26.05.2014 06:45:30
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Rechtsextreme Parteien bei Europawahl im Aufwind
Von Gabriele Steinhauser
BRÜSSEL--EU-Gegner und rechtsextreme Parteien haben in mehreren Staaten die Europawahlen gewonnen - ein Ergebnis, das die Wut vieler Bürger über harsche Sparmaßnahmen widerspiegelt. Für die Institutionen in Brüssel, für nationale Regierungen und für etablierte Volksparteien erwies sich die Wahl als Schlag ins Gesicht.
In Frankreich und Dänemark erhielten die Anti-EU-Parteien laut vorläufigen Ergebnissen mehr als ein Viertel aller Stimmen und übertrafen damit sämtliche anderen Parteien. Auch in Griechenland schnitten die Rechtsextremen stark ab.
In Großbritannien war die Unabhängigkeitspartei, die für einen Austritt des Landes aus der EU ist, in der Nacht zum Montag auf bestem Weg, die meisten Stimmen zu holen.
Insgesamt werden gemäßigte und pro-europäische Parteien auch im neuen EU-Parlament noch die überwiegende Mehrheit aller Abgeordneten stellen. Aber euroskeptische Parlamentarier und EU-Gegner dürften künftig die Verabschiedung von Gesetzen auf EU-Ebene komplizierter machen. Das Europäische Parlement entscheidet neben den nationalen Regierungen über EU-Gesetze.
Laut vorläufigen Endergebnissen wird die konservative Europäische Volkspartei (EEP) 212 der 751 Sitze im Parlament besetzen - 62 weniger als im Jahr 2009. Dahinter folgen die Europäischen Sozialdemokraten mit 186 Abgeordneten. Im Jahr 2009 entfielen noch 196 Sitze auf die Roten.
Die marktnahe Allianz der Liberalen und Demokraten hat laut dem vorläufigem Endergebnis 70 Sitze erhalten, bei der Europawahl 2009 waren es noch 83. Die Grünen werden wohl 55 Abgeordnete nach Brüssel schicken, zwei weniger als im Jahr 2009.
Die Europäischen Parteibündnisse setzen sich aus gleichgesinnten nationalen Parteien zusammen. Einige nationale Parteien aber gehören keinem europäischen Bündnis an. Laut dem vorläufigen Ergebnis wird es im künftigen Europäischen Parlament etwa 107 parteilose Abgeordnete geben. Viele von ihnen sind EU-Gegner oder Euroskeptiker.
"Die souveränen Bürger haben erklärt, dass sie ihr Schicksal wieder in ihre Hand nehmen wollen", sagte die Chefin des französischen Front National, Marine Le Pen, triumphierend. "Unsere Bürger wollen nur eine Politik. Eine Politik von Franzosen für Franzosen."
Nach Jahren der Schuldenkrise gilt die Europawahl als entscheidender Stimmungstest. Sie dürfte anzeigen, wie stark die unpopulären Rettungspakete und Sparzwänge jenen Institutionen geschadet haben, die 500 Millionen Menschen und einen der größten Wirtschaftsräume der Welt regieren.
Viele Wähler machen die EU für harsche Ausgabenkürzungen und Wirtschaftsreformen verantwortlich, welche die Arbeitslosigkeit in der gesamten Union in die Höhe getrieben hat.
Das Wahlergebnis wird auch den Druck auf die nationalen Regierungen erhöhen, sich Befugnisse aus Brüssel zurückzuholen. Mit dem Erfolg vieler nationalistischer Parteien werden nationale Regierungen zudem die europäische Einwanderungspolitik und die Flüchtlingsströme innerhalb der einzelnen EU-Länder überdenken müssen.
In Frankreich kam es zu einem politischen Erdbeben. Dort gewann die rechtsextreme Partei Front National (FN) laut vorläufigem Endergebnis mit einem Anteil von mehr als 25 Prozent die Wahl. Die europa- und ausländerfeindliche Partei hängte die Konservativen von der UMP um mehr als vier Prozentpunkte ab und lag sogar mehr als zehn Prozentpunkte vor den regierenden Sozialisten von Präsident François Hollande.
Martin Schulz, der deutsche Parteichef der Europäischen Sozialdemokraten, sagte, proeuropäische Parteien müssten den Wahlsieg der FN in Frankreich ernst nehmen. "Der Grund ist nicht, dass die Leute Hardcore-Extremisten sind", sagte Schulz vor Journalisten in Brüssel. "Sie sind enttäuscht. Sie haben das Vertrauen und die Hoffnung verloren."
In Deutschland, dem Land mit dem stärksten Gewicht im Parlament, lagen CDU und CSU mit weitem Abstand vorn. Sie kommen auf rund 36 Prozent der Stimmen - ein leichter Rückgang, der vor allem auf das Konto der bayerischen Schwesterpartei CSU geht, die deutlich an Stimmen einbüßte. Die Sozialdemokraten wurden laut den vorläufigen Ergebnissen zweitstärkste Kraft mit 27 Prozent. Die SPD gewann so viele neue Stimmen wie nie zuvor bei einer Wahl.
Die euroskeptische AfD, die erstmalig zu einer Europawahl angetreten war, holte aus dem Stand 7,0 Prozent der Stimmen. Die Grünen kamen auf 10,5 Prozent, die Linke auf 6,5 und die FDP lediglich auf 3,4 Prozent. Wegen der geringen Sperrklausel wird auch die rechtsextreme NPD einen Europaabgeordneten stellen.
Mit dem Sieg der Europäischen Volkspartei bei der Europawahl stiegen die Chancen, dass der frühere Ministerpräsidenten von Luxemburg, Jean-Claude Juncker, der neue Kommissionspräsident wird.
Der CDU-Spitzenkandidat David McAllister stellte sich am Sonntag offen hinter den Belgier: "Wir wollen, dass Jean-Claude Juncker der nächste Präsident der Europäischen Kommission wird", sagte er vor Anhängern. Es war die bisher klarste Aussage eines Merkel-Verbündeten zur Besetzung des Amtes.
Kontakt zum Autor: konjunktur.de@dowjones.com
(Mitarbeit: Viktoria Dendrinou in Brüssel, Giada Zampano in Rom, Harriet Torry in Berlin, Alkman Granitsas in Athen und Stacy Meichtry in Paris)
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May 26, 2014 00:12 ET (04:12 GMT)
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