29.04.2013 13:32:33

Schienenkartell: Bahn-Einigung mit voestalpine setzt ThyssenKrupp unter Druck

BERLIN/ESSEN (dpa-AFX) - Die Deutsche Bahn setzt ThyssenKrupp bei der Aufarbeitung des langjährigen Schienenkartells durch eine Einigung mit dem österreichischen Stahlunternehmen voestalpine unter Druck. Die Österreicher zahlen dem Staatskonzern einen hohen zweistelligen Millionenbetrag, wie die Bahn am Montag in Berlin mitteilte. Die "Süddeutsche Zeitung" nannte zuvor die Summe von rund 50 Millionen Euro. Eine Einigung mit ThyssenKrupp ist dagegen noch nicht in Sicht. Der hochverschuldete und von zahlreichen Affären erschütterte Essener Industriekonzern gilt nach Erkenntnissen des Bundeskartellamts als Haupttäter.

    "Diese Vereinbarung zeigt, dass sich Voestalpine seiner Verantwortung stellt und Versprechungen Taten folgen lässt", sagte der zuständige Bahn-Vorstand Gerd Becht. "Andere Unternehmen sind hiervon noch weit entfernt. Das ist nicht nur bedauerlich, sondern wegen des hohen öffentlichen Interesses an den möglichen Ansprüchen des Bundes und mehrerer Bundesländer, die wir mit vertreten, dem Bürger und Steuerzahler kaum noch vermittelbar."

    Als Hauptadressat dieser Kritik gilt der Essener Industriekonzern, der sich dem Vernehmen nach bislang mit der Beilegung Zeit lässt. Ein ThyssenKrupp-Sprecher betonte, dass sein Unternehmen sich in "konstruktiven Gesprächen" mit der Bahn befinde.

    Mitte Juni 2012 hatte das Bundeskartellamt gegen die beteiligten Schienenhersteller Bußgelder in Höhe von 124 Millionen Euro verhängt. In den Jahren 2001 bis 2011 hatten die Unternehmen mit dem internen Namen "Schienenfreunde" illegal Quoten und Preise für Lieferungen an die Deutsche Bahn abgesprochen. Der Löwenanteil des Bußgeldes entfiel auf ThyssenKrupp mit gut 100 Millionen Euro. Voestalpine kam mit 8,5 Millionen Euro Strafe glimpflich davon. Das lag unter anderem daran, dass die Österreicher als Kronzeugen die Aufklärung mit ins Rollen brachten.

    Die Bahn erklärte, ihre Schadenersatzforderungen gegen die anderen Kartellmitglieder weiter gerichtlich durchsetzen zu wollen. Ende 2012 hatte das Unternehmen beim Landgericht Frankfurt das Kartell laut Zeitung auf die Zahlungen von 550 Millionen Euro plus 300 Millionen Euro Zinsen verklagt.

    In dem Verfahren nimmt die Bahn nach eigenen Angaben vor allem öffentliche Interessen wahr, da das Schienennetz vom Steuerzahler bezahlt wird. Den Schadenersatz von Voestalpine werde das Unternehmen daher größtenteils an den Bund und beteiligte Bundesländer weiterleiten. Diese hätten die erste Vereinbarung in diesem Fall in den vergangenen Wochen intensiv geprüft und schließlich begrüßt, erklärte die Bahn.

    Voestalpine erklärte, dass für das Unternehmen damit der größte Teil des Schienenkartells abgeschlossen sei. "Wir gehen davon aus, dass damit auch die Basis für eine langfristig tragfähige weitere Zusammenarbeit mit der Deutschen Bahn wiederhergestellt ist", sagte Voestalpine-Chef Wolfgang Eder.

    Noch auf sich warten lässt ein Abschluss des Verfahrens, bei dem das Bundeskartellamt die Lieferungen an Nahverkehrsbetriebe untersucht. Dabei drohen weitere Strafen und Schadenersatzzahlungen. Voestalpine betonte aber, dass die Rückstellung von 205 Millionen Euro ausreichen dürften. Darin enthalten sind auch die Kosten für die Schließung eines Schienenwerks in Duisburg.

    ThyssenKrupp lässt sich erfahrungsgemäß Zeit mit Schadenersatzverhandlungen in Kartellfällen. So sind etwa die Verfahren aus dem vor knapp zehn Jahren aufgeflogenen Aufzugs- und Fahrtreppenkartell immer noch nicht abgeschlossen. Auch damals waren staatliche Auftraggeber die Hauptgeschädigten.

    ThyssenKrupp kämpft derweil mit einem weiteren Kartellfall, der für den Konzern die schwerwiegendsten Folgen haben könnte. Dabei geht es um den Verdacht von verbotenen Absprachen bei Stahllieferungen an die Autobranche, dem Hauptkunden von ThyssenKrupp. Um die mögliche Strafe zu senken, muss der Konzern selbst beim Bundeskartellamt zur Aufklärung beitragen. Doch damit kam der Vorstand bislang kaum voran, da viele Mitarbeiter aus Angst vor einer Kündigung schweigen. Deshalb legte der Konzern kürzlich ein zeitlich befristetes Amnestieprogramm auf./enl/mne/stk

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