28.04.2015 05:29:39

ROUNDUP: Wächst die Armut wirklich? Kritik an Sozialverbänden

BERLIN (dpa-AFX) - Unmittelbar vor der Veröffentlichung eines neuen Gutachtens zur sozialen Lage in Deutschland gibt es Kritik an der Vorgehensweise bei solchen Berichten. "Die Sozialverbände, die solche Berichte machen, vertreten nicht nur die Interessen der Sozialschwachen, sie vertreten auch ihre eigenen Interessen", sagte der Berliner Politikwissenschaftler Klaus Schroeder der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. An diesem Dienstag stellt der Paritätische Gesamtverband sein Jahresgutachten vor.

In seinem entsprechenden Gutachten 2014, das er vor fast genau einem Jahr vorgestellt hatte, beklagte der Verband eine wachsende soziale Spaltung in Deutschland. Im Februar diesen Jahres hatte der Verband einen Armutsbericht vorgelegt und das Fazit gezogen: "Die Armut in der Bundesrepublik Deutschland befindet sich auf einem historischen Höchststand."

Schroeder hielt dem entgegen: "Was in solchen Berichten gemessen wird, ist die Verteilung von Einkommen, aber nicht Armut." Der Leiter der Arbeitsstelle Politik und Technik am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin wies darauf hin, dass in der Regel Angaben zur Armutsquote und zum Armutsrisiko gemacht würden. In Wohlstandsgesellschaften seien Armut und Reichtum immer nur relative Größen.

Laut Statistischem Bundesamt ist die Quote der von Armut gefährdeten Menschen der Anteil der Personen, der mit weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der gesamten Bevölkerung auskommen muss. Schröder sagte: "Wer bis drei zählen kann, sieht: Wenn morgen alle das Doppelte hätten, wäre die Quote genauso hoch wie heute."

Zudem habe sich die Sozialstruktur in den vergangenen Jahrzehnten massiv verändert, so der Sozialforscher. Mehr Menschen wie Senioren oder Alleinerziehende gelten demnach offiziell als von Armut gefährdet, auch wenn es viele von ihnen unter dem Strich gar nicht so schlecht gehe.

"Verbände, die auf diese Weise vor Armut warnen, geht es auch darum, ihre eigene Bedeutung in den Vordergrund zu rücken", kritisierte Schroeder. Diese Verbände selbst würden selten durchleuchtet.

Ein Grund, warum solche Berichte immer wieder auf Aufmerksamkeit stoßen, sei, dass sie moralisch daherkämen. "Alles, was moralisch aufgeladen ist, kommt gut an", sagte der Politikwissenschaftler, "jeder, der idealistisch eingestellt ist, hat den Impuls, etwas gegen Missstände zu tun". Oft gehe es bei solchen Darstellungen auch darum, politische Ziele nach mehr Umverteilung zu untermauern./bw/DP/zb

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