SPD holt auf 26.05.2014 07:00:30

Dämpfer für die CDU in Deutschland bei der Europawahl

Briten und Niederländer hatten am Donnerstag als erste gewählt, es folgten fünf weitere Länder. Während sich in Deutschland, Frankreich und Portugal eine höhere Wahlbeteiligung abzeichnete als vor fünf Jahren, gingen in den osteuropäischen Ländern nur sehr wenige Bürger an die Urnen. Mit Spannung und Bangen wird auf das Abschneiden der EU-Gegner geblickt.

   In Deutschland kommt die CDU laut Hochrechnungen von Infratest/dimap auf 35,6 Prozent der Stimmen - und verliert damit deutlich gegenüber 2009. Für die SPD stimmten 27,2 Prozent der Wahlberechtigten, für die Grünen 10,9 Prozent. Die Linke kommt demnach auf 7,5 Prozent der Stimmen, die AfD auf 6,8 Prozent, und die FDP auf 3,2 Prozent.

   Die Wahl sei "sehr wichtig", hatte der scheidende EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso appelliert, nachdem er in Lissabon seine Stimme abgegeben hatte. Denn ein Großteil der Gesetze, die das Alltagsleben der Menschen beeinflussten, würden in Brüssel oder Straßburg verabschiedet. Der Portugiese betonte, dass das Ergebnis der Europawahl erstmals auch für die Auswahl des neuen Kommissionschefs berücksichtigt werden muss.

   CDU und SPD bekräftigen Anspruch auf EU-Posten

   Nach der Wahl haben SPD und CDU gleichermaßen den Anspruch ihrer Parteien auf den Posten des EU-Kommissionspräsidenten bekräftigt. "Ich glaube, Martin Schulz hat sehr gute Chancen, EU-Kommissionspräsident zu werden", sagte der SPD-Fraktionschef im Bundestag, Thomas Oppermann, am Sonntagabend mit Blick auf den Spitzenkandidaten der europäischen Sozialdemokraten. Zugleich verwies Oppermann auf die hohen Zugewinne der Sozialdemokraten in Deutschland. "Noch nie hatte die SPD bei einer bundesweiten Wahl so hohen Zuwachs erzielt."

   Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) sagte dagegen: "Wenn wir die Wahl so gewinnen, wie sich das jetzt darstellt", sei Jean-Claude Juncker der Kandidat der europäischen Christdemokraten (EVP) für das Amt des Kommissionspräsidenten. Mit dem Ergebnis könne die Union in Deutschland trotz Verlusten "gut leben", betonte Kauder.

   CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer erklärte in München: "Wir sind nicht zufrieden mit unserem Wahlergebnis." Er erklärte die Schlappe damit, dass die CSU ihre Wähler "nicht zur Urne gebracht" habe. Der CDU-Spitzenkandidat David McAllister sagte, seine Partei habe ihr Ziel erreicht, stärkste Kraft zu werden. "Wir sind die Nummer eins", sagte er.

   FDP schwer enttäuscht über Ergebnis

   Die FDP zeigte sich schwer enttäuscht über ihr schwaches Abschneiden bei der Europawahl. "Es ist ein hundsmiserables Ergebnis", sagte Parteivize Wolfgang Kubicki am Sonntagabend im ZDF. Die Liberalen hätten nach ihrem Ausscheiden aus dem Bundestag "Probleme, medial in Erscheinung zu treten".

   Parteichef Christian Lindner kündigte an, die FDP werde "beharrlich und leidenschaftlich für den Wiederaufstieg" arbeiten. Seine Partei habe sich nach der Niederlage bei der Bundestagswahl "nie Illusionen" hingegeben. Verloren gegangenes Vertrauen könne "nicht innerhalb weniger Monate" wiedergewonnen werden.

   Denkzettel für herkömmliche politische Kräfte

   Der Chef der euroskeptischen AfD, Bernd Lucke, hat das Abschneiden seiner Partei als Denkzettel für die herkömmlichen politischen Kräfte gewertet. Die AfD sei mit der Europawahl "aufgeblüht als eine neue Volkspartei in Deutschland", sagte Lucke am Sonntag auf der Wahlparty seiner Partei in Berlin. Im Europaparlament wolle die AfD kritisch-konstruktiv mitarbeiten. "Man darf über Fehler nicht schweigend hinwegsehen", sagte Lucke. "Wir wollen Europa da loben, wo es gut ist, und dort kritisieren, wo es der Korrektur bedarf."

   Lucke bestritt, dass seine Partei anti-europäisch oder rechtslastig sei. "Wir wollen das Wohl Europas", beteuerte er. "Wir sind die wahren Europäer." Den andere Parteien warf Lucke vor, die AfD im Wahlkampf "diffamiert" zu haben "als eine Partei, die rechtslastig sei". Die Familien der Kandidaten hätten im Wahlkampf deshalb "viele Entbehrungen" hinnehmen müssen.

   Mehr Parteien aus Deutschland

   Bereits im Vorfeld der Wahl war abzusehen, dass Deutschland künftig im Europaparlament von mehr Parteien vertreten sein wird als je zuvor. Denn erstmals hatte für die Europawahl keine Sperrklausel gegolten, wie sie etwa bei Bundestagswahlen in Form einer Fünf-Prozent-Hürde gilt. Diese Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hatte bedeutet, dass eine Partei auch schon mit relativ wenigen Stimmen einen Parlamentssitz gewinnen konnte.

   In den Niederlanden war die EU- und islamfeindliche Freiheitspartei PVV des Rechtspopulisten Geert Wilders überraschend abgestürzt. Doch in Großbritannien fuhr die europafeindliche UKIP offenbar einen historischen Triumph ein. Mit der Kampfansage, sein Land aus der EU zu führen, brachte es der Rechtspopulist Nigel Farage bei den parallel stattfindenden Kommunalwahlen jedenfalls zu massiven Zugewinnen.

   Mit starken Ergebnissen für Rechtsextreme wird auch in Griechenland und Frankreich gerechnet.

   Fast 400 Millionen Menschen zur Wahl aufgerufen

   Insgesamt fast 400 Millionen Menschen waren seit Donnerstag EU-weit zur Wahl der 751 EU-Abgeordneten aufgerufen, Deutschland stellt mit 96 die meisten von ihnen. Erste Prognosen werden ab 22 Uhr veröffentlicht, erste Hochrechnungen dürfen erst nach Schließung der letzten Wahllokale in Italien um 23 Uhr bekanntgegeben werden.

   Die Parteienfamilien haben erstmals europaweite Direktkandidaten aufgestellt. Bei den Sozialdemokraten ist es der deutsche SPD-Politiker Martin Schulz, bei den Konservativen Luxemburgs Ex-Regierungschef Jean-Claude Juncker. Ob einer von beiden tatsächlich die mächtige Brüsseler Bürokratie leiten wird, ist aber fraglich: Neben Kanzlerin Angela Merkel (CDU) stellt sich auch der britische Premier David Cameron gegen einen entsprechenden Automatismus.

   Der neue Kommissionschef muss - auf Vorschlag der Staats- und Regierungschefs - im Parlament eine Mehrheit bekommen. Trotz leichter Zugewinne der Sozialdemokraten dürfte Prognosen zufolge die Europäische Volkspartei (EVP) stärkste Fraktion bleiben. Angesichts der erwarteten Zuwächse an den Rändern wird zur Kür des neuen Kommissionschefs vermutlich aber eine große Koalition notwendig.

   Mit Material von AFP

   DJG/WSJ/sha

   Dow Jones Newswires

  

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