06.03.2013 13:51:00

ESM: Verfassungsrichter verbeißen sich in "Auslegungserklärung"

Der Verfassungsgerichtshof hat sich am Mittwoch mit dem "Europäischen Stabilitätsmechanismus" (ESM) befasst, der im Vorjahr zur Unterstützung kriselnder Eurostaaten ins Leben gerufen wurde. Im Zentrum des Interesses stand bei der öffentlichen Verhandlung aber weniger der milliardenschwere Euro-Rettungsschirm selbst. Vielmehr interessierten sich die Verfassungsrichter besonders intensiv für die "Auslegungserklärung", mit der im Nachhinein deutsche Verfassungsbedenken ausgeräumt wurden.

Das ESM-Verfahren beim Verfassungsgerichtshof ist ein Überbleibsel der am Sonntag abgewählten FPK-Regierung, die die Anfechtung des ESM am 22. Oktober gegen die Stimmen von SPÖ und ÖVP beschlossen hatte. Mit dem Argument, die Verfassungsklage noch auf den Weg bringen zu wollen, hatten die Kärntner Freiheitlichen zuvor monatelang den Neuwahlbeschluss der anderen Parteien blockiert. Eine neue Landesregierung hätte nun die Möglichkeit, die Beschwerde zurückzuziehen.

Inhaltlich bringen die Kärntner acht Punkte gegen den ESM vor - sie reichen von mangelnder Einbindung des Parlaments über eine Verletzung der Verfassungsvorgabe eines nachhaltig geordneten Haushaltes bis hin zu fehlenden Rechtsgrundlagen, mangelnder Gründlichkeit bei der Vorbereitung der Entscheidung und einem "Irrtum des Bundespräsidenten" über seine Rolle beim Vertragsabschluss.

Die Verfassungsrichter interessierten sich vor allem für die "Auslegungserklärung" zum ESM-Vertrag. Darin wurden den beteiligten Staaten, wie vom deutschen Verfassungsgericht gefordert, Haftungsobergrenzen zugesichert. Diese Erklärung wurde in Österreich zwar im Bundesgesetzblatt veröffentlicht, aber nicht im Parlament beschlossen, was aus Kärntner Sicht unzulässig war. Die Vertreter der Bundesregierung hielten dem entgegen, die Auslegungserklärung sei nur eine politische "Klarstellung" des ESM-Vertrages und stelle keine Abänderung des Vertrages dar, müsse folglich also auch nicht durchs Parlament. Dies sei auch bei allen anderen ESM-Partnern so gewesen.

In der Fragerunde ließen die Verfassungsrichter allerdings Zweifel an der Position des Bundes durchblicken. So betonte VfGH-Präsident Gerhart Holzinger, dass der ESM-Vertrag ohne die Zusatzvereinbarung gar nicht zustande gekommen wäre, weil Deutschland in diesem Fall nicht ratifiziert hätte. Und Verfassungsrichter Christoph Grabenwarter verwies darauf, dass Deutschland - zusätzlich zur interpretativen Auslegungserklärung - auch einen völkerrechtlichen Vorbehalt zum ESM-Vertrag abgegeben habe. Aus Sicht von Richter Georg Lienbacher würde das darauf schließen lassen, dass die Auslegungserklärung aus deutscher Sicht sehr wohl den Vertragstext abändere.

Letzteres gestand zwar grundsätzlich auch Helmut Tichy vom Außenministerium zu. Allerdings verwies er darauf, dass man von diesem deutschen Vorbehalt bis dato nicht informiert worden sei. Man müsse sich diesen Vorbehalt daher erst ansehen.

Außerdem interessierten sich die Verfassungsrichter für die Frage, ob und unter welchen Bedingungen neben dem Gouverneursrat des ESM auch das Direktorium österreichische Zahlungsverpflichtungen an den Fonds schlagend werden lassen kann. Interessant ist diese Frage u.a. deshalb, weil das österreichische Mitglied im Gouverneursrat in der Regel an die Genehmigung durch den Nationalrat gebunden ist, das Direktorium aber nicht. Der Vertreter der Kärntner Landesregierung, Edmund Primosch, argumentierte, dass die Mitwirkungsrechte des Nationalrats damit "ins Leere laufen" könnten.

In einem anderen Punkt hat der Europäische Gerichtshof der Kärntner Beschwerde zumindest teilweise den Wind aus den Segeln genommen: Die Landesregierung argumentiert nämlich, dass der ESM-Vertrag als Änderung des EU-Vertrages zu werten sei, womit er eigentlich mit Zweidrittelmehrheit hätte beschlossen werden müssen. Der EuGH hatte diese Frage allerdings im Vorjahr - nach Einbringen der Kärntner Klage - verneint.

Die öffentliche Verhandlung wurde nach fast dreieinhalb Stunden geschlossen. Das Urteil ergeht schriftlich oder in einer mündlichen Urteilsverkündung. Wann dies der Fall sein wird, ist allerdings unklar.

(Schluss) has/dru

WEB http://www.vfgh.gv.at/

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