Das Online-Netzwerk Twitter wächst nicht so schnell wie erwartet und bekommt den Druck der Anleger zu spüren.
Nach einem enttäuschenden Nutzerwachstum fiel die
Twitter-Aktie auf den tiefsten Stand seit dem Börsengang vor einem halben Jahr. Der Kurs brach am Mittwochmorgen in New York um fast 12 Prozent ein. Das Papier kostete zeitweise keine 38 Dollar mehr. Insgesamt ist das Unternehmen noch rund 21 Milliarden Dollar (15 Mrd Euro) schwer.
Twitter kam zuletzt auf 255 Millionen Nutzer im Monat. "Es gibt nur wenige Unternehmen, die diese Reichweite haben", sagte Firmenchef Dick Costolo am Dienstag nach der Vorlage der Geschäftszahlen in einer Telefonkonferenz mit Analysten.
Das Internetunternehmen war im November erfolgreich an die Börse gegangen. Der damalige Ausgabekurs lag bei 26 Dollar und kletterte sofort nach dem Handelsstart. Die Aktie hatte am zweiten Weihnachtstag mit gut 73 Dollar ihren Höchststand erreicht. Seitdem ging es wieder abwärts wegen Sorgen um die Nutzerentwicklung.
Twitter konnte von Januar bis März 14 Millionen Nutzer hinzugewinnen. Verglichen mit Rivalen wie Facebook ist es wenig. Facebook hatte im gleichen Zeitraum rund 50 Millionen Leute neu angelockt und kam zuletzt auf 1,28 Milliarden Nutzer im Monat. Die Nachrichten-App WhatsApp übersprang jüngst die Schwelle von einer halben Milliarde Nutzer. Facebook ist gerade dabei, WhatsApp zu kaufen.
Das soziale Netzwerk Twitter
Gründung
Twitter wurde im März 2006 von Jack Dorsey, Biz Stone, Noah Glass und Evan Williams in San Francisco ins Leben gerufen und sollte ursprünglich die Kommunikation unter den Mitarbeitern der Podcasting-Firma Odeo erleichtern. Der erste Tweet stammte von Gründer Jack Dorsey und lautetet "just setting up my twttr."
Heute sind mit Biz Stone und Jack Dorsey noch zwei Gründer in der Führungsetage vertreten: Stone ist Creative Director und Dorsey Chef des Verwaltungsrat. Geleitet wird Twitter von CEO Dick Costolo.
Geschäftsmodell
Twitter sieht sich als "globale Plattform für öffentliche Selbstdarstellung und Echtzeitkonversation". Die Grundidee liegt darin, Kurzmeldungen von maximal 140 Zeichen möglichst schnell zu verbreiten. Was als Dienst für Privatpersonen mit Hang zur Selbstdarstellung begann, wird heute immer mehr auch von Unternehmen benutzt und soll zukünftig auch die schnelle Verbreitung von Notfall-Nachrichten und Katastrophenwarnungen sicherstellen.
Nutzer und Wachstum
Im dritten Quartal 2013 hatte Twitter rund 232 Millionen aktive Nutzer und damit mehr als je zuvor. Das Wachstum der Nutzerzahlen hat sich in den letzten Quartalen jedoch deutlich verlangsamt. Während Twitter im 3. Quartal 2012 im Vergleich zum Vorjahresquartal die Nutzerzahlen noch um 65 Prozent steigern konnte, stieg die Zahl der Nutzer in den darauf folgenden 12 Monaten nur noch um rund 39 Prozent an.
Geschäftsbilanz
Im Gesamtjahr 2013 konnte Twitter seinen Umsatz zwar auf 665 Millionen Dollar verdeutlichen, zugleich stieg aber auch der Verlust deutlich auf 645 Millionen Dollar an. Im Vorjahr machte Twitter nur 79 Millionen Dollar Miese. Damit schreibt der Nachrichtendienst auch nach dem Börsengang noch immer tiefrote Zahlen. Experten gehen davon aus, dass frühestens ab 2016 die Gewinnschwelle erreicht wird.
Werbung
Twitter macht sein Geld vor allem mit Werbebotschaften im Nachrichtenstrom der Nutzer. Die Anzeigen sind aktuell für rund 87 Prozent des Umsatzes verantwortlich. Die Hoffnung ist, dass diese Anzeigen in der Zukunft deutlich höhere Beträge als zurzeit einbringen werden.
Anteilseigner
Größter Anteilseigner an Twitter ist derzeit der Investor Rizvi Traverse mit 17,9 Prozent. Es folgen Mitgründer Evan Williams mit 12 Prozent und die Bank J.P. Morgan Chase mit 10,3 Prozent.
Konkurrenten
Twitter steht nicht nur im Konkurrenzkampf mit etablierten Social-Media-Plattformen wie Facebook, Google+, Xing oder LinkedIn. Auch hierzulande unbekanntere Unternehmen wollen auf das Konzept des Nachrichtendienstes aufspringen.
Das Start-up App.net will sich als werbefreie Alternativ-Plattform zu Twitter etablieren. Auch bei App.net ist es Nutzern möglich, ihre eigenen Posts in Echtzeit zu verbreiten.
Auch aus China kommt Konkurrenz: Anfang 2013 hat der chinesische Microblogging-Dienst Sina Weibo erstmals eine englischsprachige Benutzeroberfläche präsentiert und möchte nun auch international ein Stück vom Kuchen. In China ist der Dienst mit 400 Millionen Mitgliedern bereits Marktführer.
Auch Google hat bereits versucht, Twitter Konkurrenz zu machen. Die beiden Dienste Buzz und Jaiku wurden jedoch schon nach kurzer Zeit wieder aufgegeben.
Bei Twitter kann man bis zu 140 Zeichen lange Nachrichten absetzen, die auch Links zu Websites, Bildern oder Videos enthalten können. Das Unternehmen positioniert sich damit als Medium für Nachrichten. Um attraktiver für Neulinge zu werden, führt Twitter derzeit nach und nach ein neues Design für seine Website ein.
Twitter-Chef Costolo versicherte, dass die frisch hinzugekommenen Nutzer genauso aktiv seien wie diejenigen, die schon länger dabei sind. Die Zahl der Nutzer und die Häufigkeit der Nutzung sind wichtig für Twitter. Von der Reichweite hängt es ab, wie attraktiv der Dienst für Werbekunden ist. Und Anzeigen sind die größte Einnahmequelle. 80 Prozent der Werbeeinnahmen stammen von Anzeigen auf Smartphones.
Zuletzt hatte Twitter seine Anstrengungen im Werbegeschäft erhöht. Der Quartalsumsatz lag bei 250 Millionen Dollar und damit mehr als doppelt so hoch wie im Vorjahreszeitraum. Für das Gesamtjahr rechnet das Management nun mit bis zu 1,25 Milliarden Dollar. Die bisherige Prognose lag bei maximal 1,2 Milliarden Dollar.
Trotz dieser Verbesserung scheinen die Börsianer etwas den Glauben an Twitter verloren zu haben - zumal der Kurznachrichtendienst weiterhin keinen Gewinn macht. Im Gegenteil: Der Quartalsverlust lag bei unterm Strich 132 Millionen Dollar nach 27 Millionen Dollar im gleichen Zeitraum des Vorjahres.
Die Verschlechterung ist eine Folge des Börsengangs. Einige Twitter-Mitarbeiter bekommen Aktien als Teil ihrer Vergütung. Dafür muss das Unternehmen hohe Kosten verbuchen. Das hatte Twitter bereits das Ergebnis des Jahres 2013 verhagelt. Ohne Sondereffekte wäre jetzt ein kleiner Gewinn herausgekommen, rechnete Twitter vor./das/DP/she
SAN FRANCISCO (dpa-AFX) -