24.01.2013 12:57:00

Wirtschaft warnt Politik schon jetzt vor teuren Wahlzuckerln

"Interessenvertreter sind Bewusstseinsarbeiter", meint Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl. Im hochziehenden Wahlkampfgetöse muss er wohl besonders hart arbeiten, denn da tendieren Politiker dazu, teure Wahlgeschenke zu verteilen, wie Industriellenchef Georg Kapsch feststellt. Gemeinsam warnen WKÖ und IV daher schon Monate vor dem Urnengang vor unnötigen Ausgaben. Gebot der Stunde seien die Reduktion der Staatsschulden sowie die Senkung der Lohnnebenkosten.

Dass sich "große Themen" wie eine Verwaltungs- oder Verfassungsreform bis zur Wahl nicht mehr ausgehen, ist Leitl und Kapsch klar. Aber bis dahin sollte die Regierung noch weiterarbeiten, urgierten die Wirtschaftsvertreter am Donnerstag bei einer Pressekonferenz.

Da wäre zum Beispiel die Entlastung des Faktors Arbeit. "Ich fühle mich schon langsam wie in einer Gebetsmühle", gestand Leitl, als er wieder einmal die Senkung der Lohnnebenkosten forderte. "Wenn wir 4 Prozent höhere Löhne zahlen, kostet uns (Arbeitgeber) das 6 Prozent mehr. Die Arbeitnehmer bekommen nur 2 Prozent mehr", rechnete der WKÖ-Chef vor. Wegen weiterer Steuern und Gebühren bleibe den Beschäftigten netto nur ein Plus von 1 Prozent. "5 Prozent saugt der Staat ab." Während im OECD-Schnitt von 100 Euro, die ein Unternehmen aufwendet, 65 Euro bei den Beschäftigten landen, seien es in Österreich nur 52 Euro, so IV-Präsident Kapsch.

Nach Rechnung der Industriellenvereinigung wäre kurzfristig eine Senkung der Lohnnebenkosten um über 500 Mio. Euro möglich, langfristig, also bis 2018, liege das Potenzial bei 4,2 Mrd. Euro.

Möglichkeiten sehen Wirtschaft und Industrie zum Beispiel bei der Unfallversicherung (AUVA). Seit 1990 sei die Zahl der Arbeitsunfälle um fast 40 Prozent gesunken, der Dienstgeberbeitrag zur Unfallversicherung sei aber mit 1,4 Prozent immer noch gleich hoch. Weitere kleinere Maßnahmen, die sich Kapsch und Leitl wünschen: Den Dienstgeberbeitrag zum Insolvenzentgeltfonds von derzeit 0,55 Prozent um 0,1 Punkte senken sowie jenen für den Familienausgleichsfonds (FLAF), der allein 2012 einen Überschuss von 200 Mio. erzielt habe. Außerdem sollten die Wohnbauförderungsbeiträge wieder zweckgewidmet werden, anstatt damit Löcher in Länderbudgets zu stopfen.

Konkrete Wahlversprechen, vor denen Leitl und Kapsch graut, haben die Politiker bisher noch keine gemacht. Aber: "Die Fantasie wird, je näher der Termin rückt, größer", so Leitl. Am allermeisten fürchtet er sich vor einem Tag wie dem 24. September 2008, als der Nationalrat zum Basar geworden sei und sich Österreich binnen weniger Stunden 3 Mrd. Euro an Verpflichtungen eingehandelt habe - Stichwort: Hacklerregelung. Seit damals sei die Verschuldung von 60 auf 75 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) gestiegen. Den beiden Nicht-Euro-Ländern Schweden und die Schweiz hingegen sei ein Schuldenabbau gelungen. "Stoppt die Besteuerer", warnte Leitl daher heute mit Blick auf die hitzig debattierte Reichensteuer - für ihn eine "Mogelpackung", die letztendlich den Mittelstand belasten würde. Er wolle nicht, dass Österreich wie Gerard "Depardieu zu Putin flüchtet"; die Schweiz sei "sehr nahe".

Kernforderung der Wirtschaft ist und bleibt die Senkung der Abgabenquote, die IV hatte dazu ja bereits im November ein Papier vorgelegt. Die Abgabenquote sei in Österreich zuletzt bei 41,9 Prozent gelegen und werde 2013 auf 43,1 Prozent steigen. Der EU-Schnitt sei mit 38,4 Prozent 2010 deutlich niedriger gewesen. Der IV schwebt vor, die österreichische Quote bis 2018 wieder auf 38 Prozent zu senken.

Abseits des Steuerthemas steht bei der IV die Flexibilisierung der Arbeitszeit auf der Agenda. Einem entsprechenden Vorstoß von Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (V) am Wochenende zur Verlängerung der Tageshöchstarbeitszeit hat heute Sozialminister Rudolf Hundstorfer (S) eine Absage erteilt. Kapsch beharrt auf eine Ausweitung von 10 auf 12 Stunden am Tag, wie er auf Nachfrage sagte. Und Leitl will bei Hundstorfer noch "Bewusstseinsarbeit" leisten. Schließlich habe Österreich die ersten Monate der Krise nur dank des "Airbags namens Zeitguthaben" so gut bewältigt. Derzeit jedoch ist die Lage nicht sehr besorgniserregend. Rund 2.000 Menschen in 31 Firmen sind laut Kapsch in Kurzarbeit, 2009 waren es 64.000. "Im Moment ist es nicht so dramatisch wie wir ursprünglich gedacht haben", räumte der IV-Präsident ein.

(Schluss) snu/ivn

WEB http://www.iv-net.at/ http://www.wko.at

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