02.07.2014 15:40:32
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Schäubles schwarze Null für 2015 - noch kein Selbstgänger
Von Andreas Kißler
BERLIN--Wolfgang Schäuble will im kommenden Jahr mit aller Macht die schwarze Null im deutschen Bundeshaushalt erreichen, und jetzt hat der CDU-Politiker seinen Plan dafür vorgelegt. Schäuble wäre der erste Finanzminister seit Franz Josef Strauß im Jahr 1969, dem dieses offenbare Kunststück gelänge. Doch während die Regierung so tut, als wäre der tatsächliche Budgetausgleich schon geschafft, bleiben in Wirklichkeit noch Risiken.
Schäubles Plan hat das Kabinett am Mittwoch abgenickt - doch das war die geringste Hürde, die die Planungen zu überwinden hatten. Niemand zweifelt auch daran, dass der Bundestag dem Zahlenwerk zustimmen wird, vielleicht mit einigen Änderungen an einzelnen Posten. Doch fest steht: Damit ist der Budgetausgleich noch nicht erreicht. Schon für 2014 musste Schäuble tief in die Trickkiste greifen, um seine eigenen Pläne nicht zu reißen - und ganz ohne Tricks wird es der 71-jährige CDU-Veteran auch 2015 nicht schaffen.
Worauf es ankommt, ist nämlich der Haushaltsvollzug im kommenden Jahr, und nicht die Planung. Die Experten warnen aber schon: Nur wenn die derzeit herrschenden Bedingungen bei Zinsen und Wirtschaftswachstum sich 2015 ungebremst fortsetzen, kann die schwarze Budgetnull sicher Wirklichkeit werden.
"Die Steuereinnahmen werden nicht immer so toll sprudeln, und die Zinsausgaben sind extrem niedrig", sagte der Konjunkturchef des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Joachim Scheide. "Das wird nicht auf Dauer so sein." Die Konjunktur könne sich durchaus wieder abschwächen. "Hier schlummert ein bisschen das Risiko." Scheide forderte, das Budget nicht nur auszugleichen, sondern Überschüsse zu erwirtschaften.
Ferdinand Fichtner, der Leiter der Abteilung Konjunkturpolitik beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), meinte zwar, der Haushaltsplan für 2015 sei "alles in allem solide" gerechnet. "Aber natürlich gibt es Risiken", betonte auch er. So sei die Krise im Euroraum ein relevantes Risiko, das die Konjunktur und damit auch die Steuereinnahmen verschlechtern könne. Andererseits könne auch eine zu schnelle Stabilisierung nach der Krise "tendenziell dazu führen, dass die Zinsbelastung für den Haushalt steigt".
Risiken gibt es viele, sagen nicht nur die Volkswirte. Schon lange stehen Warnungen vor einer neuen Blase etwa bei den deutschen Immobilienpreisen im Raum, die sich Schäuble selbst erst jüngst zu eigen gemacht hat. Die Situation in der Ukraine kann jederzeit wieder eskalieren und zu einem internationalen Konflikt und damit zu einer Eintrübung der Konjunktur führen, für die die im Raum stehenden Wirtschaftssanktionen Gift wären. Und welchen Flächenbrand eine Eskalation des Konflikts mit den Gotteskriegern im Irak auslösen könnte, vermag niemand abzuschätzen.
Doch vor der Presse spielte Schäuble mögliche Gefahren für sein Budgetwerk am Mittwoch in Berlin demonstrativ herunter. "Wir sind in diesem Haushalt wie immer in unseren Schätzungen vorsichtig", erklärte der Finanzminister, "sodass wir auch im normalen Umfang auf etwaige Krisen oder Schwächen vorbereitet sind."
Jedoch wird der Finanzminister 2015 deutlich weniger Möglichkeiten haben, um negativen Entwicklungen gegenzusteuern, als in vergangenen Jahren. In denen profitierte er oft von der guten Konjunkturentwicklung, um am Ende weniger Schulden aufnehmen zu können als ursprünglich gedacht. Doch diesmal hat Schäuble die Marge schon weitgehend verplant, um den Haushaltsausgleich zu erzwingen.
Nur mit einigen Kunstgriffen konnte der Finanzminister den Plan halten, den Haushalt 2014 wenigstens "strukturell" auszugleichen - ohne Konjunktur- und Einmalposten. Als zum Ende der Beratungen ein Finanzloch von 3,5 Milliarden Euro auftauchte, reduzierte die Koalition kurzerhand die geplanten Zinsausgaben um 1,2 Milliarden Euro und erhöhte gegen den Rat ihrer Steuerschätzer die zu erwartenden Steuereinnahmen um 600 Millionen Euro. Für beides gab es keinen Anlass, der eine solch massive Korrektur quasi über Nacht gerechtfertigt hätte. Die Koalition hatte aber schlicht keine andere Möglichkeit mehr.
Nun lassen die Zahlen nur noch Flexibilität in eine Richtung zu: Steigen die Zinsen wieder, oder kommt es gar zu einer Eintrübung der deutschen Konjunkturentwicklung, sinken die Chancen auf die schwarze Null erheblich. Schäuble muss das wissen, und aus seinem Ministerium wird bereits gewarnt, der Budgetausgleich 2015 sei "noch kein Selbstläufer".
Und während die Große Koalition über den Budgetausgleich frohlockte, wurden Schäubles Pläne außerhalb der Regierungskoalition hart kritisiert. "Der Bundeshaushalt basiert im Wesentlichen auf dem Prinzip Hoffnung", monierte FDP-Präsidiumsmitglied Volker Wissing. Sollten die Zinssätze für deutsche Anleihen steigen oder sich gar die Konjunktur eintrüben, werde sich der Bundeshaushalt als "eine Ansammlung von Luftnummern" entpuppen.
Die Grünen kritisierten zudem, Schäubles schaffe die schwarze Null nur mit einem "Griff in die Sozialkassen". Denn um seine Budgetplanungen auf Kurs zu halten, schloss der Finanzminister nicht nur die Haushaltslücke durch die Senkung der Zinskosten und Erhöhung der Steuereinnahmen. Der Finanzminister kürzte unter anderem auch die vereinbarten Zahlungen an das deutsche Gesundheitssystem, um im nächsten Jahr einen Haushalt ohne neue Schulden vorlegen zu können.
Schäuble selbst wird nicht müde zu betonen, wie sehr er Deutschland mit seiner Budgetpolitik in der führenden Rolle in Europa sieht. "Es ist nicht nur ein Zufall, sondern es hat seinen Zusammenhang, dass wir in Europa nicht nur Stabilitätsanker, sondern auch Wachstumslokomotive sind", konstatierte er vergangene Woche im Bundestag. Auch die SPD bekennt sich ohne Wenn und Aber zu Schäubles schwarzer Null. "Für uns ist das ein zentrales Element im Hinblick auf die Zukunftsfähigkeit unseres Landes", bekannte Budgetsprecher Johannes Kahrs, "ein Haushalt ohne neue Schulden".
Die Opposition allerdings spricht Schäuble und seinen Budgetplanungen genau diese Zukunftsfähigkeit ab. "Sie biegen sich alles zurecht, wie Sie es gerade brauchen", rügte der Grünen-Budgetexperte Sven-Christian Kindler den Finanzminister. Schäuble wette auf die gute Konjunktur und niedrige Zinsen. Der für 2015 geplante Ausgleich werde aber keineswegs nachhaltig finanziert, weil Lasten auf die Zeit nach 2018 verschoben würden.
Der 29-jährige Kindler warnte Schäuble deshalb: "So wird das nichts mit der dauerhaften Konsolidierung des Haushalts." Dem Veteranen Schäuble bleibt die Hoffnung, dass sich der junge Grüne da irrt.
Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com
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