Nach "heilsamem Schock" 22.06.2016 15:35:46

VW-Chefs versprechen Anlegern Veränderung

Der Aufsichtsratschef des Autokonzerns, Hans Dieter Pötsch, warb zu Beginn der Hauptversammlung am Mittwoch in Hannover trotz des Skandals um manipulierte Abgaswerte für die Entlastung der im Jahr 2015 amtierenden Vorstandsmitglieder. Nach Ansicht des Aufsichtsrats gebe es nach wie vor keinen Grund, die Entlastung zu verweigern, sagte Pötsch, der als früheres Vorstandsmitglied auch selbst von der entsprechenden Abstimmung betroffen ist. Volkswagen-Vorstandschef Matthias Müller bat die Aktionäre um Geduld. Ein "Schock wie die Dieselthematik" könne "auch heilsam sein", sagte er.

   Die Aktionäre reagierten in den ersten Reden der Hauptversammlung gleichwohl mit Empörung auf den Skandal. Volkswagens Anteilseigner stünden "vor einem Trümmerhaufen", sagte der Präsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), Ulrich Hocker. Die Dieselmotoren des Herstellers hätten sich als "Mogelpackung" erwiesen. Bei Volkswagen habe "kollektives Versagen" geherrscht. Dass die Chefs des Unternehmens gleichwohl nicht komplett auf ihre Boni verzichteten, sei ein Grund dafür, "dass deutsche Manager einen so schlechten Ruf haben".

Anträge bleiben ohne Chance

Hans-Christoph Hirt vom Investmentdienstleister Hermes EOS nannte das vergangene Geschäftsjahr einen "historischen Tiefpunkt" Volkswagens. Es stehe derzeit die Zukunft des Unternehmens in Frage, sagte er und kritisierte unter anderem die Besetzung des Aufsichtsrats durch seiner Ansicht nach zu wenige unabhängige Experten. Vor allem die Rolle des Aufsichtsratsvorsitzenden Pötsch sieht Hirt nach eigenen Worten "äußerst kritisch". Er stehe in einem "massiven Interessenkonflikt". Pötsch war unmittelbar vor seinem Wechsel in den Aufsichtsrat Finanzvorstand bei Volkswagen.

   Mehrere Aktionäre forderten unter anderem vor dem Hintergrund am Mittwoch die Abwahl Pötschs als Leiter der Hauptversammlung. Ihre Anträge blieben aber ohne Chance. Den meisten Investoren fehlt bei Volkswagen ohnehin die Möglichkeit, eigene Vorschläge durchzusetzen, weil die Familien Porsche und Piëch zusammen rund 51 Prozent der Stammaktien halten. Vor dem Hintergrund gilt auch die Entlastung der Konzernverantwortlichen als sicher, wenngleich sich etwa Hirt vom Dienstleister Hermes gegen den vor allem symbolischen Schritt aussprach. Hirt und DSW-Präsident Hocker forderten zudem eine Sonderprüfung, für die es keine Mehrheit auf der Hauptversammlung braucht.

   Erst am Montag war bekannt geworden, dass die Staatsanwaltschaft Braunschweig im Zusammenhang mit dem Abgasskandal gegen den früheren Konzernchef Martin Winterkorn und den VW-Markenchef Herbert Diess ermittelt. Die Behörde geht nach eigenen Angaben wegen einer Anzeige der Börsenaufsicht Bafin dem Verdacht nach, die Manager könnten im vergangenen Jahr zu spät über die Untersuchungen von US-Umweltbehörden berichtet und damit den Markt manipuliert haben. Der Volkswagen-Aufsichtsrat habe vor dem Hintergrund am Dienstag abermals über den Vorschlag zur Entlastung der Unternehmenschefs beraten, berichtete Chefkontrolleur Pötsch. Das Gremium sei bei seinem früheren Entlastungsvorschlag geblieben.

Entlastung ist kein Verzicht auf mögliche Schadensersatzansprüche

Die Entlastung sei denn auch "gerade jetzt wichtig", sagte Pötsch. Sie sei auch ein "Signal für die Zukunft". Es sei wichtig, bei der Bewältigung der von dem Abgasskandal ausgelösten Unternehmenskrise "zusammenzustehen". Volkswagen sei zudem "bei dem amtierenden Vorstand in guten Händen". Die Entlastung bedeute im Übrigen nicht, dass der Konzern auf mögliche Schadensersatzansprüche gegen frühere Vorstandsmitglieder verzichte. Die entsprechenden Prüfungen dauerten an.

   Volkswagen-Chef Müller kündigte den Aktionären den "größten Veränderungsprozess in der Geschichte von Volkswagen" an. Die dem zu Grunde liegende "Strategie 2025" hatte Volkswagen schon in der vergangenen Woche vorgelegt. Am Mittwoch sagte Müller darüber hinaus, der Konzern werde künftig auch Otto-Motoren mit einem Partikelfilter ausstatten und damit den Partikelausstoß der Aggregate "um bis zu 90 Prozent" verringern.

Weitere Reparaturfreigabe durch das KBA

Müller berichtete den Aktionären außerdem von einer weiteren Reparaturfreigabe durch das deutsche Kraftfahrtbundesamt (KBA) im Zusammenhang mit dem Skandal um manipulierte Abgaswerte. Der rund eine Million Fahrzeuge betreffende Bescheid ist laut Müller am Dienstag eingegangen. Es liege damit nun die Freigabe für den Umbau von rund 3,7 Millionen Dieselfahrzeugen vor, sagte der Konzernchef. Mit den Nachrüstungen will Volkswagen die Autos, die im Straßenbetrieb bislang zu viel Stickoxid ausstoßen, an die gesetzlichen Vorgaben anpassen.

   Müller bekräftigte vor den Aktionären zudem den schon früher formulierten Ausblick auf die Ergebnisse des angefangenen Geschäftsjahres. Der Volkswagen-Chef rechnet demnach unter anderem angesichts des Dieselskandals mit einem Rückgang des Konzernumsatzes um bis zu 5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die operative Rendite des Autokonzerns dürfte nach der nun erneuerten Voraussage in diesem Jahr zwischen 5,0 und 6,0 Prozent liegen. Im vergangenen Jahr hatten die Rückstellungen wegen des Abgasskandals Volkswagen tief in die Verlustzone gebracht.

   Der Kurs der Volkswagen-Aktien blieb trotz der Hauptversammlung am Mittwoch zunächst ohne große Veränderungen. Er lag am frühen Nachmittag ähnlich wie der DAX rund 1 Prozent im Plus. Personaldiskussionen wie die Debatte um die Entlastung des Vorstands spielten für die Börse nur eine untergeordnete Rolle, sagte ein Aktienhändler. Die Marktteilnehmer achteten derzeit vor allem auf die wegen des Abgasskandals zu erwartenden Zahlungen in den USA. Angaben dazu erwarten Beobachter von einem Gerichtstermin am 28. Juni in San Francisco.

HANNOVER (Dow Jones)

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