17.09.2014 17:28:30
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Schäuble will bei G-20 für mehr private Investitionen werben
Von Andreas Kißler
BERLIN--Deutschland will beim Finanzministertreffen der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer der Welt (G-20) am Wochenende in Australien dafür werben, den derzeitigen Investitionsstau mit Geldern der Privatwirtschaft zu lösen. "Im Mittelpunkt des G-20-Treffens wird die Frage stehen, wie wir das weltweite Wachstum stärken können", sagte der Sprecher von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), Martin Jäger.
Bei der Tagung in Cairns im Nordosten Australiens, an der auch die Notenbankgouverneure der G-20 teilnehmen, sollen außerdem Maßnahmen diskutiert werden, um schädlichen Steuerpraktiken von Großkonzernen künftig einen Riegel vorzuschieben. Zudem soll es um das Thema Schattenbanken gehen.
Schäuble hat seinen EU-Amtskollegen gemeinsam mit Frankreichs Finanzminister Michel Sapin erst am vergangenen Wochenende Vorschläge zur Wachstumsstärkung gemacht. Beide sehen den Schlüssel in einer Stärkung der privaten Investitionen, die in der Krise eingebrochen sind.
Ziel ist es laut Bundesfinanzministerium, "ein attraktives Umfeld zu schaffen für private Investoren", sodass diese ihr Geld wieder in Europa anlegen. Schäuble und Sapin sprachen sich dazu unter anderem für eine Wiederbelebung von Kreditverbriefungen aus. Zusätzliche Ausgabenprogramme wurden hingegen abgelehnt.
Ökonomen stellen derzeit reihenweise schlechtere Wirtschaftsprognosen für Deutschland und Europa. Erst am Mittwoch senkten die Chefvolkswirte der führenden privaten Banken ihre deutsche Konjunkturprognose für 2014 auf 1,5 Prozent und für 2015 auf 1,6 Prozent. Schuld daran sind nach ihrer Ansicht die internationalen Krisen, aber auch Wachstumsschwächen in anderen Ländern der Eurozone und weltweit.
Nach deutscher Überzeugung seien die Umsetzung von Strukturreformen, die Schaffung von Vertrauen durch konsolidierte Haushalte und mehr Investitionen zentrale Punkte zur Wachstumsstärkung, betonte Jäger.
Besonders Investitionen in die Infrastruktur seien der Schlüssel für nachhaltiges Wachstum, "und wir brauchen hierfür vor allem private Investitionen", sagte Jäger. Dafür müssten geeignete Projekte identifiziert und Wege gefunden werden, um "auf intelligente Weise" privates Kapital zu mobilisieren. "Für diesen Ansatz werden wir auch in Cairns werben", kündigte er an.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) plädierte bereits Anfang September bei einem Treffen mit Vertretern von Unternehmen und Gewerkschaften für mehr private Investitionen und betonte, allein mit öffentlichen Investitionen seien die Aufgaben nicht zu bewältigen.
Um marode Brücken, Autobahnen oder andere Infrastruktur zu sanieren, könnte nach den Vorstellungen der Bundesregierung künftig unter anderem die Versicherungswirtschaft eine Rolle bei der Bereitstellung von Kapital spielen. Wirtschaftsminister und Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) hat bereits einen Beirat mit den Spitzen der deutschen Finanzindustrie einberufen, der bis zum kommenden Frühjahr ergründen soll, welche Möglichkeiten dafür bestehen.
Deutschland wird sich bei der Diskussion in Australien allerdings den Vorwürfen anderer G-20-Staaten gegenübersehen. Viele von ihnen kritisieren seit langem, Merkel und ihr Finanzminister Schäuble blockierten dringend nötige Investitionen, weil sie zu sehr auf eine Politik der Budgetsanierung setzten.
Doch Schäuble will solche Vorhaltungen in Cairns kontern, kündigte sein Sprecher bereits an. "Vorwürfe an Deutschland, wir würden zu wenig investieren, gehen ins Leere", meinte Jäger und erklärte, die Regierung in Berlin investiere ganz im Gegenteil in erheblichem Umfang. "Das wird der Bundesfinanzminister beim G-20-Treffen auch gegenüber unseren internationalen Partnern deutlich machen."
Zur Bekämpfung der legalen Steuerflucht von Großkonzernen wollen die Politiker bei dem Treffen einen ersten Beschluss fassen. Ziel soll es aus deutscher Sicht vor allem sein, dass die Konzerne künftig dort angemessen versteuern, wo sie gute Geschäfte machen. In Cairns sollen dazu jüngste Empfehlungen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) im Zentrum stehen.
OECD und G-20 haben im Juli des vergangenen Jahres in einem Plan gegen dieses Base Erosion and Profit Shifting (BEPS) 15 Aktionsfelder festgelegt, mit denen sie gegen die Gewinnkürzungen und -verlagerungen multinational tätiger Unternehmen vorgehen wollen. Ende 2015 soll dazu ein Maßnahmenkatalog stehen.
Knapp die Hälfte der Maßnahmen ist von den Experten ausverhandelt und soll von den Finanzministern finalisiert werden. Zu den Aufgabenfeldern zählen die Besteuerung der digitalen Wirtschaft sowie die Verhinderung einer "doppelten Nichtbesteuerung" bei hybriden Gestaltungen, mit denen die Konzerne Unterschiede in der steuerlichen Behandlung zwischen Ländern ausnutzen.
Zur Regulierung von Schattenbanken hatten die G-20 bei ihrem Gipfel im vergangenen September in St. Petersburg einen Plan verabredet. "Die Bundesregierung fühlt sich dieser 'Roadmap' weiterhin verpflichtet und wird sich dafür einsetzen, diese 'Roadmap' umzusetzen", betonte Jäger. Es geht dabei um eine Beaufsichtigung von Finanzmarktakteuren, die bankähnliche Funktionen wahrnehmen, aber keine Banken sind. Kanzlerin Merkel hat wiederholt beklagt, die internationale Staatengemeinschaft komme bei der Regulierung dieser Akteure zu langsam voran.
Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com
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September 17, 2014 11:20 ET (15:20 GMT)
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