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04.07.2014 11:26:00

Thomas Piketty - Der "neue Karl Marx"

Für ihre Forderung nach Einführung einer Vermögensteuer hat sich die Arbeiterkammer prominente Unterstützung geholt: Der französische Starökonom Thomas Piketty, der mit der Veröffentlichung seines Buches "Le Capital au XXIe siecle" ("Kapital im 21. Jahrhundert") weltweite Berühmtheit erlangt hat, erklärt bei einem Vortrag in Wien, warum man von den Reichen nehmen und den Armen geben soll.

Pikettys zentrale These lautet: Weil die Kapitalerträge konstant höher sind als das allgemeine Wirtschaftswachstum - er bringt das auf die knackige Formel "r > g" - nimmt auch die Ungleichheit bei der Vermögensverteilung stetig zu. Ein einmal aufgebauter Kapitalstock reproduziert sich schneller als die Wirtschaftsleistung insgesamt steigt.

Mit einer Unmenge historischer Daten untermauert Piketty seine Beobachtung, dass die Reduktion der Ungleichheit in der Mitte des 20. Jahrhunderts nur eine Ausnahme gewesen, aber nicht die Norm in der Marktwirtschaft sei. Vielmehr erziele reinvestiertes Kapital einen Ertrag zwischen 4 und 5 Prozent pro Jahr, während der technische Fortschritt lediglich ein Wirtschaftswachstum von 1 bis 1,5 Prozent pro Jahr erwarten lasse. Dies gelte für beinahe die gesamte Menschheitsgeschichte, nur im 20. Jahrhundert habe sich dieser Trend durch die beiden Weltkriege, die Entkolonialisierung und die Entwicklung des Wohlfahrtsstaates vorübergehend umgekehrt.

Ohne politisches Gegensteuern werde sich die Ungleichheit weiter vergrößern und zu einer Bedrohung für die Demokratie, warnt Piketty. Das wirksamste Mittel dagegen wäre die Einführung einer Vermögenssteuer für Reiche, und zwar auf globaler oder zumindest europäischer Ebene. Dabei kann er sich für Vermögen unter 1 Mio. Euro eine jährliche Abschöpfung im Ausmaß von 0,1 bis 0,5 Prozent vorstellen, 1 Prozent für Vermögen zwischen 1 und 5 Mio. Euro, 2 Prozent zwischen 5 und 10 Mio. Euro und 5 bis 10 Prozent für Vermögen von mehreren hundert Millionen oder gar Milliarden Euro.

Piketty lässt nie einen Zweifel daran, dass er seine Rolle nicht als die eines neutralen Beobachters und Beschreibers der wirtschaftlichen Zusammenhänge sieht. "Ich betrachte die Volkswirtschaft als einen Teilbereich der Sozialwissenschaften, neben Geschichte, Soziologie, Anthropologie und Politikwissenschaft", schreibt er in seinem Buch, das im Herbst auch auf Deutsch erscheinen wird. Piketty bevorzugt den Ausdruck "Politische Ökonomie" - im 19. Jahrhundert die gebräuchliche Bezeichnung für die Volkswirtschaftslehre. Denn, was die Wirtschaftswissenschaft von anderen Sozialwissenschaften unterscheide, sei ihr politischer, normativer und moralischer Zweck. Ihre zentrale Fragestellung: Welche Art von Politik und welche Institutionen bringen uns einer idealen Gesellschaft näher?

Pikettys Thesen haben naturgemäß auch Kritik auf sich gezogen. Die "Financial Times" warf ihm vor, dass sein umfangreiches statistisches Material, dass Piketty online zur Verfügung stellt, die von ihm aufgestellten Behauptungen nicht unterstützen würden - etliche der von ihm präsentierten Zahlen seien sogar "schlicht aus der Luft gegriffen". Auch das renommierte britische Magazin "The Economist" hat Pikettys Buch genau unter die Lupe genommen und dabei einen gelegentlich etwas nachlässigen Umgang mit dem Zahlenmaterial festgestellt, generell sei Pikettys Analyse dennoch stichhaltig, so das Resümee.

Thomas Piketty (43) ist Professor für Ökonomie und Mitbegründer der Paris School of Economics. Er forscht vor allem zu Themen der Einkommens- und Vermögensverteilung. Er arbeitete auch an der London School of Economics und am Massachusetts Institute of Technology. Heute lebt mit seiner Frau und drei Kindern in Paris.

(Schluss) ivn/maf

WEB http://www.arbeiterkammer.at

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