12.06.2014 05:47:48

Merkel: Chance auf Neuanfang in Ukraine jetzt nutzen

BERLIN/BRÜSSEL (dpa-AFX) - Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sieht die Chancen für eine Befriedung in der Ukraine nach dem Wechsel im Präsidentenamt gestiegen. Beim traditionellen Jahresempfang für das Diplomatische Corps appellierte sie am Mittwochabend in Berlin an alle Beteiligten: "Jetzt ist alles zu tun, damit sich die Hoffnung auf einen Neuanfang erfüllt." Der neue Präsident Petro Poroschenko müsse sich auf die notwendigen Reformen konzentrieren können, weshalb im Osten des Landes "keine Schüsse mehr fallen" dürften.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow sprach sich unterdessen für eine Fortsetzung der OSZE-Mission in der Ostukraine aus. Die Teams der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) könnten sich dann selbst ein Bild machen über die Lage in der krisengeschüttelten Region, sagte Lawrow bei einem Treffen mit OSZE-Generalsekretär Lamberto Zannier in Moskau. Zannier wies Berichte zurück, denen zufolge die Beobachter ihre Arbeit im Raum Lugansk eingestellt hätten. In der Gefahrenregion werden seit etwa zwei Wochen zwei OSZE-Teams von Separatisten festgehalten.

Seit Beginn der "Anti-Terror-Operation" gegen Separatisten in der Ostukraine sind den Behörden zufolge mindestens 250 Zivilisten ums Leben gekommen, darunter etwa 14 Minderjährige. Allein im Raum Donezk seien seit Mitte April bei Kämpfen zwischen Regierungseinheiten und prorussischen Aufständischen etwa 220 Bürger getötet worden, sagte Vize-Gesundheitsminister Ruslan Saljutin am Mittwoch in Kiew. Zudem starben etwa 30 Menschen bei Gefechten im Gebiet Lugansk. Die Angaben zu Todeszahlen in der Ex-Sowjetrepublik gehen allerdings häufig weit auseinander.

Verhärtet bleiben die Fronten im monatelangen Streit um Gaslieferungen. Der russische Energieminister Alexander Nowak und sein ukrainischer Amtskollege Juri Prodan erreichten am Mittwoch bei mehrstündigen Verhandlungen in Brüssel erneut keine Einigung über den Preis künftiger Erdgaslieferungen. Auch über das Begleichen der ukrainischen Gasschulden in Milliardenhöhe gab es keinen Konsens.

Russland verlängerte Kiew zwar die Zahlungsfrist bis kommenden Montag (16. Juni). Ab dann droht Moskau aber damit, Gas nur noch gegen Vorkasse zu liefern oder den Gashahn abzudrehen. Die Ukraine kündigte für den Fall, dass die Verhandlungen scheitern, an, vor das internationale Schiedsgericht in Stockholm zu ziehen.

EU-Energiekommissar Günther Oettinger, der bei den Verhandlungen anwesend war, schloss eine Eskalation nicht aus: "Wir haben im Augenblick keinen Grund zu spekulieren, was wäre wenn, am Montag Vormittag. Aber wir bereiten uns auf alles vor." Es werde intensiv weiter verhandelt: "Wir gehen davon aus, dass parallel auch heute Gespräche zwischen Präsidenten stattfinden, auf höchster Ebene."

Die Ukraine ist das wichtigste Transitland für Gas; eine Lieferunterbrechung könnte auch die Gasversorgung der EU gefährden. In früheren Streitfällen hatte Kiew einfach für Westeuropa bestimmtes russisches Gas abgezapft.

Oettinger nannte als Ziel, "in den nächsten verbleibenden vier Tagen eine Einigung zu erreichen und eine Eskalation zu vermeiden". Insgesamt schuldet die Ukraine Russland für Lieferungen bis 1. April 2,237 Milliarden US-Dollar. Der Gasstreit belastet das seit der Annexion der Krim durch Russland ohnehin schwer angespannte Verhältnis beider Länder zusätzlich.

Der russische Minister bot bei den Gesprächen seinem ukrainischen Kollegen erneut einen Preisnachlass von 100 US-Dollar auf 1000 Kubikmeter Gas an. Dadurch ergebe sich ein Endpreis von 385 Dollar für die Ukraine. "Das ist ein absoluter Marktpreis, das ist das untere Ende der Spanne", sagte Nowak. Sein Kiewer Kollege Juri Prodan lehnte das Angebot dagegen als "politischen Preis" ab und betonte: "Unsere Position hat sich nicht geändert."

Derzeit fordert Gazprom (Gazprom (Spons ADRs)) den vertraglich vereinbarten Preis von 485,5 US-Dollar je 1000 Kubikmeter Gas. In den Verhandlungen hatten die Russen zuletzt einen Preis von rund 385 US-Dollar angeboten. Die Ukraine will wie zuletzt nur 268 US-Dollar bezahlen. Für Russland war dies aber ein "Freundschaftspreis", der noch unter dem im Februar in Kiew gestürzten prorussischen Präsidenten Viktor Janukowitsch galt. Die Beziehungen zwischen Moskau und Kiew sind seit Janukowitschs Sturz stark gespannt.

/mt/hrz/mau/DP/zb

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