Griechenland auf Reformkurs 22.02.2013 13:46:00

Wirtschaftsdelegierter Bruno Freytag: "Es geht nicht mehr alles durch"

teuerhinterziehungen würden geahndet, Leute angeklagt und auch mal zwei, drei Tage eingesperrt. Von der Notwendigkeit, Steuern zu zahlen, seien die Griechen aber alles andere als überzeugt. Das Ende der Krise erwartet Freytag frühestens in zwei Jahren. Das Misstrauen der internationalen Geldgeber sei nach wie vor sehr groß.

Griechenland befindet sich nun schon seit fünf Jahren in der Rezession, seit 2008 hat das Land rund 20 Prozent seiner Wirtschaftskraft eingebüßt. Das Hauptproblem aus der Sicht Freytags ist das sogenannte Zwillingsdefizit (twin deficits), also ein Haushaltsdefizit und gleichzeitig ein Leistungsbilanzdefizit. Wobei in den letzten Jahren schon einiges an Arbeit geleistet worden sei. Das Budgetdefizit sei 2012 auf 7,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) heruntergearbeitet worden - von 15,6 Prozent im Jahr 2009. Das Primärdefizit für 2012 werde bei 1,2 Prozent liegen, nach 4,7 Prozent 2010 und 2,2 Prozent 2011. Auch das Zahlungsbilanzdefizit sei "wesentlich" reduziert worden, so der Wirtschaftsdelegierte am Freitag vor Journalisten in Wien.

Dass es, wie griechische Prognosen voraussagen, schon 2014 zu einem BIP-Wachstum kommt, glaubt Freytag nicht. Da werde Griechenland bestenfalls eine schwarze Null schaffen.

Der Sparzwang trifft die Bevölkerung hart, Streiks und Proteste sind an der Tagesordnung. Freytag spricht von "dramatischen sozialen Auswirkungen", meint aber, dass sich die Lage schön langsam beruhige. Der Generalstreik am Mittwoch zum Beispiel sei "relativ zivilisiert abgelaufen", der gewalttätige "Protest auf der Straße" finde kaum noch statt. Die meisten Demonstrationen würden von Gewerkschaften organisiert. Dass Anfang Februar auch die Bauern auf die Straße gingen - sie forderten niedrigere Benzinpreise -, sieht Freytag relativ gelassen. "Das hat ein lange Tradition. Die Bauern haben immer schon im Jänner, Februar gestreikt."

Griechenlands Gewerkschaften hätten seit der Liberalisierung des Arbeitsmarkts - KV-Verhandlungen werden nun auf Firmenebene geführt - an Glaubwürdigkeit verloren, sagte der Wirtschaftsdelegierte. Die von der Gewerkschaft scharf kritisierte Reduktion des Mindestlohns um mehr als ein Fünftel auf monatlich 586 Euro brutto wird nach Meinung Freytags "sehr emotionell" geführt. Angesichts der hohen Arbeitslosigkeit gebe es Menschen, "die froh wären, wenn sie um dieses Mindestgehalt arbeiten könnten".

Vor der Krise sei in Griechenland "gar nichts passiert". Bis 2010 sei es das am meisten regulierte OECD-Land gewesen. "Griechenland hat es seit dem EU-Beitritt 1981 geschickt geschafft, sich gegenüber dem restlichen EU-Markt abzuschotten", Konkurrenz aus dem Ausland sei kaum zugelassen worden, resümierte Freytag.

Dann kam die Krise, Griechenland musste mit milliardenschweren Hilfspaketen vorm Kollaps bewahrt werden, Schuldenschnitt und harte Sparmaßnahmen inklusive. Die Wahlen im Mai 2012, bei der die beiden Regierungsparteien wegen des Sparkurses massiv abgestraft wurden, brachten den Reformprozess weitgehend zum Stillstand. "Griechenland war in einer Schockstarre. Es gab keine Kreditversicherungen für Exporte. Jeder, der importieren wollte, musste bar vorauszahlen", berichtete Freytag.

Nach der zweiten Wahl im Juni 2012, bei der Samaras' konservative Nea Dimokratia (ND) als stärkste Partei hervorging, sei es besser geworden. Freytag hält die Demokratische Linke (DIMAR), die gemeinsam mit der ND und der sozialdemokratischen PASOK die Regierung bildet, für eine "vernünftige Partei" respektive eine "positive Stimme in der Koalition".

"Sehr gut" findet er auch den neuen Finanzminister, den Wirtschaftsprofessor Ioannis Stournaras. Mit ihm habe die Troika aus EU, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF), einen "vernünftigen Verhandlungspartner" von Regierungsseite. Zuvor seien die Verhandlungen um Hilfsgelder und Auflagen oft äußerst zäh gewesen, es sei um Formulierungen gestritten worden; das Sprachproblem - verhandelt wird auf Englisch, die entsprechenden Gesetze müssen in griechischer Sprache verfasst werden - habe sein Übriges getan. Als es um die Kürzungen im Beamtenapparat ging - bis Jahresende 2013 werden über 24.000 Staatsbedienstete entlassen -, hätten die Troika-Vertreter sogar Namen von Staatsbediensteten verlangt. "Das Misstrauen der Troika ist da", so Freytag.

Es habe sich aber einiges geändert. Nunmehr würden Abgabenhinterziehungen wirklich verfolgt, freilich zum Unmut der Bevölkerung. "Diese Straffreiheit, die so verbreitet war, ist vorüber", so Freytag. In Mykonos zum Beispiel seien die Steuerfahnder unlängst bei einer Party aufgekreuzt, die offiziell als Werbeveranstaltung angemeldet gewesen sei, damit keine Steuern gezahlt werden müssen. "Es wurden Einnahmen von 350.000 Euro an einem Abend gefunden", erzählte Freytag. "Es geht nicht mehr alles durch, und das ist gut so."

Das größte Problem, was die Steuerhinterziehung betrifft, sei nach wie vor die Gastronomie. Auch vom Arzt eine Rechnung zu bekommen sei noch immer "schwierig". Anders im Einzelhandel: In den Geschäften stünden Schilder mit dem Hinweis "Wenn du keine Rechnung bekommst, musst du nicht zahlen." Das scheint zu wirken, die Griechen verlangen Rechnungen - diese brauchen sie nämlich für ihre Einkommenssteuererklärung. Hintergrund ist ein seit 2011 geltendes Gesetz, erklärte Freytag. Wer 25 Prozent seines Einkommens mit Rechnungen hinterlegt, zahlt weniger Lohnsteuer. Eigentlich, so der Wirtschaftsdelegierte, sei es "verrückt, wenn der Staatsbürger die Buchhaltung für den Staat übernehmen muss."

Verbessert hat sich laut Freytag auch die Problematik der Abflüsse von Bankeinlagen. Allein im Wahlmonat Mai seien 9,5 Mrd. Euro - davon ein Großteil von privaten Haushalten - von Konten abgehoben worden. Das habe sich zum Jahresende 2012 normalisiert, die momentanen Bankeinlagen bezifferte Freytag mit 165 Mrd. Euro. Abflüsse ins Ausland habe es "nicht extrem" gegeben.

Positiv sei auch, dass die Exporte zuletzt leicht angestiegen seien, die Importe jedoch seien noch stärker abgesackt. Die österreichischen Lieferungen nach Griechenland seien 2012 um weitere 9 Prozent auf rund 400 Mio. Euro abgesackt, im Rekordjahr 2008 waren es noch 753 Mio. Euro gewesen. Die wichtigsten Exportwaren sind nach wie vor Handys - "aber das ist Handelsware" - und Energydrinks (Red Bull), so Freytag. Auf Platz drei folgt Käse - Österreich sei ein wichtiger Schnittkäselieferant für Griechenland.

Umgekehrt bezieht Österreich viel Feta aus Griechenland. Insgesamt stagnierten die Warenströme von Griechenland nach Österreich 2012 bei etwa 160 Mio. Euro. Nummer-eins-Ausfuhrgut waren Stahlrohre, diese wurden für Erdgasleitungen im Waldviertel gebraucht.

(Schluss) snu/sp

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