19.08.2015 10:14:45

Türkei steht vor Neuwahl und erster kurdischer Regierungsbeteiligung

   ISTANBUL (AFP)--Nach dem Scheitern der Koalitionsverhandlungen in der Türkei steht das Land vor Neuwahlen und der ersten Beteiligung einer Kurdenpartei an einer Regierung. Wie mehrere türkische Medien am Mittwoch berichteten, wird Präsident Recep Tayyip Erdogan möglicherweise schon bald vorgezogene Neuwahlen ausrufen. Laut Verfassung muss in diesem Fall bis zur Neuwahl eine Allparteien-Regierung aus allen im Parlament vertretenen Parteien gebildet werden. Damit würde die kurdische HDP als erste Kurdenpartei überhaupt mehrere Minister in einer türkischen Regierung stellen.

   Ministerpräsident Ahmet Davutoglu hatte am Dienstagabend das Mandat zur Regierungsbildung an Erdogan zurückgegeben. Als Chef der Regierungspartei AKP, die bei der Wahl im Juni ihre absolute Mehrheit im Parlament verloren hatte, konnte Davutoglu keine Partner für eine Koalition gewinnen. Nach der Tradition könnte Erdogan nun den Regierungsauftrag an Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu vergeben, den Chef der säkularistischen CHP, die zweitstärkste Partei im Parlament ist.

   Mehrere Zeitungen meldeten jedoch, Erdogan werde Kilicdaroglu möglicherweise nicht beauftragen. Die Chancen, dass Kilicdaroglu bis zum Ablauf der Frist zur Regierungsbildung am kommenden Sonntag eine Koalition bilden könne, seien gering. Stattdessen werde Erdogan voraussichtlich die Frist verstreichen lassen, Neuwahlen im Oktober oder November ausrufen und Davutoglu um die Bildung einer Allparteien-Regierung bitten.

   Ein solches Kabinett wäre das erste seiner Art in der Türkei. In der Ministerrunde würden auf die HDP drei Ministerposten entfallen. Die Zeitung Hürriyet berichtete, Davutoglu wolle die HDP bitten, gemäßigte Politiker für die Posten auszuwählen.

   Viele Beobachter in Ankara sind überzeugt, dass Erdogan die vorgezogene Neuwahl anstrebt, weil er sich davon eine Rückeroberung der absoluten AKP-Mehrheit im Parlament verspricht. Ob das gelingen kann, ist laut Umfragen allerdings nicht sicher. Der Chef des Meinungsforschungsinstitutes Metropoll, Özer Sencar, sagte im Nachrichtensender CNNTürk, die kurdische HDP könne bei Neuwahlen mit Zugewinnen rechnen und möglicherweise sogar drittstärkste politische Kraft werden. In einem solchen Fall hätte die AKP kaum Chancen auf eine eigene Mehrheit im Parlament.

   DJG/apo

   (END) Dow Jones Newswires

   August 19, 2015 04:12 ET (08:12 GMT)- - 04 12 AM EDT 08-19-15

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