06.07.2014 16:40:47
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ROUNDUP: EZB-Direktorin gegen Anleihenkäufe - Ifo-Chef rügt Schattenhaushalte
FRANKFURT/MÜNCHEN (dpa-AFX) - In der Debatte um die Stabilität der Eurozone und die Aufgaben der Europäischen Zentralbank (EZB) hat sich die neue deutsche EZB-Direktorin Sabine Lautenschläger gegen den Kauf von Staatsanleihen ausgesprochen. "Ich sehe Staatsanleihekäufe absolut nicht am Horizont", sagte sie der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Der Präsident des Münchner Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, kritisierte unterdessen, dass viele Euroländer ihre Finanzlage durch das Anlegen von Schattenhaushalten gefährdeten.
Lautenschläger sagte dem Blatt, ein groß angelegter Erwerb von staatlichen oder auch von privaten Wertpapieren käme nur bei einer außergewöhnlichen Gefährdung in Betracht. "Die kann ich derzeit nun wirklich nicht erkennen", argumentierte sie.
LAUTENSCHLÄGER SIEHT OMT-PROGRAMM 'EHER KRITISCH'
Die EZB hatte auf dem Höhepunkt der Euro-Schuldenkrise im Spätsommer 2012 beschlossen, notfalls unter bestimmten Bedingungen unbegrenzt Staatsanleihen überschuldeter Länder zu kaufen. Das Bundesverfassungsgericht hatte Anfang des Jahres Bedenken gegen das Anleihenkaufprogramm OMT geäußert, die endgültige Entscheidung aber dem Europäischen Gerichtshof überlassen. Sie sehe das Programm OMT auch "eher kritisch", erklärte Lautenschläger nun der Zeitung.
Anfang Juni hatte die EZB ein bislang beispielloses Anti-Krisenpaket im Kampf gegen Mini-Inflation und Konjunkturflaute aufgelegt. Sie senkte den Leitzins im Euroraum von 0,25 auf 0,15 Prozent und führte einen Strafzins für Geschäftsbanken ein, die Geld bei der Notenbank parken. Daneben geht die Diskussion über die strittige Frage weiter, ob das Mandat der EZB neben der Sicherung der Preisstabilität eine indirekte Wirtschaftspolitik oder gar Staatsfinanzierung erlaubt.
SINN SIEHT ANREIZ FÜR IMMER MEHR SCHULDEN
Nach Ansicht von Ifo-Chef Sinn setzen politische Manöver wie die Ausgliederung einzelner Etatlinien und Tricks bei der Berechnung von Staatsschulden die angespannte Lage vieler Euroländer zusätzlich unter Druck. Die Regel zur Begrenzung der Neuverschuldung auf maximal 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts sei in Gefahr, wenn die Euro-Mitglieder und die EU selbst immer mehr Schattenetats aufbauten, warnte der Ökonom in einem Beitrag für die "Wirtschaftswoche": "Man will sie aushöhlen, indem etwa Ausgaben für Militär, Bildung und Forschung nicht mehr bei den Staatsausgaben mitgerechnet werden."
Zudem verleite das "verlockende", anhaltend niedrige Zinsniveau die Staaten dazu, immer neue Schulden zu machen. "Nun lässt sich die Schuldenlawine überhaupt nicht mehr stoppen", kritisierte Sinn. Hinzu komme die Definition neuer Haushaltskategorien, um die Finanzierung auf Pump außerhalb der eigentlichen Etats ausweiten.
CREDITREFORM WARNT VOR ZOMBIE-UNTERNEHMEN
In der EU wird derzeit über eine "flexible" Auslegung der gemeinsamen Stabilitätsregeln diskutiert. Vor allem sozialdemokratisch regierte Länder fordern im Gegenzug für Reformen mehr Zeit beim Defizitabbau.
In Deutschland führt die aktuelle Zinsflaute nach Einschätzung der Wirtschaftsauskunftei Creditreform dazu, dass sich auch in Problemen steckende Unternehmen durch günstige Darlehen am Markt halten können. Dies verzerre den insgesamt positiven Eindruck, den das Langzeit-Tief der Insolvenzen erwecke, sagte Michael Bretz aus der Geschäftsleitung von Creditreform der "Welt am Sonntag": "Die Finanzierungssituation führt dazu, dass derzeit auch schwache Unternehmen überleben."/jap/fvb/DP/enl
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