Entscheidung im Kongress |
09.09.2013 11:36:30
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Ablehnung wächst: Obama mit Syrien-Plan unter Druck
Immer wieder werden Amerikaner in den kommenden Tagen Obamas Standpunkt zu einem Syrien-Angriff zu hören bekommen. Am Montag wird er eine Reihe von Interviews zu einem Nahosteinsatz geben, am Dienstagabend folgt eine Ansprache, die landesweit im Fernsehen übertragen wird. Gleichzeitig werden Obamas Mitarbeiter hinter verschlossenen Türen mit Abgeordneten sprechen und ihnen weitere Details der US-Geheimdienste zu dem mutmaßlichen Giftgasanschlag der syrischen Regierung gegen das eigene Volk darlegen. Bei dem Attentat, das nach US-Erkenntnissen von den Truppen des syrischen Machthabers Baschar al-Assad verübt wurde, kamen mehr als 1.400 Zivilisten ums Leben.
Obamas größte Herausforderung wird es sein, genügend Parlamentarier hinter sich zu vereinen, um vom Kongress die Erlaubnis für einen Militärschlag zu erhalten. Dabei steht der US-Präsident vor einem ungewöhnlich starken Block von Kriegsgegnern, dem nicht nur einige seiner größten Kritiker unter den Republikanern angehören, sondern auch einige seiner engsten Verbündeten aus dem eigenen liberaldemokratischen Lager.
Die Regierung hält es für ausgemacht, dass Assads Truppen am 21. August chemische Waffen gegen das eigene Volk eingesetzt haben, obwohl der syrische Präsident Assad diesen Vorwurf gerade erst in einem Interview mit dem US-Fernsehsender CBS abgestritten hat.
"Wir debattieren nicht mehr, ob es passiert ist oder ob es nicht passiert ist", sagte der Stabschef des Weißen Hauses, Denis McDonough, dem Nachrichtensender CNN am Sonntag. "Der Kongress hat diese Woche die Gelegenheit, eine einfache Frage zu beantworten: Sollte [Assad] Konsequenzen erleiden dafür, dass er dieses Material verwendet hat?"
Am Dienstag wird sich Obama nach Angaben von Mitarbeitern außerdem mit Demokraten im Senat zusammensetzen und die Lage besprechen. Der Senat wird wohl in dieser Woche einen Beschluss verabschieden, der Obama einen Kriegseinsatz in Syrien erlaubt, solange dieser die Dynamik am Boden verändert und den Weg für einen Machtwechsel in Syrien frei macht.
Unklar ist jedoch, ob letztlich der gesamte Kongress einen solchen Einsatz billigen würde - vor allem im Repräsentantenhaus liegen die Kräfteverhältnisse nicht offen. Viele Abgeordnete dort halten die Beschlussvorlage der Regierung für zu allgemein. Einige sind nach eigenen Worten immer noch nicht überzeugt, dass das Assad-Regime für den Giftgasanschlag verantwortlich sein soll. Oder sie halten einen Angriff für keine angemessene Reaktion. Eine Abstimmung im Repräsentantenhaus dürfte erst nächste Woche stattfinden.
"Ich glaube nicht, dass der Rückhalt im Kongress vorhanden ist", sagte der liberale Demokrat Jim McGovern dem Fernsehsender CNN.
Selbst grundsätzliche Befürworter eines Militäreinsatzes sind skeptisch, dass Obama die nötigen Ja-Stimmen zusammenbekommt. Der Präsident habe jetzt ein gehöriges Stück Überzeugungsarbeit vor sich, sagte der republikanische Abgeordnete Mike Rogers am Sonntag dem Fernsehsender CBS. Die Lobby-Arbeit der Regierung komme viel zu spät, sagte Rogers. Obama hätte seiner Meinung nach die Abgeordneten schon vergangene Woche für eine Syrien-Debatte aus der Sommerpause zurückholen sollen, findet er. Es sei "klar, dass er in der letzten Woche an Unterstützung verloren hat", sagte Rogers.
Sollte der Kongress keinen Einsatzbefehl geben, würden die USA auf der Weltbühne weniger glaubwürdig erscheinen, argumentiert das Weiße Haus. Außerdem würden dann möglicherweise Widersacher wie der Iran und die militante libanesische Hisbollah Auftrieb bekommen.
Vergangene Woche hatte US-Präsident Barack Obama überraschend erklärt, er würde Syrien nur mit Genehmigung des Kongresses angreifen. Rechtlich gesehen muss Obama den Kongress allerdings nicht um Erlaubnis für einen solchen Einsatz fragen. Bisher hat es das Weiße Haus offengelassen, ob Obama militärisch auch dann vorpreschen würde, wenn der Kongress ihm nicht das nötige grüne Licht geben sollte. Ebenso haben Regierungsvertreter ein Handeln des Präsidenten nicht ausgeschlossen für den Fall, dass sich das Repräsentantenhaus und der Senat nicht auf einen Beschluss einigen können. Sie sagen jedoch, es sei zu früh, um solche Szenarien zu entwerfen.
Was die Lage für Obama zusätzlich kompliziert ist ein neues Interview von Assad mit dem Fernsehsender CBS, in dem dieser jeglichen Einsatz von Chemiewaffen abstritt. Er wisse nicht einmal, ob ein solcher Anschlag überhaupt stattgefunden habe, sagte Assad. Der syrische Machthaber wollte sich nicht weiter dazu äußern, ob Syrien Chemiewaffen besitze. Grundsätzlich aber wären solche Waffen in der Hand der Regierung, sagte Assad nach Angaben des Interviewers Charlie Rose. Das Gespräch soll am Montag ausgestrahlt werden.
Zugleich erneuerte Assad Vorwürfe, dass möglicherweise die syrische Opposition solche Chemiewaffen-Anschläge verübt habe. Das bestreiten die Oppositionellen und auch die USA. Sollten die USA Syrien angreifen, werde es Vergeltung geben, sagte Assad nach Angaben des Fernsehjournalisten Rose.
Indes versucht das Weiße Haus deutlich zu machen, dass Obama eine Reihe internationaler Verbündeter für einen Militärschlag gewonnen habe - auch das ist Teil der Lobby-Strategie. So traf sich US-Außenminister John Kerry am Wochenende mit Vertretern der Europäischen Union und der Arabischen Liga. Beide Gruppen unterstützten Teile des amerikanischen Kurses, teilte Kerry mit. Allerdings haben bisher weder die EU, noch die Arabische Liga einen US-Militärschlag gegen Syrien offen unterstützt.
Wieviel für Obama auf dem Spiel steht, zeigt sich auch daran, dass er auch persönliche Gespräche mit Abgeordneten führt - etwas, dass er laut Kritikern seit seinem Amtsantritt oft vermieden hat. So hat die Regierung nach eigenen Angaben schon mindestens 85 Senatoren und mehr als 165 Vertreter des Repräsentantenhauses zum Syrien-Einsatz kontaktiert.
Am Sonntag erst lud Vize-Präsident Joe Biden eine Gruppe republikanischer Senatoren zum Abendessen ein, an dem auch Obama teilnahm. Am Montag werden Außenminister Kerry, Verteidigungsminister Chuck Hagel und die Nationale Sicherheitsberaterin Susan Rice vor Vertretern des Repräsentantenhauses Geheimdienstinformationen ausbreiten.
Sollte Obama im Kongress eine Niederlage erleiden, wäre das für ihn nicht nur persönlich ein Schlag, sondern würde auch sein politisches Kapital verringern, das er braucht, um andere innenpolitische Themen im Kongress durchzubekommen. Letztlich könnten einige Abgeordnete aber auch genau deshalb für einen Militärschlag stimmen: um eine peinliche, international sichtbare Niederlage des US-Präsidenten zu verhindern.
DJG/WSJ/chg
Dow Jones Newswires
Von Carol E. Lee und Kristina Peterson
WASHINGTON
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