02.03.2013 12:20:33

Grillo fordert Neuverhandlung von Italiens Schulden - Magazin

Der Chef der italienischen Protest-Bewegung 5 Sterne, Beppe Grillo, rechnet damit, dass das politische System seines Landes noch in diesem Jahr zusammenbrechen wird. "Ich gebe den alten Parteien noch sechs Monate und dann ist hier Schluss", sagte der Komiker in einem vorab veröffentlichtem Focus-Interview. "Dann können sie die Renten nicht mehr zahlen und auch die öffentlichen Gehälter nicht mehr."

   Grillo forderte, Italiens Staatsschulden neu auszuhandeln: "Wir werden erdrückt nicht vom Euro, sondern von unseren Schulden. Wenn die Zinsen 100 Milliarden Euro pro Jahr betragen, sind wir tot. Es gibt da keine Alternativen." Wenn sich die Bedingungen nicht änderten, wolle Italien den Euro verlassen und zur Lira zurückkehren.

   Grillo, der als eigentlicher Sieger aus der Wahl hervorgegangen war, sagte, er wolle weder mit dem Chef des Mitte-Links-Bündnisses Pier Luigi Bersani noch mit dem rechtskonservativen Silvio Berlusconi eine Koalition eingehen.

   Zuvor hatte Bersani bereits eine große Koalition mit dem Mitte-Rechts-Bündnis des früheren Premiers Silvio Berlusconi ausgeschlossen. Er wolle Regierungschef werden, und das werde er am kommenden Mittwoch Staatspräsident Giorgio Napolitano vorschlagen, so Bersani bereits am Freitag.

   Unterdessen reißen die Forderungen an Italien, die unter Ministerpräsident Mario Monti eingeleiteten Reformen fortzusetzen, nicht ab. Der Chef des europäischen Rettungsfonds ESM sagte der Wirtschaftswoche: "Wichtig ist, dass Italien von einer Regierung geführt wird, die diesen Reformkurs fortführt. Gelingt das, wird das Land Wettbewerbsfähigkeit zurückgewinnen und zum Wachstumskurs zurückfinden. Regling zeigte sich des weiteren zuversichtlich, dass Italien regierbar bleibt. "Natürlich wäre es einfacher gewesen, wenn die Parlamentswahl in Italien zu klaren Mehrheitsverhältnissen geführt hätte, doch Italien hat Erfahrungen mit solchen Situationen. Entscheidend ist, dass die Wirtschaftsreformen fortgesetzt werden", so Regling.

   "Hände weg von der Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank"

   Bundeswirtschaftsminister Rösler sagte in einem vorab veröffentlichten Interview mit dem Magazin Focus: "Italien trägt als große Volkswirtschaft in Europa eine enorme Verantwortung." Zum eingeschlagenen Kurs struktureller Reformen gebe es keine Alternative. "Ich bin zuversichtlich, dass alle Beteiligten in Italien erkennen, wie wichtig Stabilität ist", so der FDP-Chef weiter. In dem Zusammenhang zeigte sich Rösler in Sorge um die Geldwertstabilität. Viele Bürger fragten sich zu Recht, wie sicher das gesparte Geld künftig noch sei. "Deshalb sagen wir: Hände weg von der Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank".

   Der deutsche Ökonom und Wirtschaftsweise Peter Bofinger warnte in einem Interview im Nachrichtenmagazin profil davor, dass sich einzelne Euro-Staaten von der Austeritätspolitik abwenden. "Wenn die Märkte beginnen, sich von jenen Ländern abzuwenden, die einen Kurswechsel einschlagen, kann das ein existenzielles Problem werden", sagte Bofinger. Dies sei nur auf gesamteuropäischer Ebene mit der Etablierung eines europäischen Finanzministers zu lösen. Dennoch sei ein Kurswechsel dringend notwendig, denn, bisher habe der europäische Sparkurs zu "keiner positiven Entwicklung in den europäischen Krisenländern geführt". Die Erfolge der populistischen Parteien in Italien zeigten, was passiere, "wenn man es mit der Austerität übertreibt". Bofinger glaubt, dass sich auch 2013 die Rezession in Europa fortsetzen werde.

   Im Eklat um die "Clown"-Äußerungen von SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück warf Grillo Steinbrück in einem Interview mit der Bild am Sonntag schlechte Manieren vor: "Steinbrück hat sich benommen wie ein Flegel. Ich bin ein Komiker, aber kein Clown. Steinbrück habe mit seiner Äußerung "alle Italiener beleidigt". Trotzdem erwarte er von Steinbrück keine Entschuldigung: "Die interessiert mich gar nicht." Ausdrücklich lobte Grillo Italiens Staatspräsident Napolitano, der Steinbrück wegen dessen "Clown"-Äußerungen von einem Abendessen ausgeladen hatte: "Ich fühle mich da sehr gut in Schutz genommen von meinem Staatspräsidenten. Das hat er schon ganz richtig gemacht, dass er Steinbrück nicht empfangen hat."

   Steinbrück hatte für einen Eklat gesorgt, als er am Dienstag den Wahlausgang in Italien mit den Worten kommentierte: "Bis zu einem gewissen Grade bin ich entsetzt, dass zwei Clowns gewonnen haben." Einer davon sei der Komiker Beppe Grillo. Der andere sei "definitiv ein Clown mit einem gewissen Testosteron-Schub".

   Kontakt zum Autor: Steffen.Gosenheimer@dowjones.com

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