09.11.2016 10:58:00

Brezinschek: Trump-Konjunktureffekt nicht unbedingt negativ

Relativ gelassen sieht Raiffeisen-Chefanalyst Peter Brezinschek in wirtschaftlicher Hinsicht die Wahl von Donald Trump zum neuen US-Präsidenten. Die Effekte etwa auf das Wachstum Europas und der USA selbst müssten nicht unbedingt negativ sein. Die erste Trump-Rede nach der Wahl sei nicht polarisierend, sondern recht versöhnlich ausgefallen, konstatierte Brezinschek am Mittwoch im APA-Gespräch.

"Ich sehe noch nicht, dass Europa schlechtere Wachstumsaussichten unter Trump hat, sofern an den Rahmenbedingungen nicht gerüttelt wird", meinte der Experte. Und das zeichne sich vorderhand nicht ab. Brezinschek glaubt, dass Trump womöglich weder das Freihandelsabkommen TTIP ad acta legt noch sich vom NAFTA-Vertrag mit Mexiko und Kanada verabschiedet, denn er könne nicht ganz einfach die wettbewerblich günstig gelegenen Produktionsstätten, die US-Firmen in den beiden Nachbarländern haben, einfach wieder ins Land zurückholen.

Die Raiffeisen-Prognose von 2 bis 2,4 Prozent jährlichem Wirtschaftswachstum in den USA in den nächsten zwei Jahren "werden wir nicht ändern", sagt Brezinschek. Er sieht diese Prognose unter Trump sogar besser abgesichert als sie es unter einer Präsidentin Hillary Clinton gewesen wäre. Trump werde nämlich relativ rasch seine angekündigte Lohn- und Einkommensteuersenkung umsetzen - wenn auch auf Kosten weiterer Anstiege bei Defizit und Staatsschulden. Die Steuerreform werde aber dem US-Konsum eine weitere Stütze verleihen - auch wenn das Volumen der Senkung statt einer Billion Dollar vielleicht nur die Hälfte ausmachen werde. "Ein so massives Programm hätte eine Präsidentin Clinton nicht gefahren."

Für den US-Dollar rechnet Brezinschek auf 6- bis 12-Monats-Sicht mit einer tendenziellen Stärkung - wegen einer zugunsten der USA höheren Zinsdifferenz im Vergleich zu Europa. A la longue werde es unter Trump eine höhere Inflation und höhere Zinsen geben, als es bis 2018/19 in einem Clinton-Szenario der Fall gewesen wäre. "Eventuell gibt es bis dahin drei Zinserhöhungen durch die Fed", meinte der Experte, angesprochen auf seine Aussage von Mitte September, bis Ende 2018 werde man noch "ein bis eineinhalb US-Zinserhöhungen" sehen. "Es kann aber auch sein, dass die jetzige, für Dezember erwartete Zinsanhebung in Frage gestellt wird, aber dann hinten mehr kommt." Gestern wäre er noch mit 80 Prozent Wahrscheinlichkeit für Dezember von einem Viertel Prozent Zinserhöhung durch die Fed ausgegangen, jetzt nach der Wahl von Trump nur noch zu 60 Prozent.

Die EZB werde sehr stark auf den Wechselkurs schauen und zwar heuer im Dezember wie bisher angenommen das Quantitative Easing verlängern, dann aber doch 2017 bei der Umsetzung situationsbedingt entscheiden.

Brezinschek glaubt nicht, dass die heutigen Finanzmarkt-Turbulenzen länger andauern. Der kurzfristige Rücksetzer an den Börsen sei wegen der für 2017 besseren Voraussetzungen für höhere Unternehmensgewinne eher ein Einstiegsniveau. Wie nach dem Brexit-Votum werde es rasch wieder eine Normalisierung geben.

Die erste Rede von Trump, nachdem klar war, dass er der neue US-Präsident sein wird, sei "sehr staatsmännisch" gewesen und "nicht polarisierend", sondern von einem "Aufeinanderzugehen" geprägt gewesen. Er habe von "Aufbauen" gesprochen, von "Potenzial ausschöpfen", von "Kreativität der Menschen nutzen", von "Infrastruktur aufbauen" und von "fair mit allen Staaten umgehen". "Trump ist offensichtlich sehr flexibel, vor acht Jahren hat er ja noch Hillary Clinton unterstützt."

Erste Nagelprobe werde nun sein, wie Trump mit Mexiko und Kanada umgehe, "aber vielleicht wird nicht so heiß gegessen wie gekocht. Das wäre ein gutes Zeichen." Schon ein "Paradoxon" wäre es für Brezinschek, wenn Trumps Berater ihm ein Weiterverfolgen von TTIP vorschlagen - "auch hier schließe ich eine 180-Grad-Wendung nicht aus" - und dann womöglich Europa abspringt, wo TTIP ja mehr in der Kritik stehe als in den USA.

(Schluss) sp/gru

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