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"Zukunft liegt in Asien" 22.02.2016 09:22:00

Österreichs Wirtschaft will stärker von Indien-Boom profitieren

Die am Samstag zu Ende gegangene fünftägige Indien-Reise einer siebzigköpfigen Delegation von Firmenvertretern mit Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) und Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl fungierte als Türöffner.

Die Wirtschaftskammer hat am Freitag ein Büro in Bangalore eröffnet, um den Kontakt zwischen österreichischen und indischen Firmen vor Ort zu erleichtern. Bangalore gilt als Silicon Valley von Indien. Vor zehn Jahren hatte die Wirtschaftskammer neben dem Außenwirtschaftscenter in New Delhi bereits ein Büro in Mumbai eröffnet.

Leitl zeigte sich von der Dynamik des Landes begeistert. "In Indien gibt es keine Angst vor der Zukunft. Bei uns regiert die Angst, ob das TTIP, Zuwanderung oder Digitalisierung ist", sagte der Wirtschaftskammer-Präsident am Ende der Reise im APA-Gespräch. Österreichische Firmen seien an Indien aufgrund des hohen Wirtschaftswachstums von über sieben Prozent "sehr interessiert". Punkten könnten heimische Unternehmen in den Bereichen Maschinenbau und Elektronik, Umweltwirtschaft, erneuerbare Energie, Gesundheit und Infrastruktur oder auch mit der in Indien unüblichen dualen Ausbildung (Lehre).

Ganz einfach ist das Geschäft für österreichische Firmen in Indien aber auch nicht: "Vor zehn Jahren war ich hier und da hat man zu Europa aufgeschaut. Heute sagt man in Indien, wir wollen schon Kontakte halten, aber die Zukunft liegt in Asien", so Leitl. Ein kleiner Wermutstropfen für österreichische Geschäftsleute sei das Aus für die Austrian-Airlines-Direktverbindung Wien-Delhi ab Anfang April.

Die Wirtschaftsdelegation besuchte am vergangenen Dienstag in New Delhi das indisch-österreichische Wirtschaftsforum mit über 100 indischen Firmenvertretern und Beratern. Kurz und der ebenfalls mitgereiste Zweite Nationalratspräsidenten Karlheinz Kopf absolvierten auch Termine mit hochrangigen indischen Politikern. Kurz traf sich etwa mit der indischen Außenminister Sushma Swaraj und besprach neben wirtschaftlichen Fragen auch heiklen Themen wie die Atomfrage oder die "besorgniserregende" Lage der Frauen und Minderheiten in Indien.

Am Mittwoch standen ein Firmenbesuch beim indischen IT-Schwergewicht Wipro in Bangalore und ein Networking-Abendessen mit Mitgliedern der Bangalore Chambers of Industry & Commerce am Programm. Am Donnerstag wurde dem Bildungs-Campus des IT-Dienstleisters Infosys und dem Werk des Tiroler Planseee in Mysore ein Besuch abgestattet. Plansee Indien produziert unter anderem feine Wolframdrähte und feine Molybdändrähte für die Auto- und Beleuchtungsindustrie. Die indische Plansee-Tochter sei wichtig, um im Wettbewerb mit chinesischen Mitbewerbern zu bestehen, auch im Hinblick auf die Lohnkosten, so Plansee-Vizepräsident Wolfgang Köck.

Am Freitag besuchte der Wirtschaftskammer-Präsident noch die Börse in Bombay (Mumbai) und den im 18. Stock der Börse beheimateten Start-up-Inkubator Zone StartupsIndia sowie den Firmensitz des indischen Firmenkonglomerats Aditya Birla Group (Jahresumsatz 41 Mrd. Dollar). Zone StartupsIndia - eine Kooperation der Börse mit den kanadischen Universitäten Ryerson und Simon Fraser - bietet derzeit 60 indischen Start-ups kostenloses Mentoring, Know-how und Büroräumlichkeiten. 15 Start-ups haben bereits erste Finanzierungsrunden hinter sich. Der Chef der Börse Bombay, Ashish Chauhan, warnte aber vor zu viel Euphorie im Hinblick auf den Hoffnungsmarkt Indien. "Der Standort ist sehr gut, der Standort ist sehr schlecht. Sie müssen die richtigen Geschäftspartner finden." Chauchan rechnet in den nächsten Jahren mit einem deutlichen Anstieg der Börsengänge, unter anderem wegen des wirtschaftsfreundlichen Kurses der neuen Regierung unter Premier Narendra Modi. Die Regierung versucht unter anderem mit der Kampagne "Make in India" mehr Auslandsinvestitionen anzuziehen und den Industriestandort zu stärken.

Die mitgereisten österreichischen Firmenvertreter zeigten sich von den Wachstumsmöglichkeiten in Indien jedenfalls beeindruckt. Als besonderes Plus im Gegensatz zu China wird Englisch als Amtssprache und das von Großbritannien inspirierte Rechtssystem gesehen. Der Wiener Nachrichtentechniker Frequentis hat bereits ein Notrufsystem für Schiffe an der indischen Küste aufgebaut und will nun Schiff-Leitsysteme für Häfen in Indien verkaufen. Der oberösterreichische Backwarenerzeuger Resch & Frisch ist am Überlegen, sein Know-how zu gefrorenen Teiglingen und Aufbacköfen an einen indischen Partner weiterzugeben. Ein konkretes Projekt und einen Geschäftspartner gibt es aber noch nicht. Die Anadi Bank - ehemalige Österreich-Tochter der Hypo Alpe Adria - will sich neben dem Privatkundengeschäft in Österreich im deutschsprachigen Raum auch als Bank für Exporteure mit Indien-Geschäften positionieren. Die Kärntner Bank gehört seit dem Jahr 2013 der indischen Geschäftsfamilie Kanoria.

Besonders erfolgreich in Indien sind unter anderem die österreichischen Unternehmen AT&S, KTM, Plasser & Theurer, Red Bull und Rosenbauer. Die steirische AT&S fertigt Leiterplatten in Indien mit 1.000 Mitarbeitern für verschiedene Industriezweige und den Automobilbereich. Der oberösterreichischen Motorradhersteller KTM produziert gemeinsam mit dem indischen Motorradkonzern Bajaj kostengünstige Motorräder für den indischen Markt. Bajaj ist seit 2007 auch Großaktionär von KTM.

Indien gehört bereits zu den Top-30 der wichtigsten österreichischen Exportländer und ist derzeit weltweit das am schnellsten wachsende große Schwellenland. Das Wirtschaftswachstum soll sich im Jahr 2015 auf über sieben Prozent belaufen und heuer laut Prognosen bei 7,6 Prozent und 7,8 Prozent im Jahr 2017 liegen.

Von einigen Experten werden die hohen Wachstumszahlen Indiens in Zweifel gezogen. Für Samir Saran, Vizepräsident des New Delhi Think Tank Observer Research Foundation (ORF) sind diese Zweifel verständlich, aber nicht gerechtfertigt. Einige würden sagen, dass man die 7,5 Prozent Wirtschaftswachstum nicht spüre. Saran wies vor österreichischen Journalisten darauf hin, dass allein die massiv ausgeweitete Stromproduktion das Bruttoinlandsprodukt Indiens um 0,6 Prozentpunkte erhöhen würde. Dieses BIP-Plus sei nicht spürbar.

Der multiethnische Staat Indien mit seinen 1,3 Milliarden Einwohnern steht in den nächsten Jahren und Jahrzehnten noch vor riesigen sozialen Herausforderungen. 250 Millionen Inder bekommen nicht einmal zwei Mahlzeiten pro Tag, es gibt rund 400 Millionen Analphabeten und die Durchschnittseinkommen sind sehr niedrig. Ein indischer Arbeiter verdient im Schnitt umgerechnet 150 Euro pro Monat.

(Schluss) cri/an

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