Stabilität gefährdet 04.01.2015 19:22:31

Ökonomen warnen vor Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone

In Deutschland nehmen die Diskussionen über einen möglichen Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone im Falle eines Sieges des linksgerichteten Oppositionsführers Alexis Tsipras bei der vorgezogenen Parlamentswahl Ende Januar zu. Ökonomen und Politiker warnen vor einem solchen Schritt, den die Bundesregierung laut einem Spiegel-Bericht inzwischen offenbar hinnehmen würde.

Das Magazin hatte unter Berufung auf Regierungskreise berichtet, Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble hielten einen Austritt des Landes aus der Gemeinschaftswährung inzwischen wegen der Fortschritte, die die Euro-Zone seit dem Krisenhöhepunkt 2012 gemacht habe, für verkraftbar. Die Ansteckungsgefahr für andere Länder sei begrenzt, weil Portugal und Irland als saniert gelten würden. Zudem stehe mit dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) ein schlagkräftiger Rettungsmechanismus zur Verfügung. Für die Sicherheit großer Kreditinstitute sorge die Bankenunion.

Die Bundesregierung reagierte auf den Bericht mit der Aussage, dass sie von Griechenland weiterhin die Erfüllung seiner Verpflichtungen erwarte. "Es gibt keine Kursänderung", sagte ein Regierungssprecher ergänzend.

Der Wirtschaftswissenschaftler Peter Bofinger warnte nachdrücklich vor einem Ausscheiden des Landes aus der Europäischen Währungsunion. "Ein solcher Schritt wäre mit sehr hohen Risiken für die Stabilität des Euro-Raums verbunden", sagte er der Welt am Sonntag.

Noch deutlichere Worte findet Barry Eichengreen, Wirtschaftshistoriker an der kalifornischen Berkeley-Universität. Sollte Griechenland die Euro-Zone verlassen, so würde dies ein verheerendes Chaos an den Finanzmärkten auslösen, das schlimmer wäre als nach dem Kollaps der US-Bank Lehman Brothers 2008, sagte der Ökonom bei einer Diskussion über die Eurokrise beim Jahrestreffen der American Economic Association. Er geht indes davon aus, dass die europäischen Politiker "erneut schwer schlucken" würden und die notwendigen Kompromisse eingingen, um Griechenland in der Währungsunion zu behalten.

Gefahr wittert auch die SPD: "Ein Austritt der Griechen wäre abenteuerlich", sagte der SPD-Finanzpolitiker und stellvertretende Fraktionschef Carsten Schneider dem Tagesspiegel. Allein der Bundeshaushalt wäre durch einen solchen Schritt mit Kreditzahlungen von 80 Milliarden Euro belastet, sagte Schneider.

Wenn es nach der griechischen Bevölkerung geht, wird es zu einem Austritt nicht kommen. Jüngsten Umfragen in Griechenland zufolge sprechen sich knapp drei Viertel der Griechen für einen Verbleib in der Euro-Zone aus - egal, was es koste. Die Oppositionspartei Syriza von Tsipras, die jüngsten Umfragen zufolge vor den Konservativen liegt, will allerdings den von der EU verordneten Sparkurs aufkündigen.

Die Bundesregierung pocht weiter darauf, dass Griechenland auch im Falle eines Sieges von Tsipras seinen Verpflichtungen nachkommen wird. Der stellvertretende Regierungssprecher Georg Streiter sagte laut der Nachrichtenagentur AFP am Sonntag in Berlin, die Regierung gehe davon aus, "dass Griechenland auch weiterhin seine vertraglichen Vereinbarungen gegenüber der Troika erfüllen wird". Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte den Reformkurs des Landes vor wenigen Tagen als alternativlos bezeichnet und die Einhaltung der getroffenen Vereinbarungen auch durch eine neue Regierung gefordert.

Die SPD mahnt Griechenland und warnt das Land vor einer Abkehr vom Konsolidierungskurs. "Es gibt keine Leistung ohne Gegenleistung", sagte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann der Welt am Sonntag. Ein Abschied vom Konsolidierungskurs "wäre eine neue Geschäftsgrundlage". Die Mehrheit der Griechen aber werde sich "auf ein solches Abenteuer nicht einlassen", zeigte sich Oppermann überzeugt.

Der ehemalige EU-Währungskommissar Olli Rehn sieht einem möglichen Wahlsieg von Syriza gelassen entgegen. Jede mögliche Turbulenz, die Griechenland verursachen möge, könne die Eurozone nicht so erschüttern wie 2010 oder 2012, sagte er dem Spiegel. Einen Schuldenschnitt, wie von Tsipras gefordert, hält Rehn für vermeidbar. "Dass wir die griechische Schuldenlast reduzieren müssen", glaubt der Ex-Kommissar jedoch ebenfalls. Dies könne man aber auch durch eine Verlängerung der Laufzeiten der Kredite erreichen.

Die Vorsitzende des Haushaltsausschusses, Gesine Lötzsch (Linke) sagte dem Tagesspiegel, mit der Diskussion um einen möglichen Austritt solle vor allem Druck auf die griechischen Wähler ausgeübt werden, nicht Syriza zu wählen. Ähnliche Kritik kommt vom Vorsitzenden der Linkspartei. Bernd Riexinger warf der Bundesregierung im Handelsblatt vor, "mit dieser Art öffentlicher Erpressung" Griechenland vor den Wahlen gezielt zu destabilisieren. Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir kritisierte die Spekulationen. "Wir sollten nicht schon öffentlich Ausstiegsszenarien durchplanen, bevor Griechenland überhaupt gewählt hat", sagte er Spiegel Online.

In Griechenland findet am 25. Januar eine vorgezogene Parlamentswahl statt, nachdem Ende Dezember die Wahl eines neues Staatschefs im Parlament scheiterte.

Der potenzielle Sieger, Tsipras, sieht sein Land als Vorreiter in Europa. In einer Rede in Athen mit Blick auf einen möglichen Wahlsieg sagte er, der "Wandel" beginne in Griechenland und breite sich weiter in Europa aus. Als Beispiel nannte er unter anderem Spanien, wo die antiliberale Partei Podemos Zulauf hat. Er wolle Griechenland zu einem "positiven Beispiel für Fortschritt in Europa" machen, sagte Tsipras. Er wolle "energische Verhandlungen" führen, um Griechenland "eine wirklich gleichberechtigte Teilnahme an der Eurozone" zu garantieren. Die Sparmaßnahmen müssten ein Ende haben.

Unterdessen hat der frühere Ministerpräsident Giorgos Papandreou am Samstag in Athen seine neue Partei mit dem Namen "Bewegung der demokratischen Sozialisten" vorgestellt. Der 62-jährige Abgeordnete und ehemalige Pasok-Chef hatte einst das in der Bevölkerung unpopuläre Hilfspaket ausgehandelt, das Griechenland vor dem Bankrott bewahrte.

DJG/bam/kla

Dow Jones Newswires - Mit Material von AFP

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