18.03.2014 15:15:31
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Schäuble sieht durch ESM-Urteil Vertrauen gestärkt
Von Andreas Kißler
BERLIN--Die Berliner Regierungspolitik hat mit Erleichterung auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Euro-Rettungsschirm ESM reagiert und fühlt sich dadurch in ihrem Handeln in der Euro-Krise bestätigt.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sieht durch den Spruch der Karlsruher Richter eine Vertrauensstärkung. Bundestagspräsident Norbert Lammert (ebenfalls CDU) erklärte, das Verfassungsgericht erhöhe den politischen Einschätzungsspielraum des Bundestages. Die Entscheidung schaffe Rechtssicherheit, lobte SPD-Fraktionsvize Carsten Schneider. Analysten zeigten sich indes wenig überrascht von dem Urteilsspruch.
Die Verfassungsrichter wiesen die Beschwerden mehrerer Kläger gegen den dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM endgültig ab. Damit darf sich Deutschland weiterhin in vollem Umfang am Europäischen Rettungsmechanismus beteiligen.
"Trotz der eingegangenen Verpflichtungen bleibt die Haushaltsautonomie des Deutschen Bundestags hinreichend gewahrt", sagte Verfassungsgerichtspräsident Andreas Voßkuhle. Mit ihrem Urteil bekräftigten die Karlsruher Richter ihre Eilentscheidung vom September 2012, bei dem sie den permanenten Rettungsschirm ESM für grundsätzlich zulässig gehalten hatten.
Die Richter gaben Regierung und Bundestag allerdings vor, im Haushalt im voraus Mittel für absehbare Zahlungsverpflichtungen aus dem ESM einzustellen. Voßkuhle forderte die Politik auf sicherzustellen, dass künftige Kapitalabrufe fristgemäß erfüllt werden könnten. So soll eine Aussetzung des deutschen Stimmrechts in den entsprechenden Gremien unmöglich gemacht werden, die bei einem Zahlungsverzug drohen würde.
Das Finanzministerium betonte, das Verfassungsgericht habe die von der Bundesregierung im Verfahren vertretene Auffassung "vollumfänglich bestätigt". Die umfassenden Beteiligungsrechte des Bundestags stellten sicher, dass Entscheidungen zur Stabilität des Euro demokratisch legitimiert seien.
"Das Bundesverfassungsgericht hat unseren Kurs, die Stabilität der Währung zu sichern, als verfassungsgemäß bestätigt. Der Europäische Stabilitätsmechanismus und der Fiskalvertrag stehen in Einklang mit dem Grundgesetz", erklärte Schäuble. "Das stärkt Glaubwürdigkeit und schafft Vertrauen." Unions-Budgetexperte Norbert Barthle betonte, die Antragsteller seien "auf ganzer Linie damit gescheitert, die Ratifizierung von Fiskalvertrag und ESM in Deutschland verhindern".
Bundestagspräsident Lammert sah in der Entscheidung eine Bestätigung der Budgethoheit des Gesetzgebers bei allen Entscheidungen zum ESM. "Das Gericht stellt klar, dass die Haushaltsautonomie des Parlaments hinreichend gewahrt ist", sagte er. "Mit der Abweisung der Klagen gegen den ESM und den Fiskalvertrag betont und stärkt das Bundesverfassungsgericht den politischen Einschätzungsspielraum des Bundestages gerade auch bei Maßnahmen der Euro-Rettung."
Nach Ansicht von SPD-Fraktionsvize Schneider schafft die Entscheidung der Karlsruher Richter "Rechtssicherheit für die Vertiefung der Europäischen Union und die Festigung der Eurozone". Auf dem Weg zu einer Fiskalunion fehlten allerdings noch zentrale Bausteine, mahnte er. Auch in der Steuerpolitik sei in Europa eine stärkere Vergemeinschaftung nötig. Dazu gehöre auch die Einführung einer Finanztransaktionssteuer.
Beifall kam auch von FDP-Präsidiumsmitglied Alexander Graf Lambsdorff. "Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts macht deutlich, dass der ESM auf soliden demokratischen und rechtlichen Säulen gebaut wurde", erklärte er. Fiskalpakt und ESM seien wichtige Bausteine für die Stabilität des Euro, denn durch die Kopplung beider Verträge bekämen die Mitgliedstaaten erst Hilfen, wenn sie ihren Haushalt unter strengen Auflagen sanierten.
Analysten sagten, sie hätten das Karlsruher Urteil so erwartet. "Insgesamt kommt das heutige Urteil nicht überraschend und schränkt die Handlungsfähigkeit des ESM wie erwartet nicht ein", erklärte Stefan Kipar von BayernLB Research.
"Das Urteil ist nicht überraschend", erklärte auch Bert Van Roosebeke vom Centrum für Europäische Politik. Müsste der ESM aufgestockt werden, sähe das Verfassungsgericht auch kein Probleme darin, "dass der Bundestag weitere Verpflichtungen, weitere Garantien abgeben könnte über die 190 Milliarden hinaus", meinte er.
Der Präsident des ifo Instituts, Hans-Werner Sinn, bedauerte die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. "Das Gericht setzt die Latte für eine Verfassungswidrigkeit zu hoch an", erklärte er. "Sie wird erst dann angenommen, wenn das Haushaltsrecht des Bundestages vollständig leerläuft." Immerhin müsse das Finanzministerium nun aber Einzahlungen in den ESM vorab in den Haushalt einstellen und dürfe dies nicht im Jahresverlauf per Nachtrags- oder Nothaushalt regeln.
Die deutschen Banken begrüßten das Urteil hingegen. "Das Bundesverfassungsgericht hat mit seiner heutigen Entscheidung letzte Zweifel an der Vereinbarkeit des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) mit dem Grundgesetz ausgeräumt", erklärte Michael Kemmer, der Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes. Die Entscheidung unterstreiche aber auch die besondere Verantwortung des Bundestages bei weit reichenden haushaltspolitischen Entscheidungen. "Klar ist nach der Entscheidung somit auch: Der ESM darf kein Fass ohne Boden sein."
Im September 2012, als die Karlsruher Richter zuerst über den ESM urteilten, steuerte die Euro-Schuldenkrise auf ihren vorläufigen Höhepunkt zu. Mit einem gigantischen Rettungsschirm im Volumen von 700 Milliarden Euro wollten die Euroländer damals verhindern, dass ein Flächenbrand entsteht, der auch große Länder der Eurozone wie Italien oder Spanien ins Trudeln bringt. Allein Deutschland ist an diesem Rettungsschirm mit maximal 190 Milliarden Euro beteiligt.
Zu den Klägern, über deren Anträge das Gericht am Dienstag insgesamt befand, zählen eine Initiative von über 37.000 Bürgern, die Linken-Fraktion, aber auch der gegenüber der CSU-Parteivize Peter Gauweiler, der gegenüber der Euro-Rettungspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) skeptisch ist. Einen Teil des Verfahrens, der sich auf das Anleihekaufprogramm der Europäischen Zentralbank (EZB) bezieht, haben die Karlsruher Richter im Januar an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) weitergereicht.
Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com
(Mitarbeit: Klaus Brune und Andrea Thomas)
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March 18, 2014 10:09 ET (14:09 GMT)
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