18.04.2013 12:33:00

Russland: volkswirtschaftlich top, unternehmerisch Nachzügler

Russland hat zwar volkswirtschaftlich vorbildliche Zahlen vorzuweisen, hinkt aber unternehmerisch hinten nach. Daher kommt das Wachstum seit der Krise nicht mehr so recht in Schwung. Österreichische Firmen haben sich in den Jahren 2000 bis 2008 in dem Land etabliert, seither "geht es gemächlicher bergauf", schilderte der österreichische Wirtschaftsdelegierte in Moskau, Dietmar Fellner, am Donnerstag in Wien vor Journalisten.

Der Staat erwirtschaftete 2012 einen Überschuss von 200 Mrd. Dollar (150 Mrd. Euro), die Verschuldung liegt bei nur 10 Prozent, die Arbeitslosigkeit ist ebenso wie die Inflation niedrig. Trotzdem dürfte das Wachstum von vier Prozent im Vorjahr auf heuer drei Prozent sinken. "Achillessehne" der russischen Wirtschaft ist das fehlende Unternehmertum, so Fellner. Die Zentralbank ist nicht bereit, den Leitzins von über 8 Prozent zu senken und Unternehmen günstige Kredite zu ermöglichen - zu tief sitzt die Angst vor einer steigenden Inflation. Auch wollen junge Menschen zwar gerne handeln und "Business" betreiben, nicht aber einen Produktionsbetrieb starten. Dafür geben sie das Geld, das sie verdienen, auch gerne wieder aus - der Inlandskonsum treibt die Wirtschaft an. Ein Eldorado ist Russland für Pharmafirmen: Alle Medikamente werden rezeptfrei verkauft und "man schluckt alles, weil man glaubt, man wird gesund". Pharmaimporte steigen exponentiell, allerdings müssen sich die Firmen verpflichten, bis 2020 im Land zu produzieren.

Daher ist Russland weiter "das Bergwerk der Welt" und hängt stark von Rohstoffen ab. 50 Prozent des Budgets stammen aus dem Öl- und Gasgeschäft, das Budget bleibt ausgeglichen, solange der Ölpreis über 95 Dollar liegt. Vor vier Jahren brauchte Russland "nur" einen Ölpreis von 50 Dollar, aber inzwischen wurden zahlreiche Sozialleistungen eingeführt und die Pensionen müssen abgesichert werden, der Geldbedarf ist entsprechend höher. Ein Problem für Russland ist, dass nur die Hälfte der 98 Millionen Beschäftigten Sozialabgaben leisten.

Österreichische Firmen schlagen sich in diesem Umfeld gut, sagt Fellner. Rund 500 Unternehmen haben zusammen knapp 7 Mrd. Euro investiert, die großen sind darunter, etwa 60 produzieren auch im Land. Besonders aktiv sind Holzfirmen wie Kaindl, Egger, Mondi, Mayr-Melnhof, oder der Baustoffkonzern Wienerberger, die über eine Erweiterung ihrer Investitionen nachdenken. Fellner erwartet aber auch einen Zustrom von Autozulieferern in den drei Zentren der Autoindustrie, die zuletzt einen Boom erlebt hat. Magna ist schon eingestiegen, erinnert er. Russland werde bald Deutschland als größter Automarkt Europas überholen.

Auch können österreichische Exportfirmen vom Wachstum in Russland profitieren: Die österreichischen Exporte nach Russland legten um elf Prozent auf 3,2 Mrd. Euro zu, die Importe sogar um 17 Prozent auf 4,1 Mrd. Euro. Und im ersten Quartal 2013 gab es ein Plus von 35 Prozent bei Exporten und von 20 Prozent bei Importen.

Fellner wirbt auch dafür, dass die Österreicher östlich des Ural stärker Fuß fassen. "Zwischen Baikalsee und Pazifik" leben auf einem Gebiet so groß wie Indien sechs Millionen Menschen, eine Million weniger als vor 20 Jahren.

(Schluss) tsk/ivn

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