22.06.2015 09:45:47

Vorsichtiger Optimismus am Tag der Wahrheit für Griechenland

   Von Andreas Kißler

   BERLIN (Dow Jones)-- Vor den möglicherweise entscheidenden Sitzungen zur Zukunft Griechenlands macht sich ein verhaltener Optimismus breit, dass es doch noch zu einer Lösung in dem seit Monaten anhaltenden Schuldenstreit mit Athen kommen kann.

   Nachdem die EU-Kommission überraschend positiv auf die am Sonntag übermittelten neuen Reformvorschläge des griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras reagierte, zeigte sich am Montagmorgen auch der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn zuversichtlich. Bei dem Euro-Sondergipfel am Abend werde es einen "Ruck nach vorne" geben, sagte er im Deutschlandfunk. Der Streit mit Athen sei zu lösen, betonte Asselborn, forderte aber auch, die griechische Regierung müsse ihr Wort halten und "konkrete, belastbare Reformvorschläge" präsentieren.

   Linken-Fraktionsvize Dietmar Bartsch sah im ZDF-Morgenmagazin eine entscheidende Gelegenheit für eine Einigung, die aber dann im Sinne eines sozialen Europas ausfallen müsse. "Ich sehe, dass das Fenster auf ist", sagte er. "Ich würde mir wünschen, dass der europäische Gedanke leben bleibt, und dass es eine Lösung gibt." Allerdings werde es auch im Fall einer Einigung "ein langer, schmerzhafter Prozess" werden. "Wir werden in einer Woche, selbst wenn es eine Lösung geben sollte, wieder über Griechenland reden", erwartete Bartsch.

   Die Verhandlungen mit Griechenland treten am Montag in ihre entscheidende Phase. Den ganzen Tag sind Treffen geplant. Bereits am Morgen spricht Tsipras mit den Geldgebern, bevor am Mittag die Euro-Finanzminister zu einer Sondersitzung zusammenkommen. Am Abend treffen sich dann die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union zu ihrem möglicherweise entscheidenden Sondergipfel. Die Regierung in Athen hatte am Sonntag neue Vorschläge gemacht, die von dem Sprecher von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker als eine gute Basis für die Gespräche eingestuft wurden.

   Der jüngste Vorschlag Athens sieht Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen vor, um die von den Gläubigern geforderten Budgetziele zu erfüllen. Darin enthalten seien Rentenmaßnahmen, eine Erhöhung der Mehrwertsteuer und eine Kürzung von Militärausgaben, hieß es in Berichten. Sowohl griechische als auch europäische Vertreter hatten die Vorschläge am Wochenende als möglicherweise letzte Chance des Landes bezeichnet, an die noch ausstehenden und dringend erforderlichen Gelder zu kommen und das Reformprogramm am Leben zu erhalten. Ein Bruch Athens mit dem Rest Europas könnte die Zahlungsunfähigkeit Griechenlands und Kapitalverkehrskontrollen zur Folge haben.

   Die Zeit für Griechenland wird immer knapper, da das Land bis Ende Juni insgesamt gut 1,54 Milliarden Euro an den Internationalen Währungsfonds zurückzahlen muss, die das Land aber wohl nicht aufbringen kann. Die Griechen bräuchten daher dringend die verbliebenen 7,2 Milliarden Euro aus dem bereits zwei Mal verlängerten Hilfsprogramm, das Ende Juni ausläuft. Die Kreditgeber stellen aber Forderungen, die Athen für die Auszahlung der letzten Tranche aus dem zweiten Hilfspaket erfüllen muss.

   Ohne eine Einigung würde der Anteil der Eurozone am gesamten Rettungsprogramm für Griechenland über 245 Milliarden Euro auslaufen. Wie Griechenland im Juli und August fällige Anleihen in Händen der Europäischen Zentralbank (EZB) über 6,7 Milliarden Euro zurückzahlen will, wäre dann fraglich.

   Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) bekräftigte am Wochenende bei einer Preisverleihung seine Haltung, die Stabilisierungspolitik der Eurozone habe in den Krisenstaaten in den vergangenen Jahren funktioniert. "In Griechenland auch - solange dort Reformen umgesetzt worden sind", hatte Schäuble betont. Seine Haltung zu den neuen Vorschlägen könnte am Montag mitentscheidend dafür sein, wie die Verhandlungspartner die Vorschläge Athens letztlich bewerten.

   (Mitarbeit: Marcus Walker)

   Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com

   DJG/ank/bam

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   June 22, 2015 03:37 ET (07:37 GMT)

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