12.02.2014 15:33:31

Tauziehen um EZB-Staatsanleihekäufe geht weiter

   Von Hans Bentzien

   FRANKFURT--Der Streit über mögliche groß angelegte Staatsanleihekäufe der Europäischen Zentralbank (EZB) geht weiter. Das Münchener ifo Institut stellte am Mittwoch eine Studie vor, laut der Outright Monetary Transactions (OMT) gar nicht die erwünschte Wirkung auf die Kreditzinsen von Krisenländern haben, beziehungsweise einen sehr großen Mitteleinsatz erfordern würden.

   EZB-Direktor Benoit Coeure bekräftigte in einen Reuters-Interview, dass die EZB trotz des aktuellen Rechtsstreits an der Möglichkeit unbegrenzter Staatsanleihekäufe festhält. Ökonomen und Juristen spekulieren unterdessen darüber, wie der Europäische Gerichtshof (EuGH) über die Rechtmäßigkeit des OMT-Beschlusses urteilen und wie das Bundesverfassungsgericht mit dem EuGH-Urteil umgehen wird.

   Der OMT-Beschluss der EZB hat die Staatsanleiherenditen südeuropäischer Länder deutlich sinken lassen und die aktuelle laufende Konjunkturerholung erst ermöglicht. Gleichwohl verstummte die Kritik an dem Programm vor allem in Deutschland nie ganz.

   Das ifo-Institut, das die Rechtmäßigkeit des OMT-Beschlusses von jeher anzweifelt, versucht nun auch Zweifel an der Wirksamkeit groß angelegter Staatsanleihekäufe zu sähen. "Das OMT-Programm der EZB, sofern es denn zur Anwendung kommen sollte, scheint kaum in der Lage zu sein, sein offizielles Ziel, die Wiederherstellung des geldpolitischen Transmissionsmechanismus in der Eurozone, zu erreichen", heißt es in einer Pressemitteilung.

   Die EZB will, dass Leitzinssenkungen bei allen Unternehmen in allen Ländern zu niedrigeren Kreditzinsen führen. Das klappt seit einiger Zeit zumindest in Südeuropa nicht durchgängig, weshalb sie von einer Störung des Transmissionsmechanismus spricht. Sie will deshalb im Notfall unbegrenzt Staatsanleihen von Ländern kaufen, deren Staatsanleihezinsen aus Sicht der EZB überhöht sind, weil an den Finanzmärkten ein erzwungener Euro-Austritt des Landes eingepreist wird.

   EZB-Staatsanleihekäufe, so die Idee, würden eine künstliche Nachfrage schaffen, der Preis der Papiere würde steigen, die Rendite spiegelbildlich sinken. Gleiches würde mit gewisser Verzögerung auch bei Unternehmensanleihen und -krediten passieren. Alleine die Zusage der EZB, im Notfall so zu handeln, hat die beabsichtigt Wirkung entfaltet.

   Das ifo-Institut sagt nun: "Die Ergebnisse der Studie deuten darauf hin, dass sich die für den Erfolg des OMT-Programms notwendige Voraussetzung, d.h. ein enger Zusammenhang zwischen Kreditzinsen und Staatsanleihezinsen, empirisch nicht bestätigen lässt."

   Simulationen von Offenmarktkäufen im Rahmen des OMT-Programms zeigten zwar, dass die Kreditzinsen in den Krisenländern nachhaltig zurückgeführt werden könnten. "Allerdings würde dies kontinuierliche und massive Interventionen der EZB voraussetzen, da die zur Beseitigung der Störungen der geldpolitischen Transmission notwendige Senkung der Kreditzinsen äußerst träge verläuft." Laut ifo lassen "vorsichtige Schätzungen" vermuten, dass die EZB über einen Zeitraum von zwei Jahren Offenmarktkäufe in Höhe von bis zu 250 Milliarden Euro vornehmen müsste.

   Das Bundesverfassungsgericht lehnt unbegrenzte Staatsanleihekäufe der EZB ab, weil diese wegen des Risikos von Forderungsausfällen die Budgethoheit des Deutschen Bundestags unterlaufen würden. Außerdem betrachtet es den OMT-Beschluss als Schritt zur monetären Staatsfinanzierung und daher als einen Verstoß gegen europäisches Recht.

   Allerdings haben die Karlsruher Richter den EuGH um ein Urteil zu der Frage gebeten, ob die EZB mit ihrem OMT-Beschluss europäisches Recht verletzt. Und die meisten Beobachter erwarten, dass der EuGH diese Frage verneinen wird. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich der EuGH zum Erfüllungsgehilfen des Bundesverfassungsgerichts machen lässt", sagt Michael Heise, Chefvolkswirt des Versicherers Allianz.

   Aber was fängt das Bundesverfassungsgericht mit so einem Urteil an? Stefan Kadelbach, Professor für Öffentliches Recht und Europarecht an der Universität Frankfurt, verweist darauf, dass das Verfassungsgericht dem EuGH ja Hinweise dafür gegeben hat, wie eine Übereinstimmung mit EU-Recht aus seiner Sicht hergestellt werden könnte - eine Absage an unbegrenzte Käufe und ein Schutz der EZB vor Schuldenschnitten. "Das Bundesverfassungsgericht könnte diese Bedingungen in seinem Endurteil wiederholen. Die Bundesbank wäre dann verpflichtet, am OMT nur noch in dieser Form mitzuwirken", sagt Kadelbach.

   Andere Juristen sind anderer Meinung. Zum Beispiel der Londoner Europarechtler Gunnar Beck, ein scharfer OMT-Kritiker, der sagt: "Rechtlich bleibt dem Bundesverfassungsgericht jetzt keine Möglichkeit mehr. Wenn man dem EuGH eine Frage vorlegt, dann ist man an dessen Antwort gebunden."

   Vorerst ist eine Aktivierung des OMT ohnehin unwahrscheinlich: Zum einen, weil sich die EZB nach Einschätzung vieler Experten angesichts des offenen Streits nicht trauen wird. Zum anderen, weil es nicht notwendig ist. EZB-Direktor Coeure sagte der Nachrichtenagentur Reuters, dies sei "extrem unwahrscheinlich". An der Rechtmäßigkeit des OMT hat der Franzose keine Zweifel: "Es kann jederzeit eingesetzt werden", sagte er.

   Kontakt zum Autor: hans.bentzien@wsj.com

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