12.06.2013 22:29:30

EZB ist mit Verfassungsrichtern zufrieden

   Von Hans Bentzien

   KARLSRUHE--Bei der mündlichen Verhandlung des Bundesverfassungsgericht über die Euro-Rettungsmaßnahmen haben sich die Richter zwei Tage lang vor allem mit dem Staatsanleihekaufprogramm OMT der Europäischen Zentralbank (EZB) beschäftigt. Zu welchem Urteil die Richter kommen werden, ist noch unklar.

   Die EZB dürfte die zwei Tage in Karlsruhe trotzdem vorsichtig positiv beurteilen, denn das Gericht hat keine neuen Fakten oder Interpretationen zu Tage gefördert, die die öffentliche Meinung in Deutschland zusätzlich gegen die Euro-Rettung aufbringen könnten.

   EZB-Direktor Jörg Asmussen bekräftigte nach dem Ende der zweitägigen Verhandlungen noch einmal die Kernbotschaften: "Das Anleihekaufprogramm ist ex ante unbegrenzt - das ist die klare Botschaft an die Märkte." Erneut räumte er aber ein, dass das OMT sehr wohl faktische Grenzen habe. "Die haben wir hier im Detail beschreiben können", sagte Asmussen.

   In den Verhandlungen wurde klar, dass das OMT auch in Karlsruhe sowohl Befürworter als auch Gegner hat. In der Regel versuchten Verfassungsrichter ihre Fragen aber so zu formulieren, dass nicht gleich klar wurde, ob sie eher auf der Seite des OMT-Gegners Bundesbank oder des OMT-Erfinders EZB stehen. Schließlich wollten sie nicht den Eindruck von Voreingenommenheit hinterlassen.

   Für juristisch unbeschlagene Beobachter war es nicht einfach zu verstehen, mit welcher Zielrichtung ein Richter eine bestimmte Frage stellte. Sie wurden Zeugen davon, wie Juristen versuchten, die Statements von Ökonomen zu verstehen, während Ökonomen versuchten, die Rückfragen von Juristen zu verstehen und verständlich zu beantworten.

   Dabei waren die Fragen eigentlich interessanter als die oft vorhersehbaren Antworten der Sachverständigen und Beschwerdeführer. Denn ein Urteil wird das Gericht vorerst nicht sprechen, so dass alleine die Fragen Hinweise darauf geben konnten, wohin das Gericht tendiert.

   Warum sollen Zentralbanken Staatsanleihen kaufen dürfen, obwohl ihnen eine Staatsfinanzierung mit der Notenpresse eigentlich verboten ist? Mit dieser Frage haben sich die Richter besonders intensiv auseinandergesetzt. Die Antworten der Sachverständigen dazu fielen überwiegend negativ aus.

   EZB-Präsident Clemens Fuest sagte, seiner Ansicht nach laufe das OMT vor allem darauf hinaus, schuldengeplagte Länder am Kapitalmarkt zu halten. ifo-Präsident Hans-Werner Sinn machte aus seiner Kritik am OMT ebenfalls kein Hehl. Auch Bundesbankpräsident Jens Weidmann erhielt mehrfach Gelegenheit, seine Kritik an der Senkung von Risikoprämien auf Staatsanleihen durch die EZB zu äußern.

   Allerdings wollte Weidmann nicht so weit gehen, eine gesetzliche "Einhegung" des Spielraums der EZB zu fordern. Auf die entsprechende Frage eines Richters sagte er, sein Verhalten bei der Abstimmung über das Staatsanleihekaufprogramm OMT zeige, dass er für sich selbst die Entscheidung getroffen habe, diesen Spielraum eng auszulegen. Denn aus dem OMT resultierten Risiken für die Glaubwürdigkeit und die Finanzstabilität.

   Klärungsbedarf sah er allerdings an einer nicht sehr weit entfernten Baustelle. Die Diskussion über einen Zugang des Euro-Rettungsfonds zur Zentralbankfinanzierung habe gezeigt, wie groß die Spanne der Auffassungen darüber sei, was das Verbot der monetären Staatsfinanzierung eigentlich bedeute, sagte er und fügte hinzu: "Wenn eine Notwendigkeit zur Klarstellung besteht, dann hier", sagte Weidmann.

   EZB-Direktor Jörg Asmussen warnte dagegen vor einer Beschneidung der EZB-Möglichkeiten. "Es muss sichergestellt werden, dass der Kauf und Verkauf von Staatsanleihen auf dem Sekundärmarkt weiterhin möglich ist. Andernfalls drängt man uns auf andere Märkte, und ich fände Käufe von Unternehmensanleihen weitaus unschöner", sagte er.

   Präsident Andreas Voßkuhle, der die Sitzungen ruhig und nicht ohne Humor leitete, ließ in einem Dialog einmal erkennen, dass er die von der EZB gesetzten Kondition für OMT für ausreichend hielt, den Vorwurf monetärer Staatsfinanzierung zu entkräften. In einem anderen Dialog äußerte er, dass eine vollständige Einhaltung dieser Auflagen wohl nicht vorausgesetzt werden könne.

   Voreilige Schlüsse sollten aus solchen Äußerungen nicht gezogen werden. Das Bundesverfassungsgericht ist als ein Gericht bekannt, dass sich dem europapolitischen Kurs der Regierung nicht in den Weg stellt. Gegner von OMT und ESM schätzen die Aussichten auf eine Kurskorrektur durch die Verfassungsrichter nach zwei Verhandlungstagen denn auch zurückhaltend ein.

   "Das Gericht wird die Klagen entweder für teilweise ungültig erklären, der EZB einen fast unbeschränkt weiten Entscheidungsspielraum zugestehen oder die Verantwortung an einen Dritten weiterreichen wollen, an dessen Integrationsfreundlichkeit nicht zu zweifeln ist, insbesondere den EuGH", sagte der in London lehrende Europarechtler Gunnar Beck.

   Am zweiten Tag befassten sich die Richter unter anderem mit der Frage, ob demokratisch nicht kontrollierbare Staatsanleihekäufe wegen der damit einhergehenden Haftungsrisiken die Haushaltshoheit des Bundestags beeinträchtigen. Eine Richterin fragte: Würde die EZB dem Bundestag vor der Entscheidung über ein ESM-Programm Auskunft über darauf folgende Staatsanleihekäufe geben?

   "Im Kern muss die Antwort 'Nein' lauten, weil der EZB-Rat in seiner Unabhängigkeit entscheidet, ob, wann, in welchem Umfang er Staatsanleihen kauft", sagte Asmussen dazu. Asmussen stellte lediglich einen "informellen Austausch" mit nationalen Parlamenten für die Ausgestaltungsphase eines ESM-Programms in Aussicht.

   Interessant war die Kommunikation der beiden geldpolitischen Protagonisten, EZB und Bundesbank. Während es die Bundesbank vorzog, die Äußerungen ihres Präsidenten Jens Weidmann für sich sprechen zu lassen, erklärte EZB-Direktor Asmussen jeweils am Ende des Tages, dass er mit dem Verlauf der Verhandlung zufrieden sei und seine Argumente berücksichtigt sehe.

   Kontakt zum Autor: hans.bentzien@dowjones.com

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