16.01.2015 13:37:30
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Deutschland macht gegen Islamisten mobil
Von Stefan Lange
BERLIN--Eine gute Woche nach den Anschlägen von Paris haben die Sicherheitsbehörden in Deutschland ihren Kampf gegen den Terror offenbar forciert. Nach der Festnahme eines mutmaßlichen IS-Mitglieds in Wolfsburg schlug am Freitagmorgen die Berliner Polizei zu: Bei einer Großrazzia in der Islamistenszene wurden zwei Männer festgenommen. In beiden Fällen ging es den Angaben zufolge nicht um geplante Anschläge in Deutschland. Unweit der deutschen Grenze wurden im belgischen Verviers am Donnerstagabend zwei mutmaßliche Dschihadisten getötet. Ein Verdächtiger wurde festgenommen.
In Berlin stürmten drei Spezialeinsatzkommandos und insgesamt 250 Polizeibeamte in den frühen Morgenstunden elf Gebäude mit Wohnungen von Verdächtigen, die der Berliner Islamistenszene angehören sollen. Polizeisprecher Stefan Redlich erklärte, den Beschuldigten werde finanzielle und logistische Unterstützung für Extremisten in Syrien vorgeworfen. Sie hätten in Berlin Menschen "radikalisiert" und nach Syrien geschickt. Außerdem sollen sie unter anderem Nachtsichtgeräte für die Kämpfer in Syrien beschafft haben.
Vorangegangen waren nach Polizeiangaben mehrmonatige Ermittlungen der Generalstaatsanwaltschaft Berlin und des polizeilichen Staatsschutzes. Im Visier der Fahnder: Der 41 Jahre alte türkische Staatsangehörige Ismet D. und vier weitere türkische Staatsangehörige im Alter zwischen 31 bis 44 Jahren. Sie sollen Geld gewaschen und damit eine sogenannte schwere Gewalttat in Syrien vorbereitet haben. Zwei der Männer wurden nun festgenommen und dem Haftrichter vorgeführt. Die Durchsuchungen waren um zehn Uhr am Freitag beendet.
"Gewaltbereite Salafisten"
"Die Beschuldigten sind teilweise seit Jahren dem gewaltbereiten salafistischen Spektrum zuzurechnen und lassen eine ideologische Nähe zu terroristischen Organisationen, wie der IS sowie tschetschenischen Gruppierungen, die in Syrien kämpfen, erkennen", teilte die Polizei mit.
Ismet D. gilt in Berlin als selbsternannter "Emir" und sogenannter "Weisenratspräsident". Er soll den Angaben zufolge eine islamistische Extremistengruppe anführen, die aus Türken und Russen tschetschenischer und dagestanischer Herkunft besteht. Der Mann stehe im Verdacht, diese Extremistengruppe durch einen von ihm abgehaltenen "Islamunterricht" radikalisiert und auf die Teilnahme am Dschihad gegen "Ungläubige" im syrischen Bürgerkriegsgebiet vorbereitet zu haben.
In der Autostadt Wolfsburg war am Donnerstag ein 26-jähriger Deutsch-Tunesier festgenommen worden. Er wird verdächtigt, sich der Vereinigung "Islamischer Staat Irak und Großsyrien" (ISIG) angeschlossen und damit eine Straftat begangen zu haben, wie der Generalbundesanwalt mitteilte. Der Mann soll eine Kampfausbildung bekommen und anschließend "bei einer militärischen Offensive Tote und Verletzte vom Schlachtfeld" geborgen haben.
Die belgischen Behörden vereitelten nach eigenen Angaben mit ihrem Einsatz einen unmittelbar bevorstehenden Anschlag. Den Angaben zufolge wollten die drei Dschihadisten, es soll sich um Rückkehrer aus Syrien handeln, ein Attentat auf die Polizei verüben. Als die Spezialkräfte eintrafen, hätten die Männer sofort das Feuer eröffnet.
Innenministerium mauert
Die Bundesregierung wollte die Frage nicht beantworten, ob es sich bei den Einsätzen um eine konzertierte Aktion gehandelt habe. Ein Sprecher des Innenministeriums, das schon seit Wochen eine sehr restriktive Informationspolitik betreibt, entzog sich dem mit den Hinweis auf die laufenden Ermittlungen: "Was konkret polizeilich passiert ist oder passiert, dazu kann und möchte ich aus polizeitaktischen Erwägungen keine Stellung beziehen." Es seien aber "durchaus gewisse Dinge geschehen seit den Anschlägen" von Paris. So hätten die Sicherheitsmaßnahmen "partiell eine Erhöhung erfahren". Der Sprecher sagte gleichzeitig, er könne auch hier "zu Einzelheiten keine Stellung nehmen".
Die Sicherheitsbehörden in Bund und Ländern hätten schon vor den Anschlägen in Paris in engem Kontakt gestanden. Nach den Anschlägen habe "die Sensibilisierung sicherlich noch einmal zugenommen", sagte der Sprecher. Die Lageentwicklung werde "gemeinschaftlich fortlaufend aktualisiert und neu bewertet". Die Frage, ob es bei der "zurückhaltenden Polizeipräsenz" in Deutschland bleibe werde, bejahte der Sprecher immerhin. An der Bewertung, dass es in Deutschland eine "abstrakt hohe Gefährdungslage" gebe, die sich auch "in Anschlägen äußern" könnte, habe sich nichts geändert.
Regierungssprecher Steffen Seibert erklärte, es gebe ein funktionierendes Sicherheitssystem in Deutschland. "Aber selbstverständlich muss immer, und da ist die Politik laufend gefordert, überprüft werden, ob die Lageanforderungen sich verändert haben, ob sich die technischen Rahmenbedingungen, in denen die Gegner der Freiheit operieren und die wir auch zur Verfügung haben sollten, verändert haben", sagte Seibert.
Deutschland sei auf die Zusammenarbeit mit anderen Geheimdiensten angewiesen, erklärte Seibert. "Es ist in diesen Zeiten einfach kein Land in der Lage, die Sicherheit seiner Bürger angesichts der Bedrohung durch den islamistischen Terror alleine nur national zu gewährleisten."
Kontakt zum Autor: stefan.lange@wsj.com
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