Zu viele Krankmeldungen 06.10.2016 19:26:41

TUIfly sagt für Freitag alle Flüge ab

Am Freitag werde der Ferienflieger seinen Betrieb komplett einstellen, teilte der Touristikkonzern TUI am Donnerstagabend mit. 108 Flüge werden gestrichen. Nach Angaben einer TUI-Sprecherin sind rund 9.000 Passagiere betroffen. Auch am Donnerstag hatten sich wie schon an den Vortagen zahlreiche Crew-Mitglieder bei TUIfly kurzfristig krank gemeldet und damit den Flugbetrieb weiter eingeschränkt.

"Um Urlauber aus den Feriengebieten nach Hause zu bringen, hat TUI erneut Flugzeuge anderer Airlines gechartert", teilte TUI mit. Auch in den kommenden Tagen könne es dazu kommen, dass Flüge gestrichen werden. Der kriselnden Air Berlin könnten ebenfalls weitere Ausfälle drohen, denn ein Drittel der TUI-Flotte fliegt samt Besatzung für Air Berlin. Die 108 nun abgesagten Flüge bezögen sich aber alleine auf TUIfly, erklärte eine TUI-Sprecherin.

Tausende Passagiere beider Airlines mussten bereits am Donnerstag auf ihre Verbindungen warten oder ihre Urlaubsreisen zu den Herbstferien gleich ganz abblasen. TUIfly habe am Donnerstag für Air Berlin keinen einzigen der geplanten 90 Flüge durchgeführt, sagte Air-Berlin-Sprecher Uwe Kattwinkel. Mit Hilfe anderer Crews habe Air Berlin 30 dieser 90 Flüge anbieten können, so dass letztlich 60 Flüge ausgefallen seien. Kattwinkel sprach von einer "schwierigen, dramatischen Situation vor allem für unsere Fluggäste".

Die Flugleitung der TUIfly versuchte gegenzuhalten und charterte nach eigenen Angaben 18 zusätzliche Flugzeuge von anderen Gesellschaften. Air Berlin schloss mit den Gewerkschaften Verdi und Vereinigung Cockpit sowie dem Gesamtbetriebsrat eine Krisenvereinbarung, in der Piloten, Flugbegleiter und Bodenpersonal bis einschließlich Sonntag zu freiwilligen Einsätzen aufgerufen werden.

Als Hintergrund werden der tiefgreifende Umbau der hochverschuldeten Air Berlin und damit einhergehende Veränderungen bei der TUIfly gesehen. Die deutsche Fluggesellschaft des Touristikkonzern TUI soll gemeinsam mit Air-Berlin-Teilen in eine neue Dachholding für Ferienflieger integriert werden. Arbeitnehmervertreter fürchten Job-Verluste und schlechtere Tarifbedingungen.

Ihre Gäste will die TUIfly nicht entschädigen und beruft sich auf höhere Gewalt, die für die Ausfälle und Verspätungen verantwortlich sei. "Entschädigungs- beziehungsweise Schadensersatzansprüche der Kunden entstehen daraus nicht", teilte TUI Deutschland in Hannover mit. Eine Sprecherin betonte: "Die massenhaften und äußerst kurzfristigen Krankmeldungen sind ein außergewöhnlicher und nicht vermeidbarer Umstand im Sinne von höherer Gewalt."

Ganz anders sieht das Philipp Kadelbach vom Flugrechtsportal Flightright. TUIfly könne sich nicht auf höhere Gewalt berufen. Krankheitswellen zählten zu den normalen Betriebsrisiken, die Airlines zu jeder Zeit einkalkulieren müssten. Dies gelte auch bei Zweifeln, ob tatsächlich eine Krankheit vorliege. Er empfehle allen betroffenen Passagieren, ihre Entschädigungsansprüche geltend zu machen.

Die Unternehmen haben nach Einschätzung des Berliner Arbeitsrechtlers Robert von Steinau-Steinrück kaum Möglichkeiten, die Krankmeldungen der Beschäftigten zu hinterfragen oder ihnen gar einen "wilden Streik" zu unterstellen. Es sei sehr schwierig zu beweisen, dass die Beschäftigten die Krankheit nur vortäuschten. Ärztliche Atteste hätten eine hohe Beweiskraft. Falsche Krankmeldungen erfüllen dem Fachanwalt zufolge allerdings den Straftatbestand des Betruges.

Die Flugbegleitergewerkschaft Ufo lehnte jegliche Verantwortung für die massenhaften Krankmeldungen ab. "Das ist definitiv kein Mittel zum Arbeitskampf für uns", sagte Tarifexperte Nicoley Baublies. Man rufe dazu nicht auf und distanziere sich klar von einem Missbrauch.

Die Deutsche Lufthansa-Tochter Eurowings wies Ufo-Informationen zurück, dass sich auch bei ihr der Krankenstand verdoppelt habe. Nach einigen Krankheitsfällen am Wochenende habe man den eigenen Flugplan "sehr sauber" abgeflogen, sagte ein Sprecher. Ab der kommenden Woche will die Ufo bei der Eurowings Warnstreiks organisieren, die sich laut Baublies auch auf die Schwester Germanwings erstrecken könnten. Ein Eurowings-Sprecher zeigte sich hingegen zuversichtlich, dass man auf der Basis eines verbesserten Angebots schnell wieder in Verhandlungen einsteigen könne.

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HANNOVER/BERLIN (dpa-AFX)

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