24.02.2014 11:24:35

Telekomfirmen laufen Sturm gegen Regeln zur Netzneutralität

   Von Sam Schechner und Ryan Knutson

   Europäische Telekommunikationskonzerne verschärfen im Streit mit Technologiefirmen um Netzneutralität die Gangart. Unter anderem kämpfen die Deutsche Telekom und die französische Orange gegen umstrittene Passagen in einem geplanten EU-Gesetz zu diesem Thema. Das Problem: Die Internetprovider dürften demnach einzelne Datenmengen bei der Übertragung nicht benachteiligen, je nachdem woher sie stammen. Die rigide Forderung nach einem offenen Internet stößt ihnen bitter auf. Die Wahlmöglichkeiten der Nutzer gerieten in Gefahr. Das Problem drängt sich aktuell immer mehr auf, da die Datenmengen mit laufend neuen Webdienstleistungen förmlich explodieren.

   "Wir fürchten, dass wenn die restriktivsten Ansichten zum offenen Internet obsiegen die Nutzer deutlich weniger Entscheidungsfreiheiten haben", ärgert sich der Chef des europäischen Branchenverbands ETNO, Luigi Gambardella. Sein Verband läuft vor einer Abstimmung des europäischen Parlaments diesen Montag Sturm gegen die Gesetzesvorlage. Die Befürchtung: Einige Änderungen zum geltenden Gesetz würden Anstrengungen untergraben, neue Dienstleistungen am Markt anzubieten.

   In den USA drängen die Telekommunikationskonzerne die Wettbewerbshüter der FCC, dass sie von einzelnen Webseiten höhere Gebühren verlangen dürfen - im Tausch für eine bessere Übertragungsqualität. Die Aufseher dürften dieses Jahr neue Regeln zur Netzneutralität verabschieden. Das neue Regelwerk ist erforderlich, da ein Berufungsgericht im Januar das Gros der bisher geltenden Auflagen der FCC abgeschmettert hatte.

   Die Spannungen zwischen Tech- und Telekomfirmen diesseits und jenseits des Großen Teichs nehmen momentan zu. Es geht darum, wem der größere Teil vom Kuchen aus dem Geschäft mit den riesigen Datenmengen zusteht, die in den weltweiten Netzwerken hin- und herschießen. Auch die Frage, wer für Modernisierungen geradestehen muss, wird immer drängender. Die mobilen Netzwerke sind bereits heute vielfach überlastet und das Problem dürfte sich noch verschärfen, da eine Flut neuer Mobilfunkgeräte - von Handys bis zu Autoapparaten - auf den Markt drängt.

   Auf dem Mobile World Congress in Barcelona tritt dieses Thema nur zu scharf in den Vordergrund. Telekom-Manager sprechen über ihre Bedenken hinsichtlich der Netzneutralität hinter verschlossenen Türen und machen ihrem Ärger Luft.

   Ansonsten präsentiert sich auf der Messe das Silicon Valley mit all seinem Glanz. Eines der am meisten erwarteten Ereignisse ist der Auftritt von Facebook-Gründer und Chef Mark Zuckerberg. Just vergangene Woche blätterte der Technologie-Star rund 19 Milliarden US-Dollar für das Start-up WhatsApp hin. Das entspricht dem Marktwert der niederländischen Telekommunikationsfirma KPN.

   Ein zentrales Thema beim Streit um Netzneutralität ist die Linie zwischen dem allgemein angelegten Internet und privaten Zusatzdienstleistungen, die Telekomkonzerne extra anbieten. Diese pochen darauf: Für ihre Infrastruktur müssten sie bei hochwertigeren Dienstleistungen wie Qualitätsvideos auch mehr von Technologie- oder Medienfirmen kassieren dürfen. Eine solche Gangart würde andere Anbieter nicht blockieren. Die Telekomfirmen hätten keinerlei Interesse daran, Internetsurfer von Inhalten auszuschließen, die sie gerne sehen würden.

   Die Tech-Konzerne und Interessensverbände warnen dagegen vor einer Zwei-Klassen-Gesellschaft im Internet. Eine Variante läuft mit einem Aufschlag schnell und reibungslos, die andere funktioniert dagegen quälend langsam, da die Betreiber der Webseiten nicht zusätzlich Geld hinlegen wollen oder können.

   Einiges ist davon heute schon an der Tagesordnung. "Skype und andere Online-Apps experimentieren bereits seit einiger Zeit mit willkürlichen Auflagen für die Nutzung", berichtet Direktor Jean-Jacques Sahel von Microsoft. Dem Konzern von Gründer Bill Gates gehört die Video-Chat-App. "Um diese schlechten Praktiken zu stoppen und zu verhindern, dass das Internet zu einem Schleichpfad verkommt, brauchen wir klare Regeln." Die Netflix Inc zahlt seit neuestem der Kabelfirma Comcast Corp Geld für schnellere Datenübertragung ihrer Inhalte. Netflix kann sich jetzt direkt mit dem Netzwerk von Comcast verbinden, statt den Umweg über Dritte zu wählen.

   Das mobile Internet wird in der aktuellen Auseinandersetzung immer mehr zum Zankapfel. In den USA gelten die Regeln zur Netzneutralität für Mobilfunkbetreiber weitgehend nicht, da die Bandbreiten relativ gering und die Netzwerke ziemlich fragil sind. Aber das mobile Internet wird immer wichtiger. Die EU-Regeln würden nicht zwischen mobilem und stationärem Internet unterscheiden.

   Der Datenverkehr des Mobilfunks wächst exponenziell. Um mehr als 80 Prozent schoss er im vergangenen Jahr nach oben. Der Umfang war laut Cisco 18 Mal so groß wie das gesamte Internet im Jahr 2000. Bis 2018 dürfte der mobile Datenverkehr nochmals um den Faktor zehn zulegen.

   In Europa und den USA tasten sich die Telekommunikationsfirmen an neue Dienstleistungen heran. Sie versuchen dabei, die Bedenken zur Netzneutralität zu zerstreuen. In Deutschland bietet die Deutsche Telekom beispielsweise den Musikdienst Spotify für 10 Euro extra an. Die Nutzer zahlen einfach mit ihrer Telefonrechnung. Für diesen Dienst gilt die vor kurzem umgesetzte Datendrosselung dann nicht.

   Es geht aber auch andersherum. Die T-Mobile-USA-Tochter GoSmart kündigte vergangenes Jahr Gratiszugang zu Facebook an. Für die Datenübertragung müsse nicht gezahlt werden. Die Dienstleistung dürfte entsprechend langsam laufen. Trotz der momentanen Scharmützel rechnen Branchenbeobachter über kurz oder lang mit einem Internet der zwei Geschwindigkeiten. Im gleichen Umfang dürften nämlich die Kapazitätssorgen zunehmen.

   Kontakt zu den Autoren: unternehmen.de@dowjones.com

   Mitarbeit: Thomas Gryta und Frances Robinson.

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   February 24, 2014 05:13 ET (10:13 GMT)

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