FRANKFURT (dpa-AFX) - Die Sorge um das gefährlich niedrige Preisniveau und die Entwicklung des Wachstums in der Eurozone haben die Europäische Zentralbank (EZB) abermals ihre Geldschleusen öffnen lassen. Der Startschuss für das insgesamt mehr als eine Billion Euro schwere Programm am Montag war aber von anhaltender Kritik begleitet.

Pro Monat wollen die Währungshüter 60 Milliarden Euro an frischem Geld in die Märkte pumpen - und das mindestens bis September 2016. Damit soll die Wirtschaft im Euroraum angekurbelt und die zuletzt gefährlich niedrige Inflation angeheizt werden.

Für ihr neues Anti-Krisen-Paket druckt die EZB frisches Geld und kauft damit Wertpapiere. Fachleute nennen dies quantitative Lockerung oder schlicht "QE" ("Quantitative Easing"). EZB-Präsident Mario Draghi hatte die Märkte seit Monaten darauf vorbereitet, im Januar gab der EZB-Rat mit breiter Mehrheit grünes Licht - gegen den Widerstand etwa von Bundesbank-Präsident Jens Weidmann und dem deutschen EZB-Direktoriumsmitglied Sabine Lautenschläger.

Nicht nur Weidmann erneuerte seine Kritik an den Anleihekäufen. Mit ihnen nehme die Vermischung von Geld- und Fiskalpolitik (staatlicher Wirtschaftspolitik) in Europa deutlich zu, sagte er laut vorab ausgehändigtem Text am Montag bei einer Rede in Zürich.

Durch die Staatsanleihekäufe könnten sich alle Mitgliedsländer der Eurozone unabhängig von ihrer Kreditwürdigkeit zu einem erheblichen Teil sehr günstig finanzieren, erklärte Weidmann. "Das kann natürlich Gewöhnungseffekte auslösen und am Ende dazu führen, dass die Länder die nötige Konsolidierung der öffentlichen Haushalte auf die lange Bank schieben." Es treffe ihre Glaubwürdigkeit, wenn sich die EZB dem Anschein nach nicht mehr nur an der Preisstabilität orientiere.

Das frische Geld kommt im Idealfall über die Geschäftsbanken, denen die Zentralbank Anleihen abkaufen will, in Form von Krediten bei Unternehmen und Verbrauchern an. Das könnte Konsum und Investitionen anschieben und so die maue Konjunktur in Schwung bringen. Denn während die deutsche Wirtschaft relativ gut in Schuss ist, sind die Wachstumsaussichten für den Euroraum nach wie vor bescheiden.

Auch mehrere Ökonomen bleiben bei ihrer Skepsis. Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin, Marcel Fratzscher, sagte den "Ruhr Nachrichten" (Dienstag) in Dortmund, die Operation der EZB sei riskant. Er zeigte aber auch Verständnis für den Schritt der Notenbanker - dieser sei ein "notwendiges Übel".

Der Chef des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln, Michael Hüther, gab zu bedenken, dass es bisher in der Eurozone wenig Erfahrungen mit massiven Anleihekauf-Programmen gebe - auch die US-Notenbank Fed hatte ein solches bis zum Herbst 2014 betrieben. Das Ziel der EZB könne aber erreicht werden, sagte Hüther dem Blatt.

Hans-Werner Sinn, Präsident des Ifo-Instituts, bekräftigte seine Ablehnung der Wertpapierkäufe: "Die Begründung dafür ist nur vorgeschoben, denn es gibt keine Deflation im Euroland, sondern einen konjunkturell hochwillkommenen Absturz der Ölpreise." Eine Deflation ist eine über einen längeren Zeitraum anhaltende Abwärtsspirale aus sinkenden Preisen und nachlassender Wirtschaftskraft, wenn sich Verbraucher und Firmen in Erwartung immer weiter zurückgehender Preise mit Konsum und Investitionen stark zurückhalten.

Die Preisentwicklung im Euroraum bereitet den Notenbankern Sorgen. Im Januar und Februar 2015 sanken die Verbraucherpreise auf Jahressicht jeweils. Die meisten Ökonomen sehen jedoch keine Deflations-Gefahr.

Die neue Geldschwemme zeigte am Montag bereits erste Wirkungen an den Staatsanleihemärkten. Es hieß, die EZB habe begonnen, französische, niederländische und belgische Staatsanleihen zu kaufen. Auch deutsche Bonds sollen demnach auf der Einkaufsliste gestanden haben. Dem deutschen Aktien-Leitindex DAX gab das Programm ebenfalls Auftrieb.

Die EZB teilte lediglich mit, dass die Käufe gestartet seien, äußerte sich zunächst aber nicht zu Details. Ab kommender Woche will sie wöchentlich über den Umfang der Staatsanleihenkäufe informieren. Einmal monatlich sollen diese nach Ländern aufgeschlüsselt werden./jap/hqs/ben/fr/DP/zb