26.04.2016 12:25:48
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Spitzenökonom gegen Zinserhöhungen aus Stabilitätsgründen
Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)-- Ein schwedischer Spitzenökonom hat sich gegen vorbeugende Leitzinserhöhungen durch Zentralbanken aus Gründen der Finanzstabilität ausgesprochen. Statt einer solchen Geldpolitik des "Leaning against the wind" in Aufschwungphasen sollten die Behörden lieber mit makroprudenziellen Maßnahmen, wie höheren Eigenkapitalanforderungen, reagieren, sagte Lars Svensson, Professor an der Stockholm School of Economics, bei der ersten gemeinsamen makroprudenziellen Konferenz von EZB und Internationalem Währungsfonds (IWF) in Frankfurt.
Svensson, der weltweit zu den einflussreichsten Ökonomen zählt, unter anderem wegen seiner Arbeiten zu Inflationszielen, sagte: "Es ist eine Illusion, zu glauben, dass Geldpolitik für Finanzstabilität sorgen kann. Es gibt keine Alternative zu makroprudenzieller Politik." Das wichtigste Instrument makroprudenzieller Politik sind Eigenkapitalanforderungen an Banken.
Svensson wies auf eine IWF-Studie hin, der zufolge 80 Prozent der seit 1970 eingetretenen Bankenkrisen ausgefallen wären, wenn die Banken über 20 Prozent Eigenkapital verfügt hätten.
Risiken für das Finanzsystem mindern Als makroprudenzielle Politik dient dem Ziel, Risiken für das Finanzsystem zu mindern. Sie ergänzt damit die mikroprudenzielle Überwachung einzelner Banken und sonstiger Finanzinstitutionen. Im Rahmen der makroprudenziellen Aufsicht können die Aufsichtsbehörden Warnungen vor Risiken und Fehlentwicklungen kommunizieren und zugleich Handlungsoptionen zur Gefahrenabwehr aufzeigen. Dazu gehören auch Kapitalzuschläge.
Sein Heimatland Schweden hat Svensson dabei sowohl als warnendes Beispiel als auch als Vorbild vor Augen. Einerseits betrieb die Riksbank zwischen 2010 und 2014 "Leaning against the wind", andererseits müssen die Banken inzwischen sehr hohe Eigenakpitalanforderungen erfüllen, das klassische Instrument makroprudenzieller Politik.
2010, nach dem Ende der Großen Rezession, machte sich die Riksbank große Sorgen über die hohe Verschuldung der schwedischen Haushalte. Obwohl sie für die kommenden Jahre anhaltend niedrige Inflationsraten und hohe Arbeitslosenquoten prognostizierte, hob die Riksbank ihre Zinsen von 0,25 auf 2,00 Prozent im Folgejahr an. Diese aggressive Politik war also geldpolitisch unbegründet. Und sie führte später zu noch höherer Arbeitslosigkeit und noch schwächerer Inflation, wie der Ökonom anmerkte.
Svensson zeigte, dass sich die US-Notenbank bei nahezu identischen Rahmenbedingungen genau umgekehrt verhielt. "Ich glaube, dass es gut war, dass diese Politik im kleinen Schweden ausprobiert wurde und nicht in den USA", sagte er.
Derzeit befindet sich Schweden allerdings in einer Situation, die von hohem Wirtschaftswachstum, niedriger Inflation, Nullzinsen und schnell steigenden Immobilienpreisen gekennzeichnet ist.
Eigenkapitalausstattung schwedischer Banken außerordentlich hoch Andererseits ist die Eigenkapitalausstattung schwedischer Banken außerordentlich hoch. Sie liegt bei 22 Prozent der risikogewichteten Aktiva, gemessen am harten Kernkapital (CET1) sind es immer noch 17 Prozent. Zum Vergleich: Banken der Eurozone müssen bis 2018 eine CET1-Quote von 8 Prozent erreichen. Hinzu kommen allerdings noch Zuschläge für systemisch wichtige Banken, Kapitalerhaltungs- und antizyklische Puffer.
Svenssons These kann durchaus als Bestätigung der aktuellen Politik der Europäischen Zentralbank (EZB) aufgefasst werden. Die EZB wird teilweise heftig wegen möglicher Nebenwirkungen ihrer sehr lockeren Geldpolitik angegriffen, die sie wegen der sehr niedrigen Inflation und des schwachen Wachstums beitreibt.
EZB-Offizielle weisen Vorwürfe wegen vermuteter oder möglicher künftiger Preisblasen an Immobilienmärkten regelmäßig mit dem Hinweis zurück, dass hierfür die nationalen Behörden mit ihren makroprudenziellen Instrumenten zuständig seien. In Deutschland wäre das die Deutsche Bundesbank, die sich tatsächlich immer häufiger besorgt über Preissteigerungen in bestimmten Marktsegmenten äußert.
Es ist also nicht ausgeschlossen, dass die Bundesbank irgendwann von den Banken fordert, für Hypothekenkredite mehr Eigenkapital zurückzulegen, um so den Preisanstieg an den Immobilienmärkten zu bremsen. Gleichzeitig könnte die EZB ihre Geldpolitik weiter lockern.
Kontakt zum Autor: hans.bentzien@dowjones.com
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April 26, 2016 06:21 ET (10:21 GMT)
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