05.12.2014 13:33:00
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Nowotny-Warnsignal - Österreich droht strukturelle Wachstumsschwäche
Investitionen anzukurbeln sei "Gebot der Stunde", da sei auch Stabilität für die Betriebe nötig. Jede Investition sei eine Wette auf die Zukunft. Je größer die Unsicherheit, desto zurückhaltender seien die Investoren. Am Juncker-Paket sollte sich Österreich "massiv" beteiligen, empfahl Nowotny am Freitag.
Bis 2016 müsse sich Österreich auf das dann schon vierte schwache Jahr in Folge einstellen. Heuer dürfte die heimische Wirtschaft nur 0,4 Prozent real wachsen, Ende August hatte die OeNB noch 0,9 Prozent Plus erwartet. 2015 dürfte mit 0,7 Prozent auch nur wenig BIP-Zuwachs drin sein, ebenso wenig wie es 2012 waren. Für 2016 werden dann 1,6 Prozent Anstieg für möglich gehalten - einen halben Prozentpunkt weniger als vor einem halben Jahr angenommen.
Ein normaler Konjunkturaufschwung sei in der Prognose "leider nicht unterlegt", sagte OeNB-Expertin Doris Ritzberger-Grünwald vor Journalisten, "eine Rezession sehen wir auch nicht", sondern "eine Erholung in kleinen Schritten".
Der niedrige Ölpreis sollte zur Ankurbelung des Wachstums genutzt werden, aber auch Struktur- und Fiskalpolitik seien gefragt, so Nowotny. Wegen der Gefahr einer Entindustrialisierung sollte auf die Energiepreise und Umweltauflagen Bedacht genommen und Österreich als Standort für Forschung und Entwicklung (F&E) "sehr attraktiv" bleiben. Auch bei der Effizienz der öffentlichen Verwaltung sei anzusetzen, "wir haben hier relativ starke föderale Strukturen".
Bei den "tendenziellen Kostenfaktoren" - das beinhalte auch die Steuerpolitik -, wäre es aus Sicht des OeNB-Gouverneurs "ein Vorteil für die Investitionstätigkeit", "wenn man den Unternehmen eine Stabilität offeriert". Die Steuerreform sei Sache der Politik und nicht der Notenbank, betonte Nowotny, verwies aber etwa auf Äußerungen von Wifo-Chef Karl Aiginger, der sehr stark für ökologische Steuern plädiert habe, da daraus ein Schub resultieren könne.
Die heimischen Investitionen werden? ?laut OeNB nämlich nur wenig zu einem Aufschwung beitragen können.? ?Die hohe Unsicherheit über die Absatzchancen im In-? ?und Ausland werde sich nur langsam zurückbilden,? ?die Investitionskonjunktur daher insgesamt recht schwach bleiben.
Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl forderte am Freitag dazu, "jegliche Zusatzbelastungen für die heimischen Unternehmen und den Standort Österreich strikt zu vermeiden - egal, ob sie jetzt im Gewand neuer oder höherer Eigentumssteuern oder zusätzlicher bürokratischer Verkomplizierungen etwa im Arbeitnehmerrecht daher kommen".
"Vor allem ein Aufschwung in Deutschland und öffentliche Investitionen bzw. öffentlich induzierte Investitionen" könnten der heimischen Konjunktur helfen, ist Nowotny überzeugt. Am 315-Milliarden-Euro-Programm von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sollte Österreich "massiv teilnehmen". Im Inland sollte der Wohnbau angekurbelt werden, denn hier gesetzte Maßnahmen würden sich rasch auf die Konjunktur auswirken. Die Bevölkerung nehme zu, und die Wohnungspreise seien im Steigen, "die klassische Antwort ist die Ausweitung des Angebots". Nowotny kritisierte dabei auch den Wegfall der Zweckbindung der Wohnbaufördermittel; dass die Mittel gesunken seien, sei eine "Fehlentwicklung" gewesen.
Wegen der schwachen Wirtschaft dürfte die Arbeitslosenrate 2015 auf 5,3 Prozent ansteigen, nimmt die OeNB an. Der Privatkonsum werde sich 2014 und 2015 ?nur sehr verhalten entwickeln. 2016 würden jedoch stärker wachsende Reallöhne das Konsumwachstum leicht beschleunigen
Genau analysieren" will die OeNB laut Nowotny die in Österreich mit heuer 1,5 Prozent und kommendes Jahr 1,4 Prozent im europäischen Vergleich recht happige Teuerungsrate, wiederholt die höchste in der EU oder der Eurozone. An sich sei ja diese Rate deutlich unter dem, was die EZB als Preisstabilität ansehe, so Nowotny. Doch gebe es eine Reihe heimischer Sonderfaktoren, etwa Dienstleistungen und der Fremdenverkehr würden die Inflation antreiben - für Ritzberger-Grünwald auch ein Zeichen, dass der Tourismus gut läuft. Zudem seien rund 0,4 Prozentpunkte der Teuerung durch den öffentlichen Sektor verursacht, etwa Gebühren, so Nowotny.
Die geringe Wachstumsdynamik des Welthandels und der schwache Euroraum belasten die Exporteure. Österreichs Ausfuhrmärkte dürften heuer nur drei Prozent wachsen, übernächstes Jahr fünf Prozent - schwächer als vor der Krise. Wirtschaftsminister Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) erinnerte dazu daran, dass daher schon seit Jahren stärker auf die Förderung der Exporte in wachstumsstarke Länder außerhalb der EU geachtet werde.
Für das gesamtstaatliche Budgetdefizit (laut Maastricht) erwartet die OeNB für heuer eine Verschlechterung auf 2,4 Prozent des BIP. Diese budgetäre Verschlechterung gehe insbesondere auf die stark steigenden Vermögenstransfers an Banken im Zuge der Reorganisation der Hypo Alpe Adria Gruppe (Heta) zurück. Für 2016 und 2016 rechnet die OeNB aber mit einer "signifikanten Verbesserung" des Maastricht-Defizits auf 1,8 bzw. 1,4 Prozent des BIP.
Für das Budget 2014 geht die Notenbank - nach Zahlen vom Finanzministerium - davon aus, dass die so genannten "Vermögenstransfers an Banken" 4,2 Mrd. Euro ausmachen. Das sind direkte Staatshilfen an die Hypo Alpe Adria bzw. Abschreibungen und Vermögensverluste aus der Installation der Hypo-Bad-Bank Heta. 2013 waren es "nur" 1,8 Mrd. Euro gewesen, ebenfalls hauptsächlich wegen der Hypo.
Zum Budgetvollzug 2014 sei die OeNB etwas optimistischer als das Finanzministerium, sagte Nowotny. Bei den Ausgaben sei man heuer etwas sparsamer, und die Einnahmen seien heuer gut. Das Defizit steige aber - weil positive Vorjahreseffekte (etwa Telekom-Auktionserlöse) wegfielen, vor allem aber wegen der "Vermögenstransfers an Banken". Freilich gebe es gerade im Bad-Bank-Bereich "erhebliche Unsicherheiten", was die Bewertungsfragen betreffe.
Auch der Anstieg der öffentlichen Schuldenquote heuer auf 85,4 Prozent des BIP werde durch die Hypo/Heta getrieben.? ??Für 2015? ?wird eine Trendumkehr in der Entwicklung der öffentlichen Schuldenquote erwartet, sie soll bis Ende? ?2016? ?auf? ?82,9 Prozent ?des BIP sinken.?
Bei den Fiskalprojektionen für die Zukunft sei die OeNB vergleichsweise positiver, jedoch seien hier nur bereits beschlossene Maßnahmen enthalten, relativierte Nowotny.
(GRAFIK 1433-14, Format 88 x 55 mm) (Schluss) sp/rf
WEB http://www.oenb.at/
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