21.09.2015 12:21:00
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Ukraine will Investoren für Wachstum und sagt Korruption Kampf an
"Wir brauchen Wirtschaftswachstum", betont Notenbank-Präsidentin Valerie Gontareva. Nötig sei eine Stabilisierung des Landes mit 43 Millionen Menschen sowie Vertrauen in den Markt. Gontareva hofft, dass der Konflikt im Osten des Landes friedlich beendet werden kann. Fürs Militär seien plötzlich ungeplante Budgetausgaben nötig geworden, zudem sei die Donbas-Region (Donezk, Luhansk) mit ihren Industrien verloren gegangen, das drücke das Bruttoinlandsprodukt. Ein Dorn im Auge ist den Währungshütern, trotz derzeit erstaunlich stabiler Griwna, die extrem hohe Inflation von um die 50 Prozent. Man wolle Preisstabilität und strebe eine Teuerung von lediglich 5 Prozent an, so die Notenbankchefin im Gespräch.
"Das Schlimmste an der ökonomischen Situation haben wir schon hinter uns", gibt sich Wirtschafts- und Handelsminister Aivaras Abromavicius zuversichtlich - "und wir haben nun die reformfreudigsten Minister in der Regierung". Der Wechselkurs sei nun schon sechs Monate lang stabil - aktuell kostet ein Euro etwa 25 Griwna. Längerfristig habe er die Vision einer großen Börse in Kiew, es gebe auch ein Expertenteam dafür, das habe aber nicht oberste Priorität. Bei der geplanten Steuerreform solle der Abgabensatz von derzeit 41 Prozent "zumindest auf 20 Prozent herunter" gesenkt werden, so der gebürtige Litauer. Damit werde man dann einen der niedrigsten Steuersätze in der EU haben, dort sind es im Schnitt 36 Prozent, in den USA 15 Prozent. Die Tax Reform müsse radikal sein, denn derzeit mache die Schattenwirtschaft 50 Prozent aus.
Eine schwere Bürde fürs Geschäftsleben sei die Korruption, "wir wollen Milliarden von Griwna aus korrupten Händen in die Wirtschaft zurückbringen", so der Wirtschaftsminister. Öl-Auktionen, bei denen regelmäßig 15 Prozent der Umsätze illegal kassiert werden oder Recycling-Unternehmen, die zwar die Gebühren einstreifen, aber an Wiederverwertung gar nicht denken sind nur zwei von unzähligen Beispielen. "Früher musste man auch für ein Ministertreffen drei-, vier- oder fünftausend Euro zahlen" - da freut sich die Delegation aus Österreich, denn, wie Abromavicius hinzufügt, es sei "schwierig zu sagen, ob es heute mehr oder schon weniger Korruption gibt als früher". Zweifellos werde das Land den nötigen Fortschritt aber nicht erreichen, wenn dieses Geschwür nicht bekämpft werde. Auch bei den geplanten Privatisierungen wolle man Verkäufe an Oligarchen, "wenn möglich vermeiden".
Vize-Finanzminister Ihor Umanskiy, wie so viele der neuen Politiker Uni-Wirtschaftsabsolvent mit vielen Jahren Praxis auch bei Privatunternehmen, nennt als Erfolg und "schöne Tendenz", dass das Staatsbudget heuer bis August schon einen Überschuss aufgewiesen hat. Im Gesamtjahr werde es aber erneut ein Defizit geben, da der Großteil der Ausgaben im 4. Quartal anfalle. Für eine Einigung auf die Steuerreform habe er noch keine Anzeichen, "deshalb haben wir ein sehr hartes Budget für 2016 vorbereitet". Makroökonomisch sei es gelungen, den extremen Abschwung zu stoppen. Doch betreffe der Verlust des russischen Marktes circa ein Fünftel der Exporte der Ukraine, und mit den Zerstörungen im Osten des Landes sei ein mächtiges Industriegebiet in Mitleidenschaft gezogen worden. In den Aufbau der Armee sollen heuer 100 Mrd. Griwna, etwa 4 Mrd. Euro, gesteckt werden. Im Vergleich zu Sozialem und Schuldenrückzahlungen sei das der drittgrößte Ausgabenposten - und die Währungsreserven des Landes machen auch nur 12,5 Mrd. Dollar (10,95 Mrd. Euro) aus.
Das in Grundzügen fixierte Umschuldungsabkommen mit den internationalen Gläubigern bezeichnet Umanski als wichtig, da sonst das Default-Risiko der Ukraine fast 100 Prozent betragen hätte. Jedoch steht zu den exakten Konditionen noch das letzte politische "grüne Licht" im Land aus, und es wurde den Gläubigern noch kein formelles Angebot unterbreitet. Einer sträubt sich besonders: Russland, das Ende 2013 der Ukraine 3 Mrd. Dollar für zwei Jahre geborgt hat; dass Moskau die Bedingungen offenbar nicht akzeptieren wolle, wisse man nur aus den Medien, "denn das dürfen wir gar nicht wissen", so Umanski. Er will, auch juristisch, verhindern, dass das Thema vor den Pariser Club gebracht werden kann, wie es Russland offenbar will. "Es müssen die Bedingungen für alle 100 Gläubiger gleich sein", betont der Minister. Die vorläufige Vereinbarung von Ende August sah den Erlass von 20 Prozent der Ukraine-Verbindlichkeiten - rund 3,6 bis 3,8 Mrd. US-Dollar - vor; Kiew hatte ursprünglich 40 Prozent "Cut" für die Fremdwährungsschulden angepeilt. Die Restschuld von 15 Mrd. Dollar soll in einem Zeitraum von 2019 bis 2027 zurückgezahlt werden.
Zudem wolle man so rasch wie möglich das EU-Assoziierungsabkommen implementieren, so Umanski - die Aussetzung desselben im Herbst 2013 durch die Janukowitsch-Regierung hatte die Maidan-Proteste ausgelöst, seit November 2014 ist es vorläufig in Kraft gesetzt. "Zu dem Abkommen haben wir eine umfangreiche Roadmap, auch mit dem Ziel die Bedingungen für Investoren zu verbessern", so Umanski.
Der Kiewer Vize-Bürgermeister Aleksey Reznikov, Stellvertreter von Vitali Klitschko, entschuldigt den ehemaligen Profiboxer wegen dessen dichtem Terminkalender, hat aber dann selbst umso mehr Zeit für die Gesprächspartner aus Österreich im Rahmen einer UNIQA-Pressereise. "Die Reformen weiter fortzusetzen", ist das oberste Credo Reznikovs - "und um Investoren anzulocken muss man das Böse, nämlich die Korruption, besiegen"; dieses Wort nimmt der Rechtsanwalt etliche Dutzend Mal in den Mund.
Kommenden Freitag wird in der 2,9-Mio.-Einwohner-Metropole eine internationale Anti-Korruptions-Konferenz stattfinden, bei der über die bisherigen Erfolge berichtet werden soll. Mittlerweile werde bis zu jedem einzelnen Vertrag herunter jede einzelne öffentliche Beschaffung im Internet online gestellt, die Kommune habe bereits erheblich eingespart. Auch sämtliche städtischen Immobilien sollen in einer online zugänglichen Datenbank erfasst werden, um die Vermietung der Flächen transparenter zu machen, berichtete der Vize-Bürgermeister. Auch werde eine neue, unbestechliche Polizei in Kiew aufgebaut: "Da bewerben sich die Leute, die es nicht wollen, etwas zu 'bekommen'", so Reznikov. Bei ihm muss man ein finanzielles Ködern gar nicht versuchen. "Mein Gehalt als zweithöchster Beamter der Stadt sind 5.000 Griwna, also 200 Euro. Aber in der Steuererklärung vom letzten Jahr standen bei mir als Rechtsanwalt 23 Mio. Griwna, eine Million Dollar."
(Schluss) sp/itz
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