26.04.2013 05:00:00

IV-Kapsch: Industrie kann teurere Gebühren nicht über Löhne abfedern

Die reihenweise anstehenden KV-Verhandlungen dürften heuer besonders hart ausfallen. Denn "die Industrie kann über höhere Lohn- bzw. Lohnnebenkosten nicht die überproportionalen Kostensteigerungen für öffentliche Leistungen, wie bei Wassergebühren oder Energie, bzw. im Sozialsystem finanzieren", sagt der Präsident der Industriellenvereinigung (IV), Georg Kapsch, im APA-Interview. Es brauche ein neues Steuerkonzept mit einer Entlastung in Höhe von 12 Mrd. Euro unter anderem bei den Lohnnebenkosten, damit Arbeitnehmern netto mehr in der Tasche bleibe, spielte Kapsch den Ball Richtung Politik, die dem Konzept schon einmal eine Abfuhr erteilt hatte. Kapsch betonte, es gehe um ein neues Steuerkonzept, "nicht nur eine Reform".

Eine Mehrwertsteuererhöhung werde bei der Umsetzung nur dann nötig, "wenn wir nicht sämtliche Rationalisierungspotenziale - durch massive ausgabenseitige Strukturreformen - im Staat heben", so der Industrielle auf die Frage, ob im IV-Steuerkonzept nicht die Mehrwertsteuer erhöht werden müsse. Die "Steuerentlastung" nach IV-Fasson sieht 4 Mrd. Euro Lohnnebenkostensenkung und 8 Mrd. Euro Lohn- und Einkommensteuerreduktion vor. Bis 2018 sei der Betrag zu heben - "es geht schließlich um eine sukzessive Einbringung Sparpotenziale".

Der Körperschaftsteuersatz sei "in Ordnung", stehe für die IV gar nicht zur Debatte, sagte der IV-Präsident. "Wir diskutieren auch nicht den Spitzensteuersatz - aber den viel zu hohen Einstiegssteuersatz sowie die Progressionsstufen und deren Valorisierung natürlich", erklärte Kapsch. "Hier kann man sukzessive absenken und einsparen."

Grundsätzlich sei man gegen Substanzsteuern - mit der einzigen Ausnahme Grundsteuer. "Hier können wir uns was vorstellen - ein neues System", so der Industrievertreter. "Mit all dem könnten wir um eine Erhöhung der Mehrwertsteuer herumkommen." Wenn die Mehrwertsteuererhöhung stattfinden sollte, dann könne sich die IV eine Erhöhung um zwei Prozentpunkte vorstellen - "dann soll aber gleichzeitig auf Lebensmittel und nicht-alkoholische Getränke von 10 auf 5 Prozent abgesenkt werden; im Sinne der sozialen Ausgewogenheit, wir sind nicht neoliberal, aber sehr wohl leistungsorientiert".

Zu den KV-Verhandlungen meinte Kapsch weiter, es werde meist über der Inflationsrate abgeschlossen, aber die Gebühren würden den Menschen "das netto wieder weggefressen, der Faktor Arbeit darf nicht weiterbelastet werden. "Das schlägt sich negativ auf die Wettbewerbsfähigkeit nieder, was schlussendlich Arbeitsplätze kostet."

In der Krise an sich stelle sich die Frage, wo Österreich wie lange noch besser liegen werde als andere EU-Mitglieder. "Wir strengen uns an, aber man macht es uns schwer." Österreich sei in diversen Rankings über die vergangenen Jahre zurückgefallen. "Besonders weit zurück liegen wir in der Effizienz der Bundesregierung", so Kapsch. Nur die Effizienz der Wirtschaft sei in den Rankings des "World Competitiveness Scoreboards" gestiegen. "Sonst wären auch die relativ hohen Löhne und Gehälter gar nicht leistbar", richtet Kapsch der Politik und den Sozialpartnern aus.

Aber auch Europa vergebe Chancen, die Krise zu lindern - dahingehend wünscht sich Kapsch "mehr europäische Außenpolitik". Schließlich vergebe die EU derzeit die Chance, zusätzlich zur Entwicklungshilfe in Afrika wirtschaftliche Chancen zu nutzen - "hierbei sieht man nur China zu", kritisierte Kapsch. Auch kollidiere das Ziel der Reindustrialisierung Europas - als Willenserklärung ohne konkrete Vorgaben - mit sehr wohl klaren und überzogenen Regeln etwa in der Klimapolitik, die zu einer weiteren Abwanderung von Betrieben führen könnte, warnte Kapsch.

Der "Willenserklärung" der Re-Industrialisierung stünden national die aktuellsten Forderungen der Gewerkschaft entgegen, "die Arbeitsplätze gefährden und nicht schaffen, obwohl die Gewerkschaft ja auch mehr Industrie will - sicherlich nicht zuletzt, weil wir am besten zahlen", so der IV-Präsident. "Wenn die Gewerkschaft sagt, durch ihre Ideen werden 180.000 Arbeitsplätze geschaffen, dann ist das für mich vom Zugang her so, als wenn ich behaupte, ein 100-Meter-Läufer rennt seinen Weg in neun Sekunden, also kann er einen Kilometer in 90 Sekunden laufen - das ist schlicht falsch."

Man werde ein "Bollwerk" gegen die AK- und ÖGB-Forderungen sein. Schließlich gebe es "in den meisten Unternehmen einen riesigen Urlaubsrückstau" und "Überstunden wollen viele Leute aus Einkommensgründen machen".

"Weil immer irgendjemand aufschreit bei Vorschlägen", sei allerdings zu prüfen, "ob es gerade für den Tourismus nicht besser ist, einen Feiertag statt am Donnerstag am Freitag zu haben, weil dann vielleicht mehr Leute kommen. Meine schulpflichtigen Kinder haben an einem Freitag so gut wie nie einen Fenstertag, wenn Donnerstag ein Feiertag ist", bekräftigte Kapsch den weiteren IV-Vorstoß im Superwahljahr neben den neuen Details zur Steuerreform nach IV-Vorstellung.

Kreditklemme sah der Industrielle übrigens "derzeit keine, was nicht heißt, dass nicht eine kommt". Crowdfunding bezeichnete er als "grundsätzlich positiv - aber Regeln sind nötig und das Risikobewusstsein muss vorhanden sein".

Im Gespräch mit der APA wünschte sich Kapsch auch eine stärkere Regulierung der Finanzmärkte und räumte gleichzeitig ein, sich in den Finanzboomjahren "selbst auf ein Produkt eingelassen zu haben, das ich nicht verstand. Gott sei Dank hatte ich den Atem, die Sache - sie stürzte von 100 auf 35 Prozent ab - durchzutauchen. Jetzt ist der Stand fast wieder bei 100 Prozent. Das war mir eine Lehre - bei so etwas ist man selber Schuld", richtete er anderen Anlegern aus.

(Das Gespräch führte Philip Stotter/APA)

(Schluss) phs/ivn

WEB http://www.iv-net.at/ http://www.arbeiterkammer.at http://www.oegb.at

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