08.04.2015 21:22:51
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Neue Rezessionsängste belasten Griechenland
Von Nektaria Stamouli und Stelios Bouras
ATHEN (Dow Jones)--Das jüngste Versprechen Griechenlands, seine Schulden pünktlich zu begleichen, hat vielen die Angst genommen, dass das Land kurz vor dem Zahlungsausfall steht. Doch Unternehmen und Analysten glauben, dass die griechische Wirtschaft wieder in eine Rezession rutscht, während die Regierung nur noch von der Hand in den Mund lebt.
Der schleppende Fortschritt bei den Verhandlungen zur Griechenland-Rettung zwischen der Athener Regierung und den ausländischen Gläubigern verbreitet Unsicherheit in der schuldengeplagten Volkswirtschaft. Vergangenes Jahr hatte das Land es gerade geschafft, eine sechs Jahre lange Rezession zu beenden, die über ein Viertel des Bruttoinlandsprodukts kostete.
"Der Laden hat in all den Jahrzehnten viele schwierige Phasen durchgemacht", sagt Kyriakos Elmanoglou, dessen Familie seit 1947 ein Stoffgeschäft in Athen betreibt. "Doch nichts ist vergleichbar mit dem, was wir gerade erleben." Der 65-Jährige sagt, dass die Umsätze in den ersten drei Monaten des Jahres 35 Prozent niedriger waren als ein Jahr zuvor.
Der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis sagte am Sonntag in Washington, dass die Regierung "allen Verpflichtungen gegenüber den Gläubigern" nachkommen werde. Diese Aussage sollte offensichtlich mit den Spekulationen aufräumen, dass Griechenland womöglich einen Kredit über 460 Millionen Euro vom Internationalen Währungsfonds (IWF), der am Donnerstag fällig wird, nicht zurückzahlen will.
Um Geld für den IWF und andere Gläubiger zusammenzukratzen, während sie gleichzeitig Pensionen und Löhne der Staatsbediensteten priorisiert, muss die griechische Regierung andere Ausgaben vorerst zurückstellen. Unter anderem müssen derzeit Zulieferer des öffentlichen Sektors und Unternehmen, die eine Steuerrückerstattung erhalten sollen, auf ihr Geld warten.
Die Zuversicht von Unternehmen und Verbrauchern leidet unter der offenen Frage, ob die Regierung sich zu den unpopulären Reformen bereiterklären wird, die die Gläubiger von Griechenland fordern.
Griechenland muss sich mehrere Milliarden Euro an Rettungsgeldern sichern, um diesen Sommer einen Zahlungsausfall zu vermeiden und nicht aus der Währungsunion zu fallen.
Doch die Reformen, die sich die Gläubiger wünschen - so etwa Pensionssenkungen und Steueranhebungen - könnten die Regierung von Premierminister Alexis Tsipras spalten, wenn nicht sogar stürzen. Im Januar war die Regierung unter anderem für das Versprechen gewählt worden, dass sie die Sparpolitik beenden werde.
Die griechische Wirtschaft war im vergangenen Jahr leicht gewachsen, könnte jetzt jedoch wieder in einer Rezession stecken, sagen Analysten. In einem Bericht schreiben Ökonomen von J.P. Morgan, dass die Zuversicht im verarbeitenden Gewerbe sowie im Dienstleistungs- und Bausektor im März auf ein Niveau gefallen sei, das einer Schrumpfung der Wirtschaft gleichkommt.
"Die Makroumgebung dürfte sich weiter verschlechtern, bis die politische Unsicherheit und die Liquiditätssituation hinter uns liegen", schreiben sie.
Eine neue Rezession würde die Stimmung in Griechenland stark belasten. Das Land hat bereits einen Kollaps der Wirtschaft und des Arbeitsmarkts durchlebt, wie man ihn seit der Großen Depression in keinem Industriestaat mehr gesehen hat. Eine erneute Rezession könnte die Regierung zu weiteren Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen zwingen, um ein Haushaltsdefizit zu vermeiden. Tsipras und seine Syriza-Partei hatten jedoch versprochen, genau das zu vermeiden.
Die Regierung prognostiziert für Griechenland ein Wachstum von 1,4 Prozent in diesem Jahr, doch viele Ökonomen sagen, dass das zu optimistisch sei. Das Schicksal des Landes hängt stark davon ab, wie schnell Griechenland sich mit der Eurozone und dem IWF auf eine Wirtschaftspolitik einigen kann, die eine Freigabe weiterer Rettungsgelder rechtfertigt. Athen hofft auf eine Einigung bis zum 24. April. Vertreter anderer europäischer Regierungen sagen jedoch, dass die griechische Regierung noch weit von einem Wirtschaftsprogramm entfernt sei, das die Gläubiger zufriedenstellt.
Um weiterhin fällige Kredite zurückzahlen zu können, hat die Regierung alle Reserven im öffentlichen Sektor angezapft: Seit Februar hat sie mindestens 1,2 Milliarden Euro von Einrichtungen wie der Zentralbank und den Jobcentern des Landes geliehen oder übernommen. Jetzt sind noch Reserven in Höhe von etwa 650 Millionen Euro übrig, sagen Regierungsvertreter.
Viel hängt davon ab, wie hoch die Steuereinkünfte sein werden. Bisher konnte die Regierung ihre Ausgaben unter den Einnahmen halten, wenn man den Schuldendienst herausrechnet. Ein Defizit von 900 Millionen Euro im Januar und Februar sei durch höhere Steuereinnahmen im März weitgehend ausgeglichen worden, sagt ein Vertreter des griechischen Finanzministeriums.
Die deutsche Regierung glaubt, dass Griechenland noch bis Juli finanziell überlebensfähig ist. Dann wird eine 3,5 Milliarden Euro schwere Anleihe bei der Europäischen Zentralbank fällig. Um diese stemmen zu können, braucht Griechenland Hilfe, sonst folgt der Zahlungsausfall.
Vor allem der Gesundheitssektor leidet unter dem Geldmangel in Griechenland. Viele Anbieter von Arzneimitteln und anderen Medizinprodukten müssen fast ein Jahr lang auf Zahlungen warten, berichtet SEP, ein Verband von Medizinprodukteherstellern. Doch 2012, als Griechenland eine ähnliche finanzielle Dürrephase durchmachte, mussten Firmen bis zu 500 Tage auf Zahlungen warten, berichtet der Verband.
Seit Dezember, als in Griechenland eine neue Phase der politischen Unsicherheit begann, sei jede Zahlung eingefroren worden, sagt Pavlos Arnaoutis, Generalsekretär des Verbandes SEP.
Noch seien Medizinunternehmen in der Lage, das Gesundheitssystem weiter zu beliefern, sagt er, da 2014 ein umsatzstarkes Jahr gewesen sei. Doch wenn diese Situation anhalte, sehe sich die Branche mit großen Problemen konfrontiert.
Kontakt zum Autor: maerkte.de@dowjones.com
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April 08, 2015 15:16 ET (19:16 GMT)
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