Nach tödlichem Unfall 07.07.2016 07:00:00

Tesla-Aktie: Distanz zu Elon Musks Visionen angesagt

Rückrufe, verfehlte Absatzziele, Finanzierungsprobleme - die schlechten Nachrichten für Tesla häufen sich. Und nun ist es aus Sicht des US-amerikanischen Elektrofahrzeugbauers zum Supergau gekommen: Der erste tödliche Unfall, bei dem "Kollege" Computer am Steuer saß.

Ungutes Gefühl bleibt

Wie erst vor einigen Tagen bekannt wurde, war im Mai ein Mann bei einem Unfall gestorben, weil der "Autopilot" seines Tesla "Model S" einen Lkw nicht als Hindernis erkannt hatte. Auch wenn Tesla sofort betonte, dass das Fahrassistenz-System "Autopilot" Fahrzeuge nicht zu einem selbstfahrenden Wagen mache, bleibt ein ungutes Gefühl zurück.

Aussagen von Musk aus der Vergangenheit erscheinen nun in einem anderen Licht. Vor einem halben Jahr hatte sich der Tesla-Chef in einem Interview mit dem Magazin "Fortune" noch sehr euphorisch zur Zukunft des autonomen Fahrens geäußert: "Ich glaube, wir haben alle notwendigen Teile. Jetzt geht es nur noch darum, diese Teile zu verfeinern, einzurichten und sicherzustellen, dass sie unter unzähligen Bedingungen funktionieren - und dann haben wir es geschafft."

Bleibt autonomes Fahren unberechenbar?

Leider reichen "unzählige Bedingungen" offensichtlich nicht aus, Unfälle völlig auszuschließen - im Gegenteil: Dass das System aus Kameras, Radar- und Ultraschallsensoren einen riesigen Lkw nicht als Hindernis erkennen konnte, wirkt angesichts der vollmundigen Sprüche von Elon Musk absurd. Das Tesla-Versprechen, mit dem Fahrassistenz-System "Front- und Seitenkollisionen zu vermeiden", wurde mit dem tödlichen Unfall bereits gebrochen. Ist autonomes Fahren also unberechenbar, womöglich gänzlich unkontrollierbar?

Nein, dem selbstfahrenden Auto gehört unweigerlich die Zukunft, da sind sich Experten einig. Nicht nur Tesla, auch BMW, Daimler, Ford, die Google-Mutter Alphabet und sogar der iPhone-Konzern Apple arbeiten daran - die Technologie wird kommen, es ist wohl nur eine Frage der Zeit. Autofahrer müssen zu dem "Computer-Fahrer" allerdings Vertrauen fassen, ein Vorfall wie der tödliche Tesla-Unfall wirkt da kontraproduktiv - da ist eindeutig etwas ziemlich schief gelaufen, der Blick in die Zukunft ist plötzlich weniger euphorisch.

"Model S" lediglich ein teilautomatisiertes Fahrzeug

Das sieht auch Peter Fintl so. Er ist Experte für Fahrerassistenzsysteme und spricht in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin "Spiegel" von einem "Dämpfer" für diese Technologie. Gleichzeitig relativiert er den Tesla-Unfall. Das "Model S" sei kein autonomes, sondern lediglich ein teilautomatisiertes Fahrzeug. "Es kann bestimmte Fahrmanöver ohne Zutun erledigen, ist aber unter ständiger Beobachtung des Fahrers", so Fintl.

Faktor Mensch ist unberechenbar

Welche Rolle spielte also der Faktor Mensch in diesem bedauernswerten Vorfall? Erst im Oktober hatte Tesla das Software-Update namens "Autopilot" veröffentlicht. Damit wurde es für die Fahrer möglich, die Hände vom Lenkrad zu nehmen und das Auto die Kontrolle übernehmen zu lassen - allerdings nur für wenige Sekunden. Dann erscheint im Display des Fahrzeugs eine Warnung, die den Fahrer dazu auffordert, die Hände ans Lenkrad zu legen. Trotz Autopilot trägt der Fahrer also noch immer die volle Verantwortung.

Hat der Fahrer das Fahrassistenzsystem möglicherweise getäuscht? Hat er, wie vielfach im Internet spekuliert, mit den Händen am Lenkrad einen Film angeschaut? Der verunglückte Tesla-Fahrer hätte demnach einen Fehler gemacht, einen tödlichen Fehler! Der genaue Hergang des Unfalls wird bereits von der zuständigen US-Verkehrsbehörde NHTSA untersucht.

Experte kritisert Teslas Firmenpolitik

Fintl findet trotz aller Eventualitäten kritische Worte für die Firmenpolitik von Tesla: "Das Problem ist, dass Tesla den Hype um das Roboterauto stark befeuert hat und den Leuten mit dem Namen 'Autopilot' suggeriert, dass es sich bei dem 'Model S' um ein autonomes Auto handelt." Selbst wenn Tesla und seiner "Autopilot"-Software am Ende kein technisches Versagen nachgewiesen werden kann, so schadet dieser Vorfall dennoch der Glaubwürdigkeit des Elektrofahrzeugbauers.

Das Musk-Imperium bröckelt. Viele schlechte Nachrichten rund um den Autobauer stellen die Tesla-Aktionäre in den vergangenen Monaten auf eine harte Probe. Seit dem Allzeithoch vor fast genau einem Jahr büßte das Tesla-Papier annähernd 25 Prozent seines Wertes ein. Allein drei Prozent rutschte der Aktienkurs des Musk-Konzerns ab, nachdem die Öffentlichkeit von dem Unfall erfahren hatte. Ist die Tesla-Aktie nun noch ein Kauf?

"Finger weg von Tesla!"

"Wir sind negativ gestimmt für die Aktie", sagt Martin Weiß, stellvertretender Chef-Redakteur beim Anlegermagazin "Der Aktionär". Ein Grund für dieses negative Fazit ist vor allem der tödliche Unfall im Mai. Aber auch ungeachtet dessen ist die Aktie derzeit keine Kauf-Empfehlung, die Kursentwicklung bewege sich "unter dem langfristigen Trend", so Weiß. "Finger weg von Tesla!"

Auch die Mehrheit der Analystenhäuser rät bei der Tesla-Aktie aktuell zur Vorsicht. Einzig Dougherty & Company LLC empfiehlt die Anteilsscheine des Autobauers zum Kauf und gibt ein Kursziel von 500 US-Dollar aus - diese Einschätzung stammt allerdings von Anfang Mai.

Musk ist ein Visionär, das ist unbestritten. Mit seinen Ideen macht er den etablierten Autobauern Druck. Bislang ist Tesla allerdings vor allem eine gut funktionierende Geldverbrennungsmaschine. Auch viele Tesla-Aktionäre mussten bereits hohe Wertverluste in Kauf nehmen. Angesichts der offensichtlich wachsenden Probleme im Konzern ist nun wohl ein wenig mehr Distanz zu den Versprechen von Elon Musk angesagt - und wohl auch zur Tesla-Aktie.



Von Markus Gentner/Redaktion finanzen.at

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