07.02.2014 16:40:33
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VW macht gemeinsame Sache mit US-Gewerkschaft UAW
Von Neal E. Boudette
Der Autobauer Volkswagen unterstützt offenbar die Gewerkschaft UAW dabei, Einfluss in dem VW-Werk in Chattanooga, Tennessee zu bekommen. Das könnte den Fahrzeughersteller in eine unkomfortable Lage bringen, denn in der Politik, bei anderen Unternehmen und einigen Mitarbeitern wird der Einfluss der UAW kritisch gesehen.
Bei dem Volkswagen-Werk tobt derzeit ein Kampf um die Gründung eines Betriebsrats. Offiziell haben die Deutschen Neutralität versprochen, sie wollen weder die Gewerkschaft unterstützen noch deren Gegner. Doch in einem für US-Verhältnisse ungewöhnlichen Schritt hatte VW eine Kooperation mit der UAW angekündigt und der mächtigen Autogewerkschaft dabei auch erlaubt, in den Werkshallen Wahlkampf für die kommende Abstimmung zu machen, die vom 12. bis zum 14. Februar stattfindet.
Sollte die Abstimmung erfolgreich sein, würde in dem US-Werk ein Betriebsrat nach deutschem Vorbild eingerichtet werden. Eine Gruppe von anti-gewerkschaftlich eingestellten VW-Arbeitern hatte ebenfalls um Erlaubnis gebeten, gegen die UAW Wahlkampf zu führen. Das hatte VW aber abgelehnt.
Ein Indiz für die Parteinahme durch Volkswagen ist ein Vertrag des Autobauers mit der Gewerkschaft. Demnach wollen die beiden Seiten ihre öffentlichen Mitteilungen koordinieren und die Kommunikation mit den Mitarbeitern des Werks aufeinander abstimmen. Der Vertrag vom 27. Januar wurde nun den VW-Arbeitern zugänglich gemacht. Daraus geht hervor, dass Formulierungen miteinander koordiniert werden sollen, wenn es um Abstimmung über die Betriebsratsgründung geht. Beide Seiten wollen sich auch gegenseitig beraten, wenn es um die Kommunikation mit den Mitarbeitern geht.
Gegner der Gewerkschaft kritisieren das Vorgehen des Autobauers. Sie fühlen sich gegenüber den UAW-Befürwortern im Nachteil. Volkswagen "predigt Neutralität, aber niemand sonst im Werk bekommt eine Stimme", sagte der 29 Jahre alte Bandarbeiter Shawn Foote in einem Telefoninterview. Der 56jährige Teamleiter Mike Jarvis beklagte sich, er habe das Gefühl, dass ihm die Gewerkschaft "aufgepfropft" werde. "Das ist nicht fair. Sie sollten uns dieselbe Möglichkeit geben, mit den Teammitgliedern zu sprechen." Ein Volkswagen-Sprecher wollte zur Rolle des Unternehmens in dem Streit keine Stellung nehmen.
Volkswagen hatte am Montag angekündigt, während der Wahl "neutral" zu bleiben. Jedem Arbeiter sei freigestellt, sich für oder gegen die UAW zu entscheiden. In dem 22-seitigen Vertrag mit der UAW wird die neutrale Haltung Volkswagens nicht erwähnt.
Die Abstimmung lässt das Blut in den Adern sowohl der Befürworter als auch der Gegner schwellen. Unterstützer der UAW hoffen darauf, mit dem Betriebsrat einen Fuß in die Tür zum Südosten der USA zu erhalten. Dort wurden in den vergangenen zwanzig Jahren rund 20 Auto-Werke gebaut, ohne dass die Gewerkschaft hier nennenswert Einfluss nehmen konnte. Konservative Politiker fürchten aber eben diesen Einfluss, der ihrer Meinung nach die Attraktivität des Standorts schwächt.
So warnte der republikanische Gouverneur des US-Bundessstaats Tennessee, Bill Haslam, Zulieferer hätten in Gesprächen mit ihm immer deutlich gemacht, dass sie es sich zweimal überlegen werden, ob sie ihre Fabriken in die Nähe des VW-Werks bauen werden, sollte die UAW im nahegelegenen VW-Werk den Ton angeben. Aktivisten buchten in Chattanooga Plakatwände oder Radiospots, um Stimmung gegen die Gewerkschaft zu machen.
Der Vertrag von Volkswagen mit der Gewerkschaft bezieht sich nicht nur auf die bevorstehende Wahl, er enthält auch weitergehende Pläne. So ist grob vorgesehen, dass die UAW bei einem Abstimmungserfolg künftig auch Tarifverträge für die Mitarbeiter aushandeln könnte. Der Betriebsrat, der aus Gewerkschaftsmitgliedern und -nichtmitgliedern besteht, soll sich dann auch um Themen kümmern, die üblicherweise in den USA von der Gewerkschaft übernommen werden und die tägliche Arbeit in der Fabrik betreffen. Später sollen die Planungen der Schichtarbeit, die Anordnung von Überstunden und Sicherheitsfragen hinzukommen.
Die Zuständigkeit der Gewerkschaft für Tarifverhandlungen ist nicht ausdrücklich im Vertrag festgelegt. Die UAW übernimmt das in anderen Werken, wo sich die Arbeiter in der Gewerkschaft organisiert haben.
Der Vertrag sieht auch vor, was bei einer Abstimmungsniederlage der UAW geschieht: Die Gewerkschaft würde dann alle Bemühungen um mehr Einfluss in Chattanooga für mindestens ein Jahr einstellen. Sie darf ihren Einfluss aber geltend machen, wenn eine andere, konkurrierende Gewerkschaft auf den Plan treten sollte.
Volkswagen arbeitet in Tennessee mit der UAW zusammen, weil der Konzern - wie in vielen Teilen der Welt auch - einen Betriebsrat installiert haben möchte. Ein solcher Betriebsrat ist nach US-Arbeitsrecht aber fast nur unter Einbeziehung einer Gewerkschaft möglich. Die meisten Unternehmen der US-Autobranche wollen die UAW im Gegensatz zu VW lieber draußen halten.
Der Konflikt um den Einfluss der UAW ist in den USA hochpolitisch und hat tiefe Wurzeln. So wurde die Pleite der beiden Autobauer GM und Chrysler auch darauf zurückgeführt, dass die UAW zu teure und unflexible Tarifverträge für ihre Mitglieder herausgeschlagen habe, an denen die Autobauer in der Wirtschaftskrise dann erstickten.
Volkswagen hat das 1 Milliarde US-Dollar teure Werk in Chattanooga 2011 eröffnet. Der Standort wurde wohl auch wegen der rechtlichen Situation gewählt, denn Tennessee ist ein sogenannter "Right-to-work"-Staat. Das bedeutet, dass Arbeitnehmer nicht gezwungen sind, sich als Bedingung für eine Beschäftigung einer Gewerkschaft anzuschließen.
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February 07, 2014 10:20 ET (15:20 GMT)
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