28.08.2013 19:35:00
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S&P will Ratings für Öffentlichkeit nachvollziehbarer machen
"Das Einzige was wir produzieren sind Meinungen", betonte Hinrichs. "Wenn unsere Meinungen nicht mehr wahrgenommen werden am Markt, haben wir keinen Geschäftsgegenstand mehr." Die weitläufige Kritik an der Intransparenz von Ratingagenturen wies Hinrichs energisch zurück. "Wir sind keine Black-Box." Alle Ratingkriterien zur Bewertung der Kreditwürdigkeit von Staaten und Firmen seien öffentlich im Internet abrufbar.
Als "absolut gut" begrüßte der S&P-Deutschland-Chef die neu eingeführten Ratingagentur-Regulierungen zu Compliance. Diese hätten bereits vorhandene Regeln kodifiziert. Diese hätten S&P "stabiler und sauberer gemacht". "Absolut keinen Sinn" macht für Hinrichs die Rotation von Ratingagenturen. Die Investoren würden sich Kontinuität bei den Ratings erwarten und Vergleichbarkeit über Veranlagungsklassen und Kontinente.
Für die Chefin der Österreichischen Bundesfinanzierungsagentur (ÖBFA), Martha Oberndorfer, würde bei einem Wechsel der Agentur jedes Jahr viel an Informationswert verloren gehen. "Der Markt möchte Kontinuität". Dadurch habe sich ein "klassisches Oligopol herausgebildet, dass vom Markt angenommen wird". Sie glaube nicht, dass mehr Komplexität ein besseres Resultat für Investoren liefere. Der Forderung nach mehr Pluralität am Ratingagenturmarkt kann sich Oberndorfer nicht komplett anschließen. Es wäre beispielsweise sehr aufwendig, wenn die Republik Gespräche mit 30 verschiedenen Ratingagenturen führen müsste.
Auch für Hinrichs ist der Agenturenmarkt ein Oligopol. "Vielleicht funktioniert es nicht anders." Neben S&P würden nur Moody's, Fitch und DBRS eine globale Präsenz anvisieren. Die vom früheren Roland-Berger-Partner Markus Krall als Stiftung anvisierte europäische Ratingagentur habe nicht einmal 30 Mio. Euro, anstatt der geplanten 300 Mio. Euro von Investoren zusammenbekommen. "Es hätte mich gefreut, wenn er es geschäfft hätte", so Hinrichs. Das Stiftungsmodell wäre "sehr sexy" gewesen.
Der Schweizer Ökonom Manfred Gärtner von der Universität St. Gallen kritisierte die "Beliebigkeit" von Staatenratings, weil sie im Gegensatz zu Firmenrating nicht mit Insolvenzdaten arbeiten könnten und daher an nichts festmachbar seien. Laut einer von ihm im vergangenen Jahr publizierten Studie waren ungerechtfertigte Herabstufungen im Zeitraum 2009 bis 2011 die Hauptursache für die Schuldenkrise in Europa. Für die Ratingagenturen wäre für ihn ein Geschäftsmodell a la "Stiftung Warentest" die beste Lösung. Ratings sind für Gärtner nicht nur eine subjektive Meinung, sondern hätten auch objektiven Stellenwert.
Für den Leiter des neu gegründeten Thinktank Agenda Austria und früheren Wirtschaftsjournalisten Franz Schellhorn ist die Kritik an den Ratingagenturen oftmals zu pauschal. Das Thermometer habe wenig mit dem Fieber zu tun. "Die zerrütteten Staatsfinanzen sind das Problem Nummer 1." Bei den Ratingentscheidungen in der jüngeren Vergangenheit seien die Agenturen "zu spät gekommen und immer nur den Märkte nachgehinkt." Unverständnis äußerte Schellhorn am langjährigen Tripe-A-Rating der Republik Österreich. Im Jänner 2011 entzog S&P Österreich die Bestnote. In der Zweiten Republik - also seit 68 Jahren - habe es nur vier Überschüsse im Bundeshaushalt gegeben, erinnerte Schellhorn. "Schulden sind nicht per se schlecht." Was würden etwa Firmen ohne Verschuldung machen. Am Ratingagenturmarkt wünscht sich der Think-Tank-Leiter mehr Wettbewerb. "Jeder Marktteilnehmer, der dazukommt, ist gut und postiv."
(Schluss) cri/ggr/sp
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