04.11.2014 10:56:00
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EU-Erweiterungsstopp ist laut OeNB-Chef Nowotny "Zeichen von Realismus"
Man könne nicht sowohl eine Vertiefung als auch eine Erweiterung der EU haben, dabei sei man an ökonomische und politische Grenzen gestoßen, sagte Nowotny bei der Präsentation einer Festschrift ("Europäische Wirtschaftspolitik der Zukunft") zu seinem 70. Geburtstag. "Weniger Sympathie" habe er für Politiker und Diplomaten, "die hier unrealistische Erwartungen erwecken, die notwendiger Weise enttäuscht werden".
Genau die gegenteilige Position vertritt Wifo-Chef Karl Aiginger. "Der Erweiterungsstopp von Juncker ist ein absoluter Fehler", sagte Aiginger. Man könne den Ländern in Osteuropa nicht sagen "es gibt einen Erweiterungsstopp, und gleichzeitig wollen wir aber, dass ihr euch Europa anschließt, und nicht einem anderen Projekt", das sei sowohl im Falle Serbiens als auch der Ukraine falsch gewesen. Es müsse nicht eine EU-Mitgliedschaft sein oder gar eine gemeinsame Währung, "mein Modell für die Nachbarn wäre eine stufenweise Integration".
Zurückhaltend zeigte sich OeNB-Gouverneur Nowotny auch in der Frage "einer gemeinsamen Finanzpolitik als Ergänzung zur gemeinsamen Geldpolitik" und einer entsprechenden Änderung des EU-Vertrages. "Ich bin persönlich sehr skeptisch, ob unter den gegebenen rechtlichen Grundlagen, wo für eine Vertragsänderung Referenden in jedem einzelnen Mitgliedsstaat abzuhalten sind, ob unter diesen Voraussetzungen Vertragsänderungen eine realistische Perspektive sind".
Dem Wifo-Chef gehen die Reformen in der EU zu langsam voran. "Ich halte Europa für ein Erfolgsmodell, aber es verwaltet die Vergangenheit und vergisst die Zukunft zu gestalten." Es gebe zwar Reformen, aber "zu spät und zögerlich, und die Wachstumsabteilung ist dabei ganz vergessen worden". Die Wirtschaftsleistung der EU sei heute niedriger als 2008, die amerikanische zehn Prozent darüber. "Der Versuch, die Realwirtschaft zu begünstigen und die Finanzwirtschaft zu bremsen bei ihren destabilisierenden Wirkungen, ist vollkommen weg von der Agenda. Es wird keine Finanztransaktionssteuer geben" und nicht einmal die Mini-Form einer Aktienemissionssteuer.
Die Jugendarbeitslosigkeit sei "skandalös hoch" man sei trotz 50 Prozent Staatsquote "nicht imstande, ein Schulsystem zu kreieren, in dem Lesefähigkeiten selbstverständlich sind".
Auch das versprochene 300-Milliarden-Konjunkturprogramm der EU gehe viel zu langsam voran, bei diesem Tempo würden die Investitionen erst 2015 oder 2016 wirken. "Ob wir bis dahin eine oder zwei Rezessionen in Europa haben, weiß ich nicht." Er schlage daher vor, bereits genehmigte Projekte aufzustocken oder zu beschleunigen. So würden Konjunkturimpulse in den nächsten zwölf Monaten zustande kommen, "sonst schlittert Europa in eine Rezession".
(Schluss) ivn/itz
WEB http://www.oenb.at/
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