03.02.2015 15:01:31

UN-Gericht weist Völkermord-Klagen gegen Serbien und Kroatien ab

   DEN HAAG (AFP)-- Nach Überzeugung des höchsten UN-Gerichts haben sich weder Serbien noch Kroatien während des Krieges Anfang der 90er Jahre des Völkermordes schuldig gemacht. Beide Seiten hätten Verbrechen begangen, allerdings nicht mit dem Ziel, eine ethnische Gruppe zu "zerstören", sondern sie "mit Gewalt zu vertreiben", sagte der Vorsitzende Richter des Internationalen Gerichtshofs, Peter Tomka, am Dienstag in Den Haag.

   Serbien und Kroatien hatten sich gegenseitig beim IGH wegen Völkermordes verklagt und Entschädigungszahlungen von der Gegenseite gefordert. "Genozid setzt die Absicht voraus, eine Gruppe zumindest zum Teil zu zerstören", sagte Tomka. Dies konnte das 17-köpfige Gericht jedoch bei keinem der beiden Länder feststellen. Das Tribunal rief Zagreb und Belgrad auf, für Frieden und Stabilität auf dem Balkan zusammenzuarbeiten. Dabei sollten sie auch dafür sorgen, dass die Opfer von Kriegsverbrechen entschädigt würden.

   Während des Balkankrieges nach dem Zerfall Jugoslawiens bekämpften sich auch kroatische Streitkräfte und die von Belgrad unterstützten serbischen Verbände in Kroatien. Allein in diesem Konflikt starben zwischen 1991 und 1995 rund 20.000 Menschen. Zahlreiche Kroaten wurden im Zuge von "ethnischen Säuberungen" getötet, gefoltert oder vertrieben. Kroatien reichte deshalb 1999 Klage ein.

   Die Regierung in Belgrad lancierte jedoch 2010 ihrerseits eine Klage wegen Völkermordes, in der sie Kroatien vorwarf, bei einer Gegenoffensive 200.000 ethnische Serben vertrieben zu haben. Auch Serbien hatte Entschädigung gefordert.

   "Kroatien ist es nicht gelungen, seine Anschuldigungen zu beweisen, wonach ein Völkermord verübt wurde", erklärte Tomka. Er erwähnte mehrere besonders dunkle Kapitel des Krieges, unter anderem die Eroberung der Stadt Vukovar. Bei der dreimonatigen Belagerung waren 1.600 Verteidiger und Zivilisten getötet worden.

   Nach der Eroberung der Stadt durch Truppen der jugoslawischen Bundesarmee und serbische Einheiten am 18. November 1991 wurden rund 22.000 Nicht-Serben vertrieben, Vukovar wurde nahezu dem Erdboden gleichgemacht. Später wurde Vukovar vorübergehend unter UN-Verwaltung gestellt und 1998 an Kroatien übergeben.

   In Serbien hatte wiederum große Empörung geherrscht, als die zunächst als Kriegsverbrecher verurteilten kroatischen Generäle Ante Gotovina und Mladen Markac Ende 2012 in einem Berufungsverfahren überraschend freigesprochen worden waren. In erster Instanz waren sie wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu 24 und 18 Jahren Haft verurteilt worden. Gotovina war Befehlshaber der "Operation Sturm", bei der kroatische Armeeeinheiten 1995 die von ethnischen Serben bewohnte Region Krajina eroberten. Hunderte Serben wurden zum Kriegsende getötet, mehr als 200.000 weitere vertrieben.

   Die Regierung in Zagreb äußerte sich am Dienstag enttäuscht über das Haager Urteil. Sie werde es aber "auf zivilisierte Art annehmen", erklärte Regierungschef Zoran Milanovic. Serbiens Präsident Tomislav Nikolic drückte die Hoffnung aus, dass Serbien und Kroatien in Zukunft die Kraft fänden, "alles gemeinsam zu lösen", was einen "dauerhaften Frieden" auf dem Balkan behindern könnte.

   Völkermord ist das schlimmste internationale Verbrechen, aber es ist auch am schwersten nachzuweisen. Bislang hat der IGH erst ein Mal auf Völkermord anerkannt: 2007 entschied das UN-Tribunal, dass es sich bei dem Massaker von Srebrenica um einen Genozid gehandelt hatte. Bosnisch-serbische Milizen hatten in der UN-Schutzzone Srebrenica im Juli 1995, wenige Monate vor Ende des Bosnien-Krieges, etwa 8.000 Muslime verschleppt und getötet. Das Massaker war das schlimmste Kriegsverbrechen in Europa seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs.

   DJG/apo

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   February 03, 2015 08:32 ET (13:32 GMT)- - 08 32 AM EST 02-03-15

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