14.10.2014 13:59:30
|
Deutsche Regierung senkt ihre Wachstumsprognosen deutlich
Von Andreas Kißler
BERLIN--Die deutsche Bundesregierung erwartet in diesem und im nächsten Jahr deutlich weniger Wachstum als bisher angenommen. Das Wirtschaftsministerium senkte die Prognose für dieses Jahr auf 1,2 Prozent und für nächstes auf 1,3 Prozent und ging damit für 2014 sogar noch unter die Annahme der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute.
"Die deutsche Wirtschaft befindet sich in einem außenwirtschaftlich schwierigen Fahrwasser", sagte Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD). Die geopolitischen Krisen hätten auch in Deutschland die Verunsicherung erhöht, und die nur moderate weltwirtschaftliche Entwicklung belaste die Konjunktur.
"Die binnenwirtschaftlichen Auftriebskräfte sind aber intakt", hob Gabriel hervor. Sobald sich das internationale Umfeld aufhelle, werde "auch die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen auf den globalen Märkten wieder zum Tragen kommen und die deutsche Wirtschaft im kommenden Jahr auf einen soliden Wachstumspfad zurückkehren", zeigte er sich überzeugt.
Bisher hatte die Regierung für 2014 einen Zuwachs des deutschen Bruttoinlandsproduktes (BIP) um 1,8 Prozent und für nächstes um 2,0 Prozent veranschlagt. Allerdings stammt diese Einschätzung aus dem April. Seitdem haben sich die Rahmenbedingungen für das deutsche Wachstum durch die Krisen in der Ukraine und dem Nahen Osten, aber auch durch eine schwächere Verfassung der Eurozone als erwartet und der gesamten Weltwirtschaft verschlechtert. Nachdem auch die führenden Wirtschaftsforscher ihre Prognose senkten, war der Schritt der Regierung erwartet worden.
Die Konjunkturskepsis erhielt erst am Dienstag neue Nahrung, als der vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) erhobene Index der Konjunkturerwartungen stärker sank als erwartet. Der Stimmungsindikator fiel im Oktober von plus 6,9 Punkten auf minus 3,6 und liegt damit das erste Mal seit November 2012 wieder im negativen Bereich. Die Börsianer haben damit den Daumen über die Wirtschaftsentwicklung in Deutschland gesenkt.
Gabriel zeichnete dennoch ein positives Bild der Basisdaten für die deutsche Wirtschaft. Ein weiterhin robuster Arbeitsmarkt bildet nach seiner Überzeugung die Grundlage für den weiter erwarteten binnenwirtschaftlichen Auftrieb. Die Regierung rechnet deshalb damit, dass die Konsumausgaben der privaten Haushalte dieses Jahr um 1,0 Prozent und nächstes Jahr um 1,4 Prozent "beschleunigt zunehmen" werden.
Die "zentrale Triebkraft" für die binnenwirtschaftliche Dynamik sieht die Regierung in einer guten Verfassung des Arbeitsmarkts. Sie ermögliche "ordentliche Lohnsteigerungen", was zusammen mit einer moderaten Preisniveauentwicklung zu einer steigenden realen Kaufkraft führe. Die Arbeitslosenzahl wird nach der Erwartung Berlins 2014 auf 2,91 Millionen und 2015 auf 2,89 Millionen Menschen sinken.
Weil für nächstes Jahr wieder ein leicht besseres weltwirtschaftliches Wachstum erwartet wird, sollen die deutschen Exporte 2015 mit einem Plus von 4,1 Prozent etwas stärker zulegen als dieses Jahr mit 3,4 Prozent. Aufgrund der robusten Inlandsnachfrage werden die Importe im Jahr 2014 aber nach der Erwartung der Regierung mit 4,0 Prozent und im Jahr 2015 mit 5,5 Prozent stärker zunehmen als die Exporte.
Allerdings rechnet das Wirtschaftsministerium nur mit einer "moderaten" Erhöhung der Ausrüstungsinvestitionen um 3,0 Prozent in diesem und 4,1 Prozent im kommenden Jahr. Gabriel mahnte deshalb ausdrücklich dazu, die Investitionen zu erhöhen. "Deutschland muss deutlich mehr in seine Infrastruktur investieren", sagte er. "Und die Rahmenbedingungen für private Investitionen müssen verbessert werden." Dazu gehörten ein verlässlicher Rahmen für den Umbau des Energiesystems und ein zügiger Ausbau der Breitbandversorgung.
Ökonomen haben bereits durchweg Abwärtsrevisionen für das deutsche Wachstum vorgenommen. Zuletzt senkten die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute ihre Prognose am vergangenen Donnerstag deutlich auf nur noch 1,3 Prozent in diesem und 1,2 Prozent im kommenden Jahr. Sie hatten im Frühjahr noch 1,9 Prozent Wachstum 2014 und 2,0 Prozent für 2015 veranschlagt. Die Regierung liegt mit ihrer Erwartung für dieses Jahr nun sogar noch leicht unter der der Wirtschaftsforscher.
Um Investitionen anzukurbeln, hatten Ökonomen der Institute offen die von der Regierung verfolgte Politik der schwarzen Null infrage gestellt, die sie als "Prestigeobjekt" kritisierten.
Die Herbstprojektion der Regierung bildet nach Angabe des Wirtschaftsministeriums einen "Orientierungsrahmen" für den Haushalt und die Grundlage für die nächste Steuerschätzung, die vom 4. bis zum 6. November in Wismar stattfindet.
(Mitarbeit: Christian Grimm)
Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com
DJG/ank/jhe
(END) Dow Jones Newswires
October 14, 2014 07:30 ET (11:30 GMT)
Copyright (c) 2014 Dow Jones & Company, Inc.- - 07 30 AM EDT 10-14-14
Wenn Sie mehr über das Thema Aktien erfahren wollen, finden Sie in unserem Ratgeber viele interessante Artikel dazu!
Jetzt informieren!