten auf hohes und nachhaltiges Wachstum können die Anleihenmärkte in Panik geraten und so zu Finanzierungsschwierigkeiten führen. In diesem Fall sei das Länderrisiko in der Ukraine besonders hoch, in einer schwachen Position seien auch Weißrussland und viele der Westbalkanländer.

(GRAFIK 1137-17, Format 88 x 154 mm) (Schluss) itz/ivn

ISIN WEB http://www.wiiw.ac.at/

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