07.06.2013 20:35:35

Merkel springt Autobranche im Streit um Emissionen zur Seite - Kreise

   Von Angelika Busch-Steinfort und Nico Schmidt

   BRÜSSEL/FRANKFURT--Die Bundesregierung ist im Streit um schärfere Emissionsvorgaben für Autohersteller in der Europäischen Union um eine Einigung bemüht. Berlin habe einen Vorschlag unterbreitet, um auf dieser Basis noch bis Monatsende eine Einigung mit dem Europäischen Parlament zu erzielen, so ein Informant. Im Kern will die Bundesregierung die Anrechnung schadstoffarmer Autos flexibler handhaben. Die Chancen für eine Einigung stehen offenbar gar nicht schlecht.

   Die Europäische Union will den Ausstoß an Treibhausgas bis zum Jahr 2020 um mindestens ein Fünftel im Vergleich zu 1990 reduzieren. Eine wichtige Stellschraube ist dabei der Verkehr, der einen großen Anteil an den Gesamtemissionen ausmacht. Seit einiger Zeit streitet sich Brüssel mit Deutschland über die Abgasvorschriften, vor allem bei schadstoffarmen Autos wie Hybrid- oder Elektrowagen. Ein Knackpunkt dabei sind die besonders von Berlin geforderten Super Credits.

   Die EU will die Hersteller mit der neuen Verordnung verpflichten, den Kohlendioxidausstoß von Neuwagen ab 2020 auf durchschnittlich 95 Gramm pro Kilometer zu begrenzen. Das entspricht etwa einem Verbrauch von 3,6 Litern Diesel beziehungsweise 4,1 Litern Benzin. In diesem Rahmen gibt es für jeden Hersteller je nach Fahrzeugflotte eigene Co2-Ziele. Werden die Vorgaben nicht eingehalten, drohen je nach Höhe der Abweichung empfindliche Strafen. Für die Zeit ab 2025 ist sogar eine Verschärfung auf im Schnitt 68 bis 78 Gramm ins Spiel gebracht worden.

   Das Europäische Parlament lehnt in der Debatte um schärfere Klimaschutzvorgaben die Aufsparung sogenannter Super Credits ab, mit denen emissionsarme Autos bei der Berechnung des Flottenverbrauchs mehrfach angerechnet werden. Berlin will nun die Aufsparung der Bonuspunkte auf Fahrzeuge beschränken, die in dem Zeitraum zwischen 2017 und 2020 produziert werden, so eine mit dem Thema vertraute Person.

   Im Gegenzug dafür sollen aber die Hersteller dieser Wagen die Bonuspunkte nach 2020 anrechnen lassen können. Zudem müssen die jeweiligen Autobauer dann im Jahr 2021 den CO2-Ausstoß ihrer konventionellen Flotte zusätzlich um 2,5 Gramm mindern, 2022 dann um 5 Gramm und 2023 um 7,5 Gramm.

   Nach dem Kompromiss der Bundesregierung müsste also ein Autobauer, dessen Flottenzielwert 2021 bei beispielsweise 130 Gramm liegt und der seine angesparten Super Credits anrechnen will, den CO2-Ausstoß seiner Gesamtflotte auf 127,5 Gramm drücken. Der Vorschlag aus Berlin kommt offenbar gut an - Gegner des Ansparens von Bonuspunkten hätten bereits positiv auf den Vorschlag reagiert, sagte der Informant.

   Beim Europäischen Parlament war zunächst keine Stellungnahme zu erhalten.

   Die deutsche Industrielobby hatte laut Medienberichten vor etwa einem Monat im Kampf gegen die strikten Vorgaben die Bundesregierung um Hilfe gebeten. Matthias Wissmann, Vorsitzender des Verbandes der Automobilindustrie und ehemaliger Bundesverkehrsminister, wandte sich per Brief direkt an Kanzlerin Angela Merkel und warnte vor überzogenen CO2-Regulierungen in Europa und zumindest indirekt auch vor dem Verlust von Arbeitsplätzen.

   Erst vor wenigen Tagen verdeutlichte Wissmann seine Position nochmals: "Kluge Regulierung sollte stimulieren und nicht strangulieren", sagte er am Rande eines E-Mobility-Kongresses in Berlin und forderte die Überarbeitung der angedachten Regelung der Super Credits. "Indem man besonders verbrauchsarme Fahrzeuge auf den CO2-Flottendurchschnitt eines Herstellers mehrfach anrechnet, treibt man die Entwicklung dieser umweltfreundlichen Technologien voran", sagte Wissmann. Intelligent ausgestaltet seien Super Credits ein wirksames Instrument.

   Der europäische Automobilverband ACEA hatte vergangene Woche vor einer Bedrohung der Wettbewerbsfähigkeit der Industrie gewarnt. "Jede Diskussion über neue regulatorische Regeln für die Branche muss die gegenwärtige ökonomische Situation berücksichtigen", sagte Generalsekretär Ivan Hodac. Die Autoindustrie in Europa ächzt unter der Last der Schuldenkrise - die Verkäufe dürften 2013 zum sechsten Mal nacheinander schrumpfen, in Europa schreibt kaum ein Hersteller schwarze Zahlen.

   Auch BMW-Chef Norbert Reithofer ging vor wenigen Wochen hart mit der EU ins Gericht: "Wir brauchen von der Politik verlässliche Rahmenbedingungen", sagte er vor wenigen Wochen auf der Hauptversammlung und forderte "Planungssicherheit" und mehr "politische Verantwortung". Schon das Ziel eines Flottenwertes von 95 Gramm CO2 pro Kilometer im Jahr 2020 sei ohne Milliarden-Investitionen nicht erreichbar. "Jetzt kommt das Europaparlament schon wieder mit neuen Forderungen: 68 bis 78 Gramm CO2 pro Kilometer für das Jahr 2025."

   "Das ist politisches Wunschkonzert", kritisierte Reithofer. "Das hat mit technischer Analyse oder Machbarkeit nichts - aber auch gar nichts - zu tun." Die EU müsse wissen, was sie wolle: "Sie fordert alternative Antriebe. Im Gegenzug rechnet sie diese den Herstellern aber nur mit einem Faktor von 1,5 an. In China gilt Faktor 5. In den USA Faktor 2. Verkehrte Welt." Europa befinde sich nicht in einer Position der Stärke, um sich eine solche Abkopplung von den Wettbewerbern leisten zu können.

   Umweltverbände befürchten durch die Super Credits eine zu laxe Handhabung der Regelungen. Gerade die deutsche Automobilindustrie, die vor allem mit größeren und damit zwangsläufig weniger sparsamen Autos erfolgreich ist, tut sich mit der deutlichen Verschärfung der Vorschriften schwer.

   Kontakt zu den Autoren: angelika.busch-steinfort@dowjones.com, nico.schmidt@dowjones.com

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   June 07, 2013 14:17 ET (18:17 GMT)

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