05.11.2014 14:22:30
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Volkswirte glauben an Ausweitung der EZB-Wertpapierkäufe
Von Hans Bentzien
FRANKFURT--Die Europäische Zentralbank (EZB) wird nach Meinung von Ökonomen ihre Wertpapierankäufe ausweiten. Im Vorfeld der am Donnerstag anstehenden EZB-Ratssitzung erklärten die Volkswirte öffentlicher Banken, breitere Ankäufe würden immer realistischer. Auch Staatsanleihekäufe schließen sie nicht mehr aus. Sorge bereitet den Experten allerdings die bröckelnde Glaubwürdigkeit der offenbar tief zerstrittenen Zentralbank.
"Der Streit, der jetzt in der EZB ausbricht, bringt den größten Glaubwürdigkeitsschaden für die Eurozone", sagte Deka-Bank-Chefvolkswirt Ulrich Kater. Die Nachrichtenagentur Reuters hatte am Vortag berichtet, dass mehrere Präsidenten nationaler Notenbanken EZB-Präsident Mario Draghi wegen dessen Alleingängen zur Rede stellen wollten. Kritisiert werde vor allem Draghis Versuch, der Zentralbank ein quantitatives Ziel vorzugeben, eine Bilanzsumme von der Größe von Anfang 2012.
Dazu müsste sie über Wertpapierankäufe und langfristige Refinanzierungsgeschäfte ungefähr 1 Billion Euro ins Finanzsystem pressen. Ob sie das schafft, ist aus Katers Sicht gar nicht so entscheidend. Schlimm sei allerdings, das in diesem Moment deutlich werde, dass die Zentralbank gar nicht mehr den notwendigen Spielraum habe. "Die Handlungsfähigkeit der EZB hat Grenzen, das erleben wir gerade", sagte der Deka-Chefvolkswirt.
Ökonomen sind sich inzwischen ziemlich sicher, dass die EZB ihre Bilanz mit dem beschlossenen Ankauf von Covered Bonds und Kreditverbriefungen nicht in dem - zumindest von Draghi gewünschten - Maß ausdehnen kann. Helaba-Experte Ulf Krauss nimmt deshalb an, dass die EZB deshalb im kommenden Jahr auch Unternehmensanleihen kaufen wird. "Der Vorteil wäre eine höhere politische Akzeptanz als beim Ankauf von Staatsanleihen", argumentierte er. Aber auch Staatsanleihekäufe hat Krauss in den seinem Kalender für Ende 2015 zumindest mit Fragezeichen eingetragen.
Uwe Burkert, Chefvolkswirt der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), hält auch die von der EZB angekündigten Refinanzierungsgeschäfte mit Zweckbindung und bis zu vierjähriger Laufzeit für eine Gefährdung der Glaubwürdigkeit. "Die Banken brauchen gar keine zusätzliche Liquidität, warum sollten sie sich welche besorgen? Aber daran, dass sie das tun, hängt die Glaubwürdigkeit der EZB", gibt er zu bedenken.
Auch Burkert hält Staatsanleiheankäufe nicht für ausgeschlossen - und rechnet mit einer interessanten Reaktion: "Wenn die EZB Bundesanleihen kauft, dann verkaufen die anderen Zentralbanken, weil sie wegen der Euro-Schwäche ihre Reserven in Dollar umschichten."
Typisch amerikanisch-unverkrampft sieht Mark Zandi, der Chefvolkswirt von Moody's Analytics dieses Thema. Zandi, der für einen Tag nach Frankfurt gekommen war, sagte bei einer anderen Veranstaltung: "Quantitative Easing könnte notwendig werden, um den Euro so weit abzuwerten, dass er das Wachstum fördert." Das gelte auch für Deutschland, dessen Exportwachstum bröckele.
Allerdings rechnet der Ökonom aus verschiedenen Gründen für die nächsten zwölf bis 18 Monate nicht mit dem Ankauf von Staatsanleihen: Weil die politischen Kosten hoch seien und weil QE in Europa nicht so effektiv wäre wie in den USA oder Großbritannien.
Zwei Argumente sprechen aus seiner Sicht dann aber doch für ein QE a la EZB: "Es ist wirksam bei der Verankerung von Inflationserwartungen, wenn die EZB, wovon ich ausgehen, sehr aggressiv zu Werke geht. Und es würde den Euro schwächen, was meiner Meinung nach sehr, sehr wichtig ist." Für die nächsten drei bis fünf Jahre sieht der Chefvolkswirt von Moody's Analytics eine "überwiegende Wahrscheinlichkeit", dass es in der Eurozone zu QE kommt.
Kontakt zum Autor: hans.bentzien@wsj.com
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November 05, 2014 08:16 ET (13:16 GMT)
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